Personendaten


Rosenau Helene, Dr.

Nachname
Rosenau (Rosenau-Carmi)
Geburtsname
Rosenau
Vorname
Helene
Geburtsdatum
27.03.1900
Geburtsort
Monte Carlo
Weitere Familienmitglieder

Eltern: Albert Rosenau und Klara Rosenau geb.Lion
Ehemann: Dr. Zwi Carmi
 

Adresse

Bismarckstraße 15 (heute 26)

Beruf/Ämter
Architekturhistorikerin
Emigration/Deportation

emigriert in der NS-Zeit mit ihrer Mutter Klara in die Schweiz 
später nach Großbritannien

Sterbeort/Sterbedatum
Enfield Middx/London - 27.10.1984

Biografie


Helene Rosenau stammt aus einer alteingesessenen, angesehenen jüdischen Familie Kissingens, deren Wurzeln sich bis ins 18. Jahrhundert zurückverfolgen lassen. Ihr Vater Albert Rosenau hatte Medizin studiert, rasch Karriere gemacht und den Titel „königlich-bayerischer Sanitätsrat“ erhalten. 1898 hatte er die in Mannheim geborene Klara Lion geheiratet. Das Ehepaar lebte zunächst in Monte Carlo, wo am 27. März 1900 Helene (Auguste) geboren wurde. Im Juli 1913 zog die Familie nach Bad Kissingen, wo Albert Rosenau als Arzt im eigenen Kurhaus praktizierte. Helenes Eltern führten in der Kurstadt ein äußerst renommiertes Kurhaus in der Bismarckstraße, das bei den Kissingern als „Westendhaus“ bekannt ist und heute ein Teil der Luitpoldkliniken Heiligenfeld ist. Helene wurde privat unterrichtet und legte 1923 das Abitur ab. Ihre Ausbildung bis 1923 erhielt sie zunächst in Hamburg, München, Berlin und Heidelberg, die Sommermonate verbrachte sie aber meist in Bad Kissingen.

Von 1923 bis 1929 studierte Helene Rosenau Kunstgeschichte u. a. in München bei Heinrich Wölfflin, in Berlin bei Adolph Goldschmidt, in Bonn bei Paul Clemen und zuletzt in Hamburg bei Erwin Panofsky. In Hamburg reichte sie 1930 ihre Dissertation über den Kölner Dom ein. Danach wechselte sie an die Universität Münster, um ihre Habilitation bei Martin Wackernagel zu verfassen. In den Kathedralen von Köln sowie im Großmünster von Zürich nahm sie an Ausgrabungen teil. Ihre Bemühungen, ihre universitäre Laufbahn weiterzuführen, fanden dann nach 1933 aufgrund ihrer jüdischen Herkunft ein abruptes Ende. So konnte sie das im Sommer 1933 anberaumte Habilitationsverfahren nicht zu Ende bringen, obwohl sie ihre Habil-Schrift bereits fertiggestellt hatte. Die Universität Münster lehnte ihr Habilitationsgesuch aufgrund des "Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums" ab. Helene Rosenau musste aus dem Universitätsdienst ausscheiden und verlor zudem ihr Stipendium von der „Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft“, das nicht verlängert wurde.

Als sie in der NS-Zeit beruflich und privat keine Perspektive mehr hatte, ging sie im April 1933 zunächst nach Zürich und emigrierte im Herbst 1933 nach London. Mit Hilfe eines Stipendiums der British Federation of University Women konnte Helene Rosenau in den Jahren 1934 und 1935 ihre Habilitation über „Design and Medieval Architecture“ abschließen. Sie setzte danach in den Jahren 1935 bis 1940 ihre Studien am renommierten Courtauld Institute fort, wo sie sich vor allem mit der Architekturgeschichte der Synagoge beschäftigte. Für Weihnachten 1935 plante sie ihre Mutter für zwei Wochen in Baden-Baden zu besuchen, doch ein entsprechendes Gesuch Klara Rosenaus wurde von der Bayerischen Politischen Polizei mehrfach abgelehnt. Hintergrund der Ablehnung war offensichtlich eine Stellungnahme der Gestapo Würzburg, die Helene Rosenau als "staatsfeindlich" einstufte und ihr eine "kommunistische Einstellung" vorwarf, ohne ihr allerdings weder strafrechtlich noch politisch etwas Nachteiliges nachweisen zu können. Möglicherweise reiste Helene aber trotz der Ablehnung des Gesuchs nach Frankfurt/Main, jedenfalls erhielt die Gestapo vertrauliche Hinweise eines Informanten, dass sie sich dort mit einem Rumänen aufgehalten habe. Die nationalsozialistischen Polizeibehörden sahen in ihr eine Staatsfeindin. Im Frühjahr 1940 setzte das Reichssicherheitshauptamt in Berlin sie auf die "Sonderfahndungsliste Großbritannien", ein Verzeichnis von Personen, die im Falle einer erfolgreichen Invasion und Besetzung der Britischen Inseln durch die Wehrmacht von Sonderkommandos der SS ausfindig gemacht und verhaftet werden sollten. 
1938 heiratete Helene Rosenau den 1883 geborenen Dr. Zwi Carmi. Zwei Jahre später erkannte die Universität London ihr den Doktor der Philosophie zu. Sie arbeitete danach an der London School of Economics für den bekannten Soziologen Karl Mannheim (1893-1947) und untersuchte in seinem Auftrag die soziale Stellung der Frau im Spiegel der Kunst. 1944 kam ihr Adoptivsohn Michael zur Welt. 1945 erhielt sie die britische Staatsbürgerschaft. Nach dem Krieg hielt sie von 1947-1951 an verschiedenen Universitäten, u. a. der Universität von London, Vorlesungen. 1948/49 und 1951 besuchte sie auch noch einmal Bad Kissingen. Ihr Mann starb 1951, während sie mit Adoptivsohn Michael in Bad Kissingen war.  Sie folgte im gleichen Jahr einem Ruf an die Universität von Manchester, wo sie über den französischen Revolutionszeitarchitekten Etienne Louis Boullée forschte. Rasch machte sie sich mit verschiedenen Publikationen einen Namen als eine der führenden Architekturhistorikerinnen Englands. 1968 kehrte sie nach London zurück, wo sie an der Universität von London und am Leo Baeck College, einer bekannten liberalen Rabbinerhochschule, Vorlesungen hielt. 1984 starb sie in London.


Quellenangaben


weitgehend übernommen aus: Hans-Jürgen Beck, Kissingen war unsere Heimat, Stand April 2017, S. 675ff und Wikipediaartikelexterner Link Helen Rosenau).
Biographisches Handbuch deutschsprachiger Kunsthistoriker im Exil, S. 563externer Link
Tabellarischer Lebenslauf      externer Link                                                                                                                               
Aufbau, 21.03.1980/Artikel zum 80. Geburtstag externer Link    
Datenbank Internationale Netzwerke von Akademikerinnenexterner Link
Meldeunterlagen der Stadt Bad Kissingen
Datenbank Ancestry, England und Wales, nationaler Nachlasskalender (Index von Testamenten und Verwaltungen), 1858-1995externer Link
Gedenkblatt für Helen Rosenau, Otto Gertzen, Flurgespräche, 2017externer Link
Sta Wü, Gestapo 11011 Dr. Helene Rosenau



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