Personendaten


Rosenthal Inge Lore

Nachname
Rosenthal
Vorname
Inge Lore
Geburtsdatum
19.06.1925
Geburtsort
Bad Kissingen
Weitere Familienmitglieder
Adresse

Bismarckstraße 18 (heute 14)

Beruf/Ämter
Direktionssekretärin
Emigration/Deportation

September 1933 emigriert nach Mailand
1938 emigriert in die Schweiz
Juli 1946 ausgewandert in die Lombardei

Sterbeort/Sterbedatum

Biografie


Inge Lore Rosenthal stammte aus einer Familie mit schlesischer Herkunft, die aber seit Jahren in Bad Kissingen lebte. Ihr Großvater war fast vier Jahrzehnte lang während der Sommermonate als praktischer Arzt und Badearzt in der fränkischen Kurstadt tätig. Inge Lores Vater war also teilweise in Bad Kissingen aufgewachsen, denn die Familie lebte während der Kursaison meist in der Kurstadt. Seine Ehefrau Ilse Callomon hatte Walter Rosenthal in Breslau kennengelernt und war nach der Hochzeit mit ihm nach Bad Kissingen gezogen, wo er eine eigene Praxis eröffnete.

Inge Lore Rosenthal wurde am 19. Juni 1925 In der fränkischen Kurstadt geboren, ihr Bruder Klaus Peter folgte acht Jahre später im Mai 1933. Die heute in Mailand lebende 95-jährige Inge Lore erinnert sich an eine wohlbehütete Kindheit, als die gut situierte Familie im Bismarck-Haus in der Bismarckstraße lebte. Ihre Eltern seien gerne ausgegangen - "Vati im Smoking" - und hätten oft Gäste eingeladen. Ihre ersten beiden Schuljahre hat Inge Lore noch in der Kliegl-Schule absolviert. Im Gedächtnis geblieben sind ihr aber auch die SA-Umzüge in der Stadt und die Nazi-Lieder, die dabei gesungen wurden (Informationen Inge Lore Rosenthal, Telefongespräch vom 07.12.2019). 

Ausschnitt Bismarckhaus
Hier im Bismarck-Haus befanden sich Wohnung und Praxis der Familie Walter Rosenthal
             
Kissinger-Hof-mit-Bismarkhaus
Das Bismarck-Haus befindet sich rechts neben Rosengarten-Klinik Heiligenfeld.
       

Im September 1933 - also ein halbes Jahr nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten - verließen die Rosenthals mit der damals achtjährigen Inge Lore und dem vier Monate alten Säugling Klaus Peter die Kurstadt. Nachdem ihr Vater von einem Patienten davor gewarnt worden war, in Deutschland zu bleiben, entschlossen sich die Eltern frühzeitig zur Emigration. Rosamunde Rosenthal - Inge Lores Großmutter, die nach dem Tod ihres Mannes ein paar Häuser weit entfernt gewohnt hatte - ging zurück nach Breslau. Die junge Familie Rosenthal emgrierte nach Mailand, wo sich Inges Vater eine bescheidene Existenz aufbaute. Es muss eine schwierige Zeit für die Familie gewesen sein. Für den Vater war es nicht einfach, eine angemessene Beschäftigung zu finden, so dass die Familie in sehr bescheidenen Verhältnissen lebte. Besonders die Mutter litt unter der Situation in der Fremde und fühlte sich entwurzelt. Im Kreis der Familie unterhielt man sich - wie Inge Rosenthal erzählt - auch weiterhin auf Deutsch. Inge Lore besuchte zunächst für ein Schuljahr eine jüdische Schule, dann wechselte sie auf eine italienische Schule (Ebd.) 

Auch in Italien waren die Rosenthals nicht sicher. 1938 zwangen die nun auch hier stärker aufkommenden antisemitischen Tendenzen die Familie erneut zur Emigration. Die Rosenthals flohen in die Schweiz, wo sie insgesamt acht Jahr blieben und in Zürich lebten. An diese Zeit hat Inge Rosenthal deutlich positivere Erinnerungen. Die Lebensumstände der Familie waren besser. Ihr Vater bekam Unterstützung durch Kollegen, die ihm Vertretungen verschafften, so dass die Familie gut versorgt war. Dr. Rosenthal engagierte sich in der jüdischen Gemeinde Zürichs und deren Filialen und kümmerte sich um jüdische Patienten. Inge Lore arbeitete nachmittags nach der Schule im Büro der jüdischen Gemeinde mit. Die jüdische Religion spielte aber im Leben der Familie sonst keine Rolle. Inge Lore erhielt eine gute Schulausbildung am Juventus-Institut in Zürich und bekam 1943 ihr Abschlussdiplom (Ebd.).

Nach dem Krieg ist die Familie dann im Juli 1946 aus Zürich weggezogen und kehrte nach Italien zurück. Nach Aussage von Inge Rosenthal hätten sie auch in Zürich bleiben können, doch Professor Bianchi, der Direktor der chirurgischen Universitätsklinik in Mailand, der Dr. Rosenthal aus den 1930er-Jahren kannte und schätzte, überredete Dr. Rosenthal zur Rückkehr. Erst später erfuhr die Familie, dass sie auch in die USA hätten auswandern können. Mitglieder der jüdischen Studentenverbindung "Salia", in der Dr. Rosenthal Mitglied war, hatten für die Familie nämlich ein Affidavit besorgt.

Die Familie wohnte zunächst in Mandello del Lario am Comer See, wo Dr. Rosenthal wieder als Arzt tätig war. Im Januar 1950 zog die Familie in die nur wenige Kilometer entfernte Gemeinde Malgrate um und 1953 weiter nach Lecco, wo Inge Lores Vater eine ärztliche Praxis hatte. In den 1950er-Jahren erhielten auch alle Familienmitglieder die italienische Staatsbürgerschaft. Inge und ihre Eltern lebten bis Anfang 1967 in Lecco und zogen dann nach Cormano in der unmittelbaren Umgebung von Mailand. Dort starb Inge Lores Vater im Januar 1967 im Alter von 68 Jahren.

In den 1950er- oder 1960er-Jahren hatte Walter Rosenthal mit seinen beiden Kindern noch einmal Bad Kissingen besucht. Inge Lores Mutter, die zeitlebens unter dem Trauma der Vertreibung litt, war nicht mitgefahren. Sie wollte nicht mehr nach Deutschland zurück. Inge Lore erinnert sich noch genau an die traurige Situation, als ihr Vater weinend vor dem Haus stand, in dem er jahrelang praktiziert und mit seiner Familie gelebt hatte. Der Besuch war für die drei eine bedrückende, schmerzhafte Erfahrung (Ebd.). 

Inge Lore Rosenthal, die zeitlebens ledig blieb, war über 40 Jahre lang als Direktionssekretärin in einer Firma tätig. Dabei waren ihr ihre Deutschkenntnisse von Vorteil, da die Firma viele deutschsprachige Kunden hatte.

Im Oktober 1973 verließ sie - zusammen mit ihrer Mutter - Cormano und lebt seitdem in Mailand.

nonno Davide 2 David Callomann
Inge Lore mit David Callomon, ihrem Großvater mütterlicherseits
                 
Inge+Io
Inge Lore und ihr fünf Jahre jüngerer Bruder Klaus Peter
                       
Inge Lora Rosenthal
Inge Lora Rosenthal


Quellenangaben


Meldeunterlagen der Stadt Bad Kissingen
Korrespondenz Dr. W. Rosenthals mit dem Intergouvernementalen Komitee für die Flüchtlinge in Genf, CM/1 Formulare und Begleitdokumente von DP´s in der Schweiz, sowie Schriftwechsel von IRO-Dienststellen in Deutschland, Österreich und dem Nahen Osten mit dem IRO-Hauptquartier in Genf, Arolsen Archives onlineexterner Link
Anja Huber, Stadtarchiv Zürich, Auskunft und Scan der Meldekarte der Familie, Mail vom 06.08.2019
Zentralkartei des VSJF, Betreutenkarten der Familienangehörigen , ETH Zürich, Archiv für Zeitgeschichte, Hirschengraben 62, 8092 Zürich, IB VSJF-Archiv/R.502
Informationen Commune Mandello, Mail vom 29.08.2019
Informationen Commune Malgrate, Mail vom 19.09.2019
Informationen Commune Lecco, Mail vom 25.09.2019
Erinnerungen Inge Lore Rosenthal, Telefongespräch vom 07.12.2019

Bildnachweise


© Stadtarchiv Bad Kissingen, Postkarten-Sammlung Josef Bötsch Postkarte Nr. 13-203
Porträtfotos © Klaus Peter Rosenthal (Bruder)



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