Personendaten


Rosenthal Walter G., Dr.

Nachname
Rosenthal
Vorname
Walter G.
Geburtsdatum
11.03.1898
Geburtsort
Breslau
Weitere Familienmitglieder

Eltern: Julius Rosenthal und Rosamunde (Linda) geb. Hammer
Geschwister: Alice verh. Nothenberg
Ehefrau: Ilse geb. Callomon 
Kinder: Inge Lore, Klaus Peter

Adresse

Theresienstraße 5 (heute Theresienstraße 10)/ Bismarckstraße 18 (heute 14)

Beruf/Ämter
Arzt
Emigration/Deportation

September 1933 emigriert nach Mailand
1938 emigriert in die Schweiz
1946 ausgewandert in die Lombardei/Italien

Sterbeort/Sterbedatum
Cormano bei Mailand - 30.01.1967

Biografie


Walter Gerhard Rosenthal kam am 11. März 1898 als zweites Kind des Arztes Dr. Julius Rosenthal und dessen Ehefrau Rosamunde (Linde) geb. Hammer in Breslau zur Welt. Er hatte noch eine fünf Jahre ältere Schwester. Walters Vater wurde im oberschlesischen Oppeln geboren. Er war zunächst Arzt in Frankenstein/Niederschlesien. Seit 1890 war er als praktischer Arzt und Badearzt in Bad Kissingen tätig und besaß den Titel „Geheimer Sanitätsrat“. Er erkannte schon früh die Bedeutung Bad Kissingens für Herzkranke. Seine Wohnung und seine Praxis befanden sich in der Theresienstraße 3, später in der Bismarckstraße. Auch bei der Umgestaltung der Kurquellen (Maxbrunnen oder Brunnenhalle) hat Dr. Julius Rosenthal beratend mitgewirkt (Information seines Enkels Klaus Peter Rosenthal).

Die Familie wohnte wohl während der Kursaison, in der Dr. Rosenthal in der Badestadt praktizierte, in Bad Kissingen und in den Wintermonaten in Breslau.

Walter Rosenthal trat in die Fußstapfen seines Vaters und studierte Medizin u.a. in Würzburg und Mailand. Im Mai 1924 zog er - inzwischen promovierter Arzt und verheiratet mit der aus Breslau stammenden Ilse geb. Callomon - wieder nach Bad Kissingen und wohnte und praktizierte in der Bismarckstraße 18. Er veröffentlichte auch wissenschaftliche Studien und gab beispielsweise im Jahr 1926 ein Buch mit dem Titel „Die Ernährungsweise bei der Krankheitsbehandlung - Der Arzt als Erzieher“ heraus. Als Facharzt für Innere Krankheiten und Röntgenologie war er Leitender Arzt einer Klinik. Im Kissinger Hof und Bismarckhaus war er als Arzt für die Gesellschaft "Ferienheime für Handel und Industrie" tätig.

Ausschnitt Bismarckhaus
Hier im Bismarck-Haus befanden sich Wohnung und Praxis der Familie Walter Rosenthal
Kissinger-Hof-mit-Bismarkhaus
Das Bismarck-Haus befindet sich rechts neben Rosengarten-Klinik Heiligenfeld.

         

Im Juni 1925 wurden in der fränkischen Kurstadt ihre Tochter Inge Lore und im Mai 1933 ihr Sohn Klaus Peter geboren. Die gut situierte Familie lebte im Bismarck-Haus in der Bismarckstraße und genoss großes Ansehen in der Stadt. Auch Walters Mutter Rosamunde lebte - nachdem ihr Mann Julius 1930 in Breslau verstorben war, ganz in der Nähe. Tochter Inge erinnert sich im Rückblick, dass ihre Eltern gerne ausgegangen sind - "Vati im Smoking" - und oft Gäste eingeladen haben. Doch mit Beginn der NS-Herrschaft änderte sich schlagartig die Situation der Familie (Erinnerungen Inge Lora Rosenthal, Telefongespräch vom 07.12.2019).

Walter Rosenthal verlor seine Anstellung als Arzt der Gesellschaft "Ferienheime für Handel und Industrie", und außerdem wurde ihm seine Wohnung im Bismarckhaus gekündigt. Auch seine persönliche Sicherheit in Deutschland schien nicht länger sicher. Ein prominenter Patient hat ihn davor gewarnt, länger in Deutschland zu bleiben, und so entschloss sich Dr. Rosenthal frühzeitig, mit seiner Familie Deutschland zu verlassen. Im September 1933 - also ein halbes Jahr nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten - emigrierte die junge Familie nach Mailand, wo Walter Rosenthal schon einmal als Medizinstudent gelebt hatte. Seine über 70-jährige Mutter Rosamunde ging dagegen zurück nach Breslau, wo ihre Tochter Alice mit ihrer Familie wohnte.

Die Ausreise nach Italien verlief nicht ohne Komplikationen. Zwischen Stuttgart und Echterdingen fuhren zwei Motorradfahrer mit überhöhter Geschwindigkeit in das Fahrzeug der Rosenthals, eine wunderschöne Limousine vom Typ Brennabor "Alpensieger". Walter Rosenthal, der nach dem Krieg Wiedergutmachungsansprüche stellte, erklärte in seinem Antrag von 1948: „Obwohl meine Schuldlosigkeit durch den aufnehmenden Gendarm festgestellt wurde, wurde mir Verhaftung angedroht, sodass ich es vorzog, mit meiner Familie über die Schweizer Grenze zu fliehen... Nachdem die Staatsanwaltschaft das Verfahren gegen mich als unhaltbar niedergeschlagen hatte, wurde der Wagen freigegeben. Mein Ersuchen, ihn mir zugänglich zu machen, wurde nur mit Drohungen beantwortet." So musste Dr. Rosenthal seinen "Alpensieger" in Deutschland zurücklassen (StAWü WB IV A 3358 Dr. Rosenthal Walter).

Auch in Mailand wurde Dr. Rosenthal als Arzt und aufgrund seiner wissenschaftlichen Kompetenz geschätzt und konnte sich eine bescheidene Existenz aufbauen. Die Situation war aber nicht einfach für die Familie: Es war zunächst schwierig für ihn, eine angemessene Beschäftigung zu finden und besonders seine Frau Ilse litt sehr unter der veränderten Situation (Ebd.).

Auch in Italien waren die Rosenthals nicht dauerhaft sicher. 1938 zwangen die nun auch hier stärker aufkommenden antisemitischen Tendenzen die Familie erneut zur Emigration, "die derart überstürzt erfolgen musste, dass die letzten Reste unserer Habe dadurch in Verlust kamen" (Dr. Walter Rosenthal, Brief vom 10.07.1946 an das internationale Komitee der jüdischen Flüchtlingshilfe in Genf). Die Rosenthals flohen in die Schweiz, wo sie insgesamt acht Jahre blieben und in Zürich lebten. Hier waren die Lebensumstände der Familie besser. Dr. Rosenthal bekam Unterstützung durch Kollegen, die ihm Vertretungen verschafften, so dass die Familie gut versorgt war. Außerdem engagierte er sich in der jüdischen Gemeinde Zürichs und deren Filialen und kümmerte sich um jüdische Patienten. Dr. Walter Rosenthal wurde als "guter, gewissenhafter Arzt und korrekter Mensch" geschätzt (Empfehlungsschreiben der Union O.S.E in Genf, September 1946). 

Nach dem Krieg hätte die Familie nach Aussagen von Tochter Inge wohl in der Schweiz bleiben können, doch Professor Bianchi, der Direktor der chirurgischen Universitätsklinik in Mailand, der Dr. Rosenthal aus den 1930er-Jahren kannte und schätzte, überredete ihn zur Rückkehr nach Italien. Durch seine Vermittlung wurde Dr. Rosenthal aufgrund seines wissenschaftlichen Gesamtwirkens die Ablegung zusätzlicher Examina erlassen und seine 1946 eingereichte Dissertation mit "großem Lob" angenommen. Nach dem plötzlichen Tod von Prof. Bianchi unterstützten andere Mailänder Freunde die Einbürgerung als italienischen Staatsbürger, damit die Eröffnung einer Praxis und die Integration der Familie einfacher würden. Dr. Rosenthal wandte sich deshalb an das "Intergouvernementale Komitee für Flüchtlinge" in Genf, dieses Vorhaben durch ein Empfehlungsschreiben und durch einen finanziellen Beitrag zu unterstützen. Im Juli 1946 siedelte die Familie Rosenthal nach Mandello del Lario am Comer See über, wo Dr. Rosenthal wieder als Arzt tätig war. Die Familie erfuhr jetzt, dass sie auch in die USA hätten auswandern können. Mitglieder der jüdischen Studentenverbindung "Salia", in der Dr. Rosenthal Mitglied war, hatten für die Familie nämlich ein Affidavit besorgt.

Die Familie blieb jedoch in Oberitalien und lebte zunächst in sehr prekären Verhältnissen. Dr. Rosenthal erklärte dies im wesentlichen mit der Tatsache, „dass das Naziregime mir die deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt hat, ein Handicap, das nach wie vor auf uns lastet. Obwohl ich als staatenlos gelte, betrachtet mich der italienische Staat als deutscher Herkunft und hat mein Gesuch um Erteilung der italienischen Nationalität bis zum Abschlusse des Friedens mit Deutschland suspendiert. Ich kann aber keine öffentliche Stelle annehmen, wie sie meiner ärztlichen Erfahrung und meinen Kenntnissen angemessen wäre, ohne die italienische Staatsbürgerschaft zu besitzen. Es ergibt sich also der groteske Zustand, dass ich noch weiter in Folge einer Maßnahme des Nationalsozialismus fortlaufenden Schaden erleide." (Ebd.)

Im Januar 1950 zogen die Rosenthals in die nur wenige Kilometer entfernte Gemeinde Malgrate um und 1953 weiter nach Lecco, wo Walter Rosenthal wieder eine ärztliche Praxis hatte. In den 1950er-Jahren erhielten auch alle Familienmitglieder endlich die italienische Staatsbürgerschaft. Als Dr. Rosenthal aufgrund einer schweren Krankheit nicht mehr als Arzt praktizieren konnte, wurde er Inhaber eines Labors für medizinische Analysen.

In den 1950er- oder 1960er-Jahren hat Walter Rosenthal mit seinen beiden Kindern noch einmal Bad Kissingen besucht. Seine Frau, die zeitlebens unter dem Trauma der Vertreibung litt, war nicht mitgefahren. Sie wollte nicht mehr nach Deutschland zurück. Inge Lore Rosenthal erinnert sich noch genau an die traurige Situation, als ihr Vater weinend vor dem Haus stand, in dem er jahrelang praktiziert und mit seiner Familie gelebt hatte. Der Besuch war für die drei eine bedrückende, schmerzhafte Erfahrung (Ebd.). 

Dr. Walter Rosenthal, seine Frau und Tochter Inge Lore lebten bis Anfang 1967 in Lecco und zogen dann nach Cormano in der unmittelbaren Umgebung von Mailand. Dort starb Walter Rosenthal im Januar 1967 im Alter von 68 Jahren.

i Rosenthal Batzenhäusel Kopie
Familienausflug zum Batzenhäusel: v.l.n.r. Rosamunde, Walter Gerhard, Alice und Julius Rosenthal
                             
Dr. Julius Rosenthal
Dr. Julius Rosenthal (Vater von Dr. Walter Rosenthal)
           
genit Dr. Walter Rosenthal und Ilse geb. Calloman
Ilse Rosenthal mit Ehemann Dr. Walter Rosenthal

 


Führerschein Dr. Walter Rosenthal
Dr. Walter Rosenthals Führerschein aus dem Jahr 1928
          

                                                  


Quellenangaben


Mence/Binder, Nachbarn der Vergangenheit, S.388
Zentrales Verzeichnis antiquarischer Bücher, Nr. 108externer Link
Meldeunterlagen der Stadt Bad Kissingen
Korrespondenz Dr. W. Rosenthals mit dem Intergouvernementalen Komitee für die Flüchtlinge in Genf, CM/1 Formulare und Begleitdokumente von DP´s in der Schweiz, sowie Schriftwechsel von IRO-Dienststellen in Deutschland, Österreich und dem Nahen Osten mit dem IRO-Hauptquartier in Genf, Arolsen Archives onlineexterner Link
Anja Huber, Stadtarchiv Zürich, Auskunft und Scan der Meldekarte der Familie, Mail vom 06.08.2019
Zentralkartei des VSJF, Betreutenkarten der Familienangehörigen , ETH Zürich, Archiv für Zeitgeschichte, Hirschengraben 62, 8092 Zürich, IB VSJF-Archiv/R.502
Informationen Commune Mandello, Mail vom 29.08.2019
Informationen Commune Malgrate, Mail vom 19.09.2019
Informationen Commune Lecco, Mail vom 25.09.2019
Informationen Commune Cormano, Mail vom 27.09.2019
Persönliche Mitteilung Klaus Peter Rosenthal, Mailand, Brief vom 30.11.2019
Erinnerungen Inge Lore Rosenthal, Telefongespräch vom 07.12.2019

Bildnachweise


Gebäudeansichten © Stadtarchiv Bad Kissingen, Postkarten-Sammlung Josef Bötsch Postkarte Nr. 13-203
Personenfotos © Klaus Peter Rosenthal



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