Personendaten


Scher Klara

Nachname
Scher
Vorname
Klara
Geburtsdatum
14.11.1894
Geburtsort
Swiencany/bei Wilna
Weitere Familienmitglieder

Eltern: Noah und Fanny Feiga Scher geb. Zislinsky
Geschwister: Max, Anna (Chane) verh. Berditschewsky, Salomon Moses

Adresse

Salinenstraße 40 (1916-1935)/ Theresienstraße (1935)/ Badgase 2 (1935-1939)/ Zwingergasse 5 (1939-1940)

Beruf/Ämter
Geschäft für Partiesachen - später Händlerin auf dem Kissinger Markt
Emigration/Deportation

September 1940 denunziert und wegen „Erregung öffentlichen Ärgernisses“ verhaftet
November 1940 deportiert nach Ravensbrück

Sterbeort/Sterbedatum
Bernburg a.d. Saale - 28.02.1942

Biografie


Klara Scher wurde am 13. November 1894 in Swienzani bei Wilna in Litauen (das damals zum russischen Zarenreich gehörte) geboren. Ihr Vater Noah war dort als Fischer tätig, entschloss sich aber 1899 mit seiner Familie nach Würzburg überzusiedeln und als Händler auf Märkten und Messen seinen Lebensunterhalt zu verdienen. 1903 eröffneten die Schers in Bad Kissingen ein Saisongeschäft für Partiesachen. Während des Sommers lebten sie in Kissingen, im Winter hielten sie sich in Würzburg auf, bis sie im Jahr 1916 schließlich ganz nach Kissingen zogen. Als Ostjuden nahmen die Schers eine Sonderstellung in der jüdischen Gemeinde von Bad Kissingen ein. 1930 starb Klara Schers Mutter, worauf Klara den Laden mit ihrem Vater weiterführte, bis ihnen 1935 die Lizenz entzogen wurde.  

Nachdem 1935 ihr Vater verstorben war, versuchte Klara Scher, sich durch Arbeiten in jüdischen Häusern und Kurbetrieben über Wasser zu halten. Wenn es ihr vor allem im Winter finanziell besonders schlecht ging, veräußerte sie einen Teil der Restbestände Ihres ehemaligen Geschäftes, um dafür Lebensmittel und Brennmaterial zu kaufen oder die fällige Miete zu bezahlen. Als Klara Scher Anfang März 1936 auf dem Kissinger Markt einige Sachen zum Verkauf anbot, wurde sie von Passanten – Kissinger Bürgern – gezwungen, ihren Stand zu räumen und den Markt zu verlassen. In den folgenden Jahren war Klara Scher, um zu überleben, auf Zuwendungen von Seiten der jüdischen Gemeinde angewiesen.

Sie stand in regem Briefkontakt mit ihrer Schwester Anna und ihrer Nichte Marthe, die 1933 nach Straßburg emigriert waren und hoffte, dass Anna ihr in ihrer prekären Lage zur Emigration verhelfen könne. In einem Brief vom Februar 1939 schrieb sie ihr: „Liebe Anna, Deinen letzten Brief vom 8.12. habe ich erhalten, wofür ich Dir bestens danke. Wie weit bist Du mit dem Gesuch für mich, es ist sehr wichtig, dass ich bald von hier wegkomme, ich glaube nicht, dass ich hier verbleiben kann. Ich hab das meiste von der Schuld so langsam abgezahlt und in einige Monaten wäre ich frei, es ist aber sehr schwer das Geld aufzubringen für den Rest der alten Miete und für die laufende Miete, wie ich dir bereits geschrieben habe. Wäre daher sehr froh, wenn dein Gesuch genehmigt würde. Falls das Gesuch abgewiesen wird, so kannst Du vielleicht das Französische Komitee wegen meiner Einwanderung beauftragen."

Der 14. August 1940 sollte das Leben Klara Schers dramatisch verändern. Als sie in der Erhardstraße an einem Zeitungskasten vorüberging, in dem der „Stürmer" öffentlich ausgehängt war, fiel ihr Blick auf einen Text des jüdischen Schriftstellers Stefan Zweig, der sie besonders ansprach. In dem Auszug aus dem Drama „Jeremias“, der die Verfolgung der Juden durch die Jahrhunderte eindrucksvoll beschreibt, konnte sie ihre eigene Situation in Nazi-Deutschland zutreffend wiederfinden: „Wir wandern durch Völker, wir wandern durch Zeiten, / Unendliche Straßen des Leidens entlang, / Ewig sind wir die ewig Besiegten, [...] Nirgends verschwistert und keinem genehm. [...]“. Da sie Papier und Bleistift dabei hatte, schrieb sie den Text ab. Als Passanten dies sahen, regten sie sich über die Anwesenheit einer Jüdin vor dem Stürmerkasten auf und verlangten von ihr, unverzüglich zu verschwinden.  Klara Scher ignorierte die Forderung der Umstehenden und schrieb den Zweig-Text weiter ab. Daraufhin zeigten die Passanten, darunter Kissinger Parteigenossen, Klara Scher beim Ortsgruppenleiter der NSDAP an, der seinerseits die Kissinger Polizei einschaltete und von ihr eine „Zurechtweisung der Scher“ forderte, „damit diese künftig die Mitglieder seiner Ortsgruppe [...] nicht mehr belästige“.

Aufgrund der Anzeige von Ortsgruppenleiter Metz wurde Klara Scher dann von Kriminaloberassistent Glücker verhört. Sie beharrte auf der Rechtmäßigkeit ihres Verhaltens, denn „der betreffende Stürmerkasten sei doch für jedermann angebracht“. Für den Polizeibeamten gab es dagegen keine Rechte für Juden in Deutschland. In seinem Protokoll diffamierte er Klara Scher als „ein ganz freches Judenweib“. Wegen ihrer „lumpigen Kleidung“ sei sie - so Glücker - „schon früher aufgefallen und daher allen Kissingern zur Genüge bekannt“. Es unterliege daher keinem Zweifel, „daß schon das bloße Erscheinen der Scher an einem Ort, der wie der Stürmerkasten zur Beleuchtung der jüdischen Schandtaten und zur Warnung der Volksgenossen von den Juden“ diene, „öffentliches Ärgernis“ errege. Daraufhin ersuchte die Würzburger Gestapo am 9. September das Kissinger Landratsamt, Klara Scher  in Polizeihaft zu nehmen und bei ihr eine Durchsuchung nach Schriftstücken, „die zu Greuelzwecken dienen“ könnten, durchzuführen.  Klara Scher wurde daraufhin nach der Durchsuchung ihres Zimmers in das Gerichtsgefängnis in Bad Kissingen eingeliefert, am 4. Oktober 1940 dann ins Gefängnis nach Würzburg verbracht und vier Tage später dort von der Gestapo verhört.

Ende Oktober stellte die Würzburger Gestapo beim Reichssicherheitshauptamt in Berlin den Antrag, gegen Klara Scher „Schutzhaft“ anzuordnen und sie „auf längere Dauer in ein Konzentrationslager einzuweisen“, da sie „durch Arbeitsscheue, schmutziges, freches und ostjüdisches Auftreten überall Ärgernis“ errege. Nach dem Gutachten des Amtsarztes sei sie „haft-, lager-, transport- und arbeitsfähig für nicht zu schwere Arbeiten“.  Tatsächlich war Klara Scher aber schwer zucker- und herzkrank. Mitte November 1940 wurde sie dann vom Gestapogefängnis in Würzburg in das Konzentrationslager Ravensbrück „verschubt“, wie es im Bericht der Gestapo an das Kissinger Landratsamt heißt. Das KZ Ravensbrück war 1939 von den Nationalsozialisten als Konzentrationslager für Frauen errichtet worden war.

Am 2. März 1942 verständigte der Lagerkommandant des Konzentrationslagers die Staatspolizeistelle Würzburg davon, dass „die seit dem 30.11.1940 für die dortige Dienststelle hier einsitzende Jüdin Klara Scher am 28.02.1942 um 18.45 Uhr an Herzinsuffizienz bei Coma diabeticum verstorben“ sei. Die Schwester Anna Barditschewski in Straßburg sei „vom Ableben der Scher zu verständigen und ihr bekanntzugeben, daß die Leiche auf Staatskosten eingeäschert“ werde. Die Nachricht des Lagerkommandanten verschleierte allerdings die wahren Umstände des Todes von Klara Scher. Sie war nämlich eine von etwa 1600 weiblichen Häftlingen, die seit Anfang 1942 in etwa zehn Transporten nach Bernburg an der Saale deportiert und dort ermordet wurden. Im Alter von nur 48 Jahren fand Klara Scher am 28. Februar 1942 in der dortigen Gaskammer den Tod, ihre sterblichen Überreste wurden eingeäschert. Nichts sollte mehr auf ihre eigentliche Todesursache hinweisen können.


Quellenangaben


leicht verändert übernommen aus: Hans-Jürgen Beck, Jüdisches Leben in Bad Kissingen, ein didaktisches Konzept für Ausstellung und Exkursion; die Zitate stammen aus Sta Wü, Gestapo 12 166  
Gedenkbuch Bundesarchiv Koblenzexterner Link
Yad Vashem Zentrale Datenbank…externer Link
Holocaustdenkmal Berlinexterner Link
Meldeunterlagen Stadt Bad Kissingen
Sta Wü Gestapo 12166

Bildnachweise


© Bayerisches Staatsarchiv Würzburg, Gestapo 12166



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