Personendaten


Wolff Selma

Nachname
Wolff
Geburtsname
Kissinger
Vorname
Selma
Geburtsdatum
29.05.1877
Geburtsort
Bad Kissingen
Weitere Familienmitglieder

Eltern: Max Kissinger und Ernestine geb. Frank  
Geschwister: Rosa verh. Eisenburg, Moritz und Albert  
Ehemann: Emil Wolff
Kinder: Ellen Maria verh. Herz, Lore verh. Simon

Adresse

Marktplatz 17

Beruf/Ämter
Emigration/Deportation

Oktober 1941 deportiert von Köln nach Lodz

Sterbeort/Sterbedatum
Chelmno - Mai 1942

Biografie


Selma Kissinger kam am 29. Mai 1877 als Tochter von Max Kissinger und seiner ersten Frau Dina geb. Frank in Bad Kissingen zur Welt. Sie ist die Urenkelin von Meyer ben Loeb, des Ahnherrn der Kissinger-Familie, der wohl gegen gegen Ende des 18. Jahrhunderts nach Kissingen gekommen ist, um dort eine Familie zu gründen. Den Familiennamen Kissinger dürfte er 1817 angenommen haben, nachdem er Kissingen verlassen und sich in Rödelsee niedergelassen hatte. Sein in Kissingen geborener Sohn Loeb Kissinger kehrte schließlich in seine Geburtsstadt zurück und begründete hier den Kissinger Zweig der Familie Kissinger.

Selmas Vater Max Kissinger besaß ein florierendes Herrenkonfektionsgeschäft mit Maßschneiderei am Marktplatz. In diesem Haus wuchs sie zusammen mit ihren drei Geschwistern und den beiden Halbbrüdern aus der zweiten Ehe ihres Vaters auf.

Im Mai 1904 heiratete sie den aus Kreuznach stammenden Emil Wolff, der mit seinem Bruder David eine Handelsgeschäft für Alteisen und Lumpen führte. Selma besuchte regelmäßig die Synagoge der recht liberalen jüdischen Gemeinde Kreuznachs, während ihr Mann - ein typische rheinische Frohnatur - flachste, er wisse nicht, wo in Kreuznach die Synagoge stehe. (vgl. USC Shoa-Interview Ellen Herz). Selma Wolff engagierte sich in verschiedenen örtlichen Frauenvereinen, sowohl im „Vaterländischen Frauenverein" als auch im „Israelitischen Frauenverein" und half, vor allem auch während des Ersten Weltkriegs und der schwierigen Nachkriegszeit, ältere notleidende Menschen zu unterstützen. 

Aus der Ehe der Wolffs  gingen die 1906 geborene Tochter Ellen Maria und die 1912 geborene Lore hervor, die beide in Bad Kreuznach zur Welt kamen. Ellen Maria Ernestine Wolff heiratete 1932 den aus Offenbach stammenden Kurt Herz und wanderte mit ihm nach einem eineinhalbjährigen Aufenthalt in England im September 1940 nach Amerika aus. Lore Wolff emigrierte 1936 nach Südafrika und heiratete dort 1941 den aus Berlin stammenden Fred Simon und gründete mit ihm in Johannesburg eine Familie.

Zu Beginn der 1930er Jahre, also schon vor der Machtübernahme der Nationalsozialisten, bemerkten Selma Wolff und ihr Mann, dass sich das gesellschaftliche Klima in der Stadt zu ändern begann: Eine zunehmende Spaltung zwischen jüdischer und nichtjüdischer Bevölkerung bahnte sich an. Selmas Tochter Ellen erinnert sich: Man fühlte sich eingeengter, die Menschen waren nicht mehr so freundlich, manche nichtjüdischen Kunden beendeten ihre Geschäftsbeziehungen zur Firma des Vaters, und mein Onkel, der die Geschäfte auf dem Land führte, spürte manchmal offene Feindschaft (ebenda). Selma Wolff gab ihre Tätigkeit im "Vaterländischen Frauenverein" auf, vermutlich weil auch hier antisemitische Tendenzen aufkamen. Dafür wurde ihr Engagement im "Israelitischen Frauenverein" umso intensiver. Auch ihr Mann Emil begann sich nun innerhalb der jüdischen Gemeinde zu engagieren. Er wurde ein enger Freund des neuen, sehr orthodoxen Rabbiners Dr. Alfred Jacobs.

Schließlich wurden Selma Wolff und ihr Mann Emil im Zuge der „Arisierung" gezwungen, ihr Haus in Bad Kreuznach unter Wert zu verkaufen, und versuchten in der Anonymität der Großstadt Köln zu überleben.

Dort blieben sie bis zu ihrer Deportation. Ellen Herz, die im Februar 1939 nach England emigrieren konnte, beschreibt, wie entsetzlich die Situation war, die Eltern in Köln zurücklassen zu müssen. Anders als ihrer Familie sei es ihren Eltern nicht gelungen, einen Bürgen  für ein Affidavit zu finden. Sie waren beide über 60 und konnten deshalb wohl kaum eine Arbeit in den USA finden und ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten, so dass es aussichtslos war, einen Bürgen zu finden. Zu Ellens schlimmsten Erfahrungen zählen das letzte Telefongespräch mit ihren Eltern aus England und die letzten Briefe, die sie von ihren Eltern, Onkeln und Tanten erhalten hat, mit der flehentlichen Bitte:„Bitte helft uns hier wegzukommen!" (ebenda).

Selma Wolff und ihr Mann wurden am 30. Oktober 1941 von Köln aus in das Ghetto Litzmannstadt (Lodz) in Polen deportiert  und von dort im Mai 1942 weiter ins Vernichtungslager Kulmhof in der polnischen Stadt Chelmo, wo sie den Tod fanden.  

 


Quellenangaben


E. Levy, The Kissinger Family, S. 24f
H.-J. Beck, Kissingen war unsere Heimat, Stand April 2017, S. 489f
Gedenkbuch Bundesarchiv Koblenzexterner Link
Yad Vashem Zentrale Datenbank…externer Link
NS-Dokumentationszentrum Kölnexterner Link
Email NS-Dokumentationszentrum Köln, 8. 11. 2017
Bad Kissinger Stolpersteine/Stolpersteinlisteexterner Link
USC Shoa Foundation, Visual History Archive, Interview mit Ellen Maria Ernestine Herzexterner Link

Bildnachweise


© Thera Kokx and Ellen Herz



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