Personendaten


Pick Werner Rolf Theodor

Nachname
Pick
Vorname
Werner Rolf Theodor
Geburtsdatum
25.08.1913
Geburtsort
Bad Kissingen
Weitere Familienmitglieder

Eltern: Dr. Arthur Pick und Bertha geb. Hammerstein
Geschwister: Vera Ruth
Ehefrau: Margarete Hermine Fischer
Kinder: Diana, Robert

Adresse

Kurhausstraße 6 (frühere Zählung - heute 11)

Beruf/Ämter
Kaufmann, Geschäftsführer, Vorsitzender und Hauptaktionär der Cornelius Gruppe
Emigration/Deportation

November 1933 emigriert nach England

Sterbeort/Sterbedatum
London - 11.06.2017

Biografie


Werner Rolf Theodor Picks außergewöhnliche Biografie soll hier etwas ausführlicher beschrieben werden, denn sie spiegelt beispielhaft die bewegten Zeiten des 20. Jahrhunderts wider. Die Ausführungen stützen sich dabei weitgehend auf Werner Picks persönliche Erinnerungen, die er 2002 verfasst hat (Werner Pick, My Memoirs, Claygate, August 2002). 

Werner Pick kam am 25. August 1913 als zweites Kind des Sanatoriumsbesitzers und Arztes Dr. Arthur Pick und dessen Ehefrau Bertha Pick geb. Hammerstein in Bad Kissingen zur Welt.  Seine Eltern stammten aus jüdischen Familien, waren aber beide getauft und gehörten der evangelischen Religionsgemeinschaft an. Auch ihre beiden Kinder ließen sie taufen, so dass die Familie keine Verbindung mehr zur jüdischen Religion und Tradition hatte. Werner Pick beschrieb das Verhältnis seiner Familie zum Judentum in einem lesenswerten Artikel, der hier auszugsweise nachzulesen ist.

Werner Pick, Aufsatz zum Judentum seiner Familie Werner Pick, Aufsatz zum Judentum seiner Familie, 68 KB

Seit Oktober 1908 wohnte die Familie in Bad Kissingen, und Werners Eltern etablierten dort in der Kurhausstraße 6 (frühere Zählung - heute 11)  ein international anerkanntes Sanatorium für Herz-Kreislauf-und Magen-Darm-Erkrankungen, Nervenleiden sowie Stoffwechsel- und Essstörungen. Dr. Pick war als Chefarzt für die medizinische Leitung des Sanatoriums verantwortlich und Werners Mutter für die Leitung des Hauses und der Küche.

Trotz des Krieges und der nachfolgenden Inflationszeit hatten er und seine ältere Schwester Vera eine glückliche Kindheit. Obwohl ihre Eltern recht streng waren, vor allem ihr Vater, wurden sie von den Gästen und Mitarbeitern des Sanatoriums verwöhnt und genossen die Annehmlichkeiten und den ausgezeichneten Service des Hauses. Während der Kursaison sahen sie ihre viel beschäftigten Eltern eigentlich nur zu den Essenszeiten, doch in den Wintermonaten, als das Sanatorium geschlossen war, mieteten die Eltern oft eine Wohnung in den Bergen (Garmisch-Partenkirchen, Oberstdorf, Berchtesgaden), wo sie in einfacher, aber gemütlicher Umgebung ein normales Familienleben führen konnten. Man konnte rodeln, eingeschränkt - ohne Lifte - Skifahren und spazieren gehen.

Werners Eltern legten großen Wert auf eine fundierte Schulausbildung ihres Sohnes. Zunächst erhielt er Unterricht durch Privatlehrer, und im April 1923 trat er in die erste Klasse der Bad Kissinger Realschule ein, der Vorläuferschule des heutigen Jack-Steinberger-Gymnasiums, die er drei Jahre lang besuchte. Seine Zeugnisse wiesen durchgängig gute bis sehr gute Zensuren auf, sein Klassleiter bescheinigte dem „kleinen, gesunden und lebhaften Jungen" gute Veranlagung, ein "großes Interesse für alles, rege Teilnahme am Unterricht", "Fleiß und Pflichtgefühl" sowie lobenswertes Verhalten und charakterisierte ihn abschließend als "sehr sympathischen Jungen", auch wenn er gelegentlich „zu Übermut" neige, "da er sich seiner geistigen Überlegenheit über die meisten seiner Mitschüler wohl bewusst ist" (Schülerakte, Jack-Steinberger-Gymnasium Bad Kissingen).

Im April 1926 wechselte Werner Pick nach bestandener Aufnahmeprüfung an die berühmte Internatsschule Schulpfortaexterner Link bei Naumburg (Sachsen-Anhalt), die für ihre klassische Ausbildung bekannt war und eine Reihe berühmter ehemaliger Gelehrter - u.a. Klopstock, Nietzsche, Fichte - hervorgebracht hatte. Werner Pick blickte mit großer Dankbarkeit auf seine Schulzeit in Schulpforta zurück und schrieb in seinen Erinnerungen:„Wir erhielten eine hervorragende allgemeine Ausbildung mit Schwerpunkt auf klassischen Fächern, aber auch naturwissenschaftlicher Unterricht war Pflicht, ebenso Kunst und Musik...Unser Abitur in Schulpforta öffnete die Tür zu jeder Universität, da sie einen hervorragenden Ruf genoss" (Werner Pick, My Memoirs, Claygate 2002). Auch wenn die Regeln auf dieser Internatsschule zwischen den Mauern des ehemaligen Zisterzienserklosters recht streng und die Lebensbedingungen "ziemlich primitiv" waren, war es für Werner Pick im Großen und Ganzen eine glückliche Zeit. Er genoss die Ausflüge in die Umgebung durch die Weinberge entlang der Flüsse Saale und Unstrut. Besonders die jährlichen Theateraufführungen zum Martinifest im November blieben ihm zeitlebens im Gedächtnis. Mit großem Spaß bekleidete er dann die weiblichen Rollen, beispielsweise der Wirtin in der Operette "Im weißen Rössl" oder der Viola in der Shakespeare-Komödie "Was ihr wollt". Er schloss Bekanntschaften, die lange über die Internatszeit hinausreichten und war unter anderem mit dem späteren Schriftsteller Wolf von Niebelschütz externer Linkbefreundet. 

Die Ferien verbrachte Werner Pick bei seinen Eltern in Bad Kissingen, deren Sanatorium Ende der 1920er-Jahre in wirtschaftliche Schwierigkeiten geriet (detaillierter nachzulesen in den Biografien seiner Eltern Arthur und Bertha Pick). Als das Sanatorium 1931/32 auf Antrag der Bank unter Zwangsverwaltung gestellt wurde, versuchte Werner, der die Sorgen seiner Eltern teilte, zu helfen, wo er konnte, und übernahm Arbeiten beim Küchendienst und im Büro. In den Jahren zuvor hatte er die Ferien zu Hause zusammen mit Freunden sehr genossen. Seine Erinnerungen bieten auch Einblick in das gesellschaftliche Leben der Kurstadt zu dieser Zeit: „Wir schwammen, radelten, spielten Tennis und wurden oft von motorisierten Gästen zu Ausflügen in die Umgebung eingeladen. Als ich älter war, ging ich sehr oft zu Tanztees und auch abends tanzen - alles harmloser Spaß. Kissingen hat ein charmantes kleines Theater, in dem hauptsächlich Komödien und Operetten gespielt wurden, und es gibt einen sehr guten Konzertsaal, in dem wir regelmäßig klassische Programme mit recht guten Solisten hatten. Im Sommer gab es immer ein ortsansässiges Orchester, das in der Wandelhalle oder im Kurgarten „Palm Court“ - Musik spielte. Musik in der Wandelhalle oder bei schönem Wetter im Kurgarten , um die Gäste zu begleiten, die erholsame Spaziergänge machen sollten, während sie Heilwasser der verschiedenen Mineralquellen tranken, die die wichtigste Daseinsberechtigung des Kurortes waren. Das Publikum war gemischt - es gab ein paar erstklassige Hotels und Sanatorien... Meine Eltern hatten kein großes gesellschaftliches Leben. Am Ende der Saison gab es ein paar Dinnerpartys mit anderen Ärzten, aber während der Saison waren alle zu beschäftigt, um Kontakte zu pflegen" (ebd).

Ohne größere Anstrengungen absolvierte Werner Pick im Februar 1932 das Abitur in Schulpforta und plante, in die Fußstapfen seines Vaters zu treten und Medizin zu studieren. Er begann sein Studium in Freiburg/Breisgau, wechselte dann nach dem 2. Semester im Frühjahr 1933 nach München. Schon in seiner Freiburger Zeit überlegten viele seiner  jüdischen Freunde, als Hitler an die Macht kam, ob sie emigrieren sollten. Werner war zunächst noch unentschlossen, in München traf er aber dann sehr bald die schmerzhafte, aber richtige Entscheidung, Deutschland zu verlassen: „ Als ich sah, wie die Studenten in München die Bücher verbrannten, die sie ablehnten, beschloss ich schließlich, so schnell wie möglich ins Ausland zu gehen, und England war die natürliche Wahl, wo wir eine Reihe von Freunden hatten und andere Verbindungen, die bereit waren zu helfen, soweit sie konnten. Die Tatsache, dass meine Eltern unser Haus verloren hatten, trug zu meiner Entscheidung bei, mein Glück im Ausland zu suchen, zumal ich überzeugt war, dass es zum Krieg kommen würde, wenn Hitler an der Macht bliebe. Für mich war auch klar, dass sich die Verfolgung von Juden und „Nichtariern“ verschärfen würde, obwohl meine Familie und ich uns nicht so stark bedroht sahen wie die Angehörigen der jüdischen Religion. Ich hatte jedenfalls nichts zu verlieren, wenn ich meine Perspektiven im Ausland auslotete, obwohl ich mir ziemlich sicher war, dass ich mein Medizinstudium aus Geldmangel aufgeben musste. Eine kleine Anzahl wohlhabender Patienten von Vati in Holland und England war bereit, mich finanziell zu unterstützen, aber ich gab die Hoffnung, Arzt zu werden, bald auf und suchte eine andere Karriere" (ebd).

Werner-Pick
Werner Pick kurz vor seiner Emigration, 1933

Mit 20 Jahren und Geld für gerade einmal sechs Monate ausgestattet nahm er Ende 1933 Abschied von Familie und Freunden und verließ sein Land, um in Großbritannien ein neues Leben zu beginnen. An einem trüben Novembertag 1933 erreichte er den Hafen von Harwich und fand im Februar 1934 in London - ohne Arbeitserlaubnis - inoffiziell eine Stelle als Englisch-Deutsch-Übersetzer für eine kleine Handelsfirma, die Walter Fischer, einem aus Wien stammenden Juden gehörte. Dieser unterstützte und förderte den jungen Emigranten wie ein väterlicher Freund, war allerdings alles andere als begeistert, als Werner sich in seine Tochter Margaret verliebte und sich eine dauerhafte Beziehung zwischen den beiden anbahnte.

Margaret war in England aufgewachsen. Obwohl ihre Eltern vorwiegend in Kreisen kontinentaler Herkunft verkehrten, erhielt ihre Tochter eine traditionelle englische Erziehung. Sie besuchte die Streatham Hill High School, die ein hohes Ansehen hatte und noch immer genießt. Obwohl katholische und jüdische Mädchen aufgenommen wurden und auf Wunsch getrennten Religionsunterricht erhielten, nahmen die Mädchen am Morgengebet und anderen religiösen Veranstaltungen nach dem Vorbild der Church of England teil. Margaret besuchte diese und wurde nie in die Synagoge mitgenommen oder in der jüdischen Religion unterrichtet. Fast alle ihre Schulfreunde waren Nichtjuden, und Religion spielte in der Familie Fischer keine Rolle (vgl. ebd). Nach ihrem Abitur im Jahr 1929 absolvierte sie einen Schreib- und Stenografiekurs und war als Stenotypistin und Deutschlandkorrespondentin tätig.

Obwohl er Werner Pick persönlich schätzte, hielt Walter Fischer den jungen, mittel- und perspektivlosen Emigranten, der nicht einmal eine Arbeitserlaubnis, geschweige denn einen britischen Pass besaß, zunächst nicht für den geeigneten Ehemann seiner Tochter. Walter Fischer behielt ihn deshalb auch nicht länger als Übersetzer in seiner Firma, half ihm allerdings, eine neue Stelle bei der Firma von Dr. Cornelius zu finden, die sich auf den Handel mit tierischen und pflanzlichen Fetten und Ölen sowie Chemikalien und anderen Rohstoffen zwischen London und Wien spezialisiert hatte.

Schon bald aber akzeptierte Walter Fischer Margarets Beziehung zu Werner und gab schließlich gerne seine Zustimmung zur Heirat. Die Verlobung fand im September 1936 statt, und Walter Fischer verstand sich sofort auch mit Werners Eltern, die zu Besuch gekommen waren. Die Hochzeit im September 1937 sollte er aber nicht mehr erleben, da er im November 1936 gestorben war.

Werner Pick stand auch nach seiner Emigration in engem Kontakt zu seiner Familie in Deutschland. An Weihnachten 1935 besuchte er seine Eltern in Berlin, und diese reisten mehrmals nach London, um ihn zu besuchen. Im Sommer 1934 verhalf er seiner Schwester Vera, nach England auszuwandern, und da die Situation für jüdische Bürger in Deutschland immer bedrohlicher wurde, wirkte er auf seine Eltern ein, ebenfalls nach England zu emigrieren. Als während der Sudentenkrise 1938 ein Krieg unmittelbar bevorzustehen schien, befanden sie sich zu Besuch bei ihm. Er überzeugte sie schließlich, Deutschland zu verlassen. Arthur kehrte nicht mehr nach Deutschland zurück und Bertha kam nach der Auflösung der Pension in Berlin Anfang 1939 ebenfalls nach London.

Arthur Pick konnte nach der Emigration seinen Beruf aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben. Werners Mutter hingegen eröffnete in London mit dem Mobiliar aus Berlin und Kissingen ein Boarding House, das als erster Anlaufpunkt unter anderem der deutschsprachigen Emigranten aus dem Deutschen Reich, der ehemaligen Staaten Österreich und der Tschechoslowakei und sonstiger Staaten in Europa, die von Nazideutschland besetzt worden waren, diente.

Im Juni 1939 wurde Werner und Margaret Picks Tochter Diana geboren. Das friedliche Leben der jungen Familie wurde jäh unterbrochen, nachdem deutsche Truppen 1940 in Frankreich einmarschierten und die Alliierten den Vormarsch der Deutschen nicht aufhalten konnten. Als die Gefahr der Invasion Englands durch deutsche Truppen real wurde, ordnete die britische Regierung die Internierung sog. "feindlicher Ausländer" (Personen mit deutscher oder österreichischer Staatsangehörigkeit) an. In den frühen Morgenstunden des 25. Juni klopfte die Polizei an die Tür und gab Werner Pick eine halbe Stunde Zeit, seine Sache zu packen für die Reise auf die Isle of Man, wo die "feindlichen Ausländer" interniert wurden. Auch sein inzwischen fast 70-jähriger, gebrechlicher Vater Arthur und seine Schwester Vera wurden für mehrere Monate als "feindliche Ausländer" gefangen gehalten.

Im Februar 1941 wurde auch Werner Pick entlassen, und die Familie zog nach Wargrave in der Grafschaft Berkshire westlich von London, um vor den Bombenangriffen der deutschen Luftverbände auf den Großraum London sicher zu sein. Dort wohnten sie bis kurz vor Kriegsende, Werner Pick pendelte morgens zu seinem Arbeitsplatz in London und kehrte abends nach Wargrave zurück. Ihr zweites Kind Robert kam im Juni 1942 im benachbarten Maidenhead zur Welt. Werner Pick schrieb in seinen Erinnerungen über diese Zeit: „Unser Aufenthalt in Wargrave von 1941 bis 1945 war ein glücklicher – abgesehen vom Pendeln nach London. Während der Bombardierung waren wir ziemlich sicher und konnten ein recht normales Leben in einer sehr angenehmen Umgebung führen. Im Sommer konnten wir bei schönem Wetter Kahnboote mieten, um auf dem Fluss zu fahren, und gelegentlich besuchten wir meine Eltern in der Adamson Road, wo wir mit Essen überschüttet wurden und die Behaglichkeit genossen, bedient zu werden" (ebd).

Im April 1945 zog die Familie nach Claygate, einem wohlhabenden Vorort im Südwesten Londons, wo sie ein schönes Haus mit großem Garten kaufte, in dem Werner Pick bis zu seinem Tod lebte. Er wurde zu einem erfolgreichen Geschäftsmann, der in der Cornelius Gruppe zum Vorsitzenden und Hauptaktionär aufstieg. Die hohe Wertschätzung für seine Leistungen in der Branche zeigt auch die Wahl zum Präsidenten der Vereinigung der Öl-, Samen- und Fett- Vereinigung (FOSFA), einer weltweiten Handelsvereinigung, und der "Britischen Commodities Trades Association", der britischen Handelsvereingung für Rohstoffe. Dass er die Angestellten seines Unternehmens am Gewinn beteiligte, war typisch für seine soziale Einstellung.

Werner Picks Vater Arthur starb 1956 in London im Alter von 84 Jahren, seine Mutter Bertha erlebte noch die Geburt ihres Urenkels und starb im Juli 1963. Werner Pick erreichte das erstaunliche Alter von 103 Jahren, er starb im Juni 2017, zwei Monate vor seinem 104. Geburtstag. 

Seine Nachfahren erhielten im Jahre 2021 die deutsche Staatsbürgerschaft nach Art. 116 Abs. 2 Grundgesetz zurück.

Sein Sohn Robert betonte in der Trauerrede für seinen verstorbenen Vater: „Mein Vater war sein Leben lang bis ins hohe Alter mit guter Gesundheit gesegnet. Ich bin sicher, dass seine geistige Aktivität dazu beigetragen hat. Indem er weiterhin an allem und jedem interessiert war - Familie, Garten, Musik, Kunst, der Landschaft, Wirtschaft und Politik... Reisen und Urlaub waren ihm wichtig, mit Frau und Kindern, auch Enkeln und sogar Urenkeln...Sein Lieblingsort war Zermatt. Serin großer Ehrgeiz war es, mit seinen Enkeln Ski zu fahren und er war begeistert, dass er dies schaffte. Und ich werde nie seine Freude während eines Helikopterflugs vergessen: Wir nahmen ihn zum 95. Geburtstag mit zum Gipfel des Matterhorns. In seinen eigenen Worten: ‚Zermatt ist dem Himmel am nächsten‘" (zitiert nach: Werner Rolf Theodor Pick in memoriam in: Die Pforte, Schulpforta Nachrichten Zeitschrift des Pförtner Bundes e.V., Nr. 70, S. 67 -71externer Link).

Werner Pick blickte 2002 mit 98 Jahren in seinen "Memoirs" auf ein erfülltes, bewegtes und letztendlich glückliches Leben  zurück:

„Ich hatte extremes Glück, dass ich mich entschloss, in England mein Glück zu machen, das zu meiner Heimat wurde. Ich konnte meiner Schwester, meinen Eltern und auch meinem Onkel und meiner Tante mit ihren Kindern helfen, nach England zu emigrieren... Unsere engere Familie entging glücklicherweise dem Schicksal vieler jüdischer Familien, die in den Gaskammern umkamen. Ich lege Wert darauf, dass meine Kinder und die jüngere Generation, sich ihres Hintergrundes bewusst sind und sich nicht dafür schämen sollten. Die jüdische Religion spielte keine Rolle in unserem Leben, da die meisten unserer Familie, vor allem aus der Pick-Familie, im christlichen Glauben erzogen wurden. Die meisten von uns wurden kurz nach ihrer Geburt getauft, aber keiner von uns war regelmäßiger Kirchgänger, außer mir, in meiner Internatszeit in Schulpforta, wo Gebete und Gottesdienstbesuch verpflichtend waren. Wir hatten viele jüdische Freunde, aber in der liberalen Gesellschaft, in der wir lebten, war Religion Privatsache und wurde immer respektiert, aber nie diskutiert.

Wie ich vielfach klar gemacht habe, bin ich stolz auf meine Herkunft, und ich möchte nicht, dass sich meine Familie ihrer Wurzeln schämt, aber ich bin vollkommen glücklich, wenn zukünftige Generationen aufwachsen als Christen oder Anhänger jeder anderen Religion oder Philosophie frei nach ihrer Wahl. Was in meinen Augen zählt, ist dass sie tolerant sind und nützliche Mitglieder der Gemeinschaft, in der sie leben.

Ich bin fest davon überzeugt, dass Toleranz, Rücksichtnahme auf andere und Demut die größten Tugenden im Leben sind und ich hoffe, dass ich das, was ich glaube, einigermaßen praktizieren konnte. Ich weiß, dass ich mein ganzes Leben lang großes Glück hatte, auch wenn es zeitweise Probleme gab, und dass ich, wenn der Tag kommt, in Frieden sterben kann. Ich hoffe, dass meine Hinterbliebenen glückliche Erinnerungen an mich haben und meinen Tod nicht betrauern, sondern mich in ihren Gedanken weiterleben lassen.


Quellenangaben


Meldeakten Stadt Bad Kissingen (Meldekarten, Familienbogen, Hausakte) 
StAWü, WB IV JR 3442 Pick Bertha (früher JRSO)
Werner Pick, Memoirs, Claygate, August 2002 (Die Quelle wurde uns freundlicherweise von der Familie Pick zur Verfügung gestellt)
Werner Pick, Aufsatz zum Verhältnis der Familie zum Judentum (Die Quelle wurde uns freundlicherweise von der Familie Pick zur Verfügung gestellt)
Datenbank Genicomexterner Link
Werner Rolf Theodor Pick in memoriam in: Die Pforte, Schulpforta Nachrichten Zeitschrift des Pförtner Bundes e.V., Nr. 70, S. 67 -71externer Link
Nachruf Werner Rolf Theodor Pick, The Times, 16.06.2017externer Link

Bildnachweise


© Robert Pick



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