Personendaten


Ehrlich Franz

Nachname
Ehrlich
Vorname
Franz
Geburtsdatum
09.07.1885
Geburtsort
Bad Kissingen
Weitere Familienmitglieder

Eltern: Felix und Clara Ehrlich geb. Oppenheim
Geschwister: Ludwig, Else, Paul, Martha, Gustav, Friedel Ehrlich
Ehefrau: Adele Leven
Kinder: Fred (Fritz), Felicitas (Liesel) verh. Schreiber

Adresse

Ludwigstraße 17 (heute 10)

Beruf/Ämter
Bankbeamter - Mitinhaber des Modehauses Ehrlich in der Ludwigstraße - Kommandant der Freiwilligen Feuerwehr
Emigration/Deportation

April 1937 emigriert nach London

Sterbeort/Sterbedatum
Hampstead, London - 08.05. 1961

Biografie


Franz Ehrlich stammte aus einer alteingesessenen jüdischen Handelsfamilie Kissingens. Sein Großvater Samuel Ehrlich hatte 1841 die Lizenz zum Stoffhandel erhalten und später ein Textilgeschäft in der Oberen Markstraße eröffnet. Dessen Sohn Felix Ehrlich baute das Familienunternehmen weiter aus und erhielt die Auszeichnung „königlich-bayerischer Hoflieferant“. Seit 1887 führte er dann an der Ecke Ludwigstraße/Kurhausstraße ein florierendes Modehaus. Nach der Heirat mit Clara Oppenheim kam Franz 1885 als drittes von sieben Kindern zur Welt.

Franz Ehrlich absolvierte wohl nach Abschluss der Realschule eine Ausbildung zum Kaufmann bei einer großen Firma in England. (In seiner Autobiografie nennt Joske Ereli das Jahr 1908 als das Jahr, in dem sein Onkel Franz Ehrlich seine Ausbildung in London abgeschlossen hat. Diese Angabe überschneidet sich aber mit der urkundlich eindeutig belegbaren Zeit als Einjährig-Freiwilliger vom April 1907 bis April 1908. Vermutlich dürfte die Londoner Zeit daher nach der Schule und vor dem Militärdienst zu datieren sein). In dieser Zeit wohnte er bei seinem Onkel Ludi in London. Am 1. April 1907 rückte er als Einjährig Freiwilliger zum 9. Infanterieregiment ein. Nach seiner Entlassung aus dem Wehrdienst im folgenden Jahr studierte er zwei Semester Medizin an der Universität München, verdiente dann aber seinen Lebensunterhalt als Bankbeamter in seiner Heimatstadt. Gleich zu Beginn des Ersten Weltkriegs kam er an die Westfront, wurde mehrfach im Gefecht verletzt, erhielt eine Reihe militärischer Auszeichnungen und wurde schließlich zum Leutnant der Reserve ernannt. Nach dem Krieg war er Mitglied im 1919 gegründeten "Reichsbund jüdischer Frontsoldaten". Dessen Zielsetzung war die Abwehr des Antisemitismus in Deutschland unter Berufung auf die Tatsache, dass im Ersten Weltkrieg etwa 85.000 deutsche Juden gekämpft hatten, von denen etwa 12.000 fielen.

In einem Interview beschreibt Sohn Fred seinen Vater Franz Ehrlich rückblickend als stolzen Patrioten, der im Ersten Weltkrieg verwundet wurde und deshalb zunächst mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet wurde. „...Und das blaue, das andere, das emaillierte, ist ein bayerischer Orden, den mein Vater vom Kronprinzen oder vom König von Bayern bekommen hat...

Auszeichnungen-Franz-Ehrlich
Franz Ehrlichs Bayerischer Orden und sein Eisernes Kreuz

Mein Vater war besonders stolz auf den Bayerischen Orden. Denn das war ein seltener Orden. Er wurde nicht sehr oft verliehen [...] Ich weiß, dass es eine Inspektion in der Nähe von Kissingen gab, Ende 1929-1930, als der bayerische Kronprinz nach Kissingen kam und die Soldaten des Ersten Weltkriegs besuchte [...] Und sie haben den Nazis nichts gesagt. Das geschah ohne das Wissen der Nazi-Partei. Es wurde geheim gehalten. Und mein Vater traf dort den Kronprinzen von Bayern" (USC Shoa Foundation, Visual History Archive, Interview mit externer LinkFred Ehrlich)externer Link.

Mitglieder-des-Reichsbunds-jüdischer-Frontsoldaten
Franz Ehrlich - ganz links als Mitglied des Reichsbunds jüdischer Frontsoldaten
Franz Ehrlich 1921 oder 1923 bei der Frewilligen Feuerwehr KG
Franz Ehrlich als Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr Bad Kissingen, 1921 oder 1923

Franz Ehrlich heiratete die aus Unna/Westfalen stammende Adele (Dele) Leven und hatte mit ihr zwei Kinder, Fritz (Fred) kam 1922 und Felicitas (Liesel) 1926 zur Welt. Nach dem Tod des Vaters 1918 übernahm Franz mit seinem Bruder Ludwig das elterliche Modehaus und festigten den hervorragenden Ruf des Geschäftes. Wie sein Bruder Ludwig engagierte sich auch Franz im gesellschaftlichen Leben seiner Heimatstadt. Er war Kommandant der Freiwilligen Feuerwehr, leitete die Kissinger Ortsgruppe des „Reichsbunds jüdischer Frontsoldaten“. Er widersetzte sich schon früh dem aufkommenden Antisemitismus der Kissinger Nationalsozialisten. So erstattete er im Juli 1930 Anzeige gegen einen nationalsozialistischen Umzug, bei dem vor der Synagoge Hetzlieder gegen Juden gesungen worden waren. (vgl. H.J. Beck, Kissingen war unsere Heimat, S. 582ff).

Strenge jüdische Essensvorschriften gab es im Hause Ehrlich nicht, niemand im Haus - auch in den anderen Ehrlich-Familien - lebte koscher. Bezeichnend für die offene und tolerante Atmosphäre war auch, dass sich Anna, eine Katholikin, um den Haushalt und die Erziehung der Kinder kümmerte. Ihre Kochkünste wurden von allen in der Familie geschätzt (vgl. Interview USC Shoa Foundation mit Fred Ehrlich)

Die Synagoge besuchte man nur gelegentlich - meist an den hohen jüdischen Feiertagen. Aber natürlich waren die Ehrlichs Mitglieder der jüdischen Gemeinde. Sie trafen sich mit ihren jüdischen Freunden zum geselligen Beisammensein und veranstalteten vielleicht einmal im Jahr eine Theateraufführung oder ein Kostümfest an Purim (vgl. ebenda). Und an hohen Feiertagen traf sich die Großfamilie in der geräumigen Wohnung von Tante Ida im ersten Stock.

Franz Ehrlich hatte - wie sich sein Sohn erinnert - „viele Freunde - nichtjüdische Freunde - die in den Laden kamen und sagten, wo ist der Franz? Und dann sind sie rausgegangen und haben zusammen ein Bier getrunken und über den Krieg '14-18 gesprochen. Das war irgendwann zwischen 1918 und ca. 1935 gewesen" (ebenda). Nicht selten waren dies Kriegskameraden aus seinem Regiment aus dem Landkreis, zum Teil auch aus der Stadt, mit denen er befreundet war.

Doch diese glückliche Zeit sollte mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten schnell ein Ende finden. Natürlich war auch das größte Modehaus der Stadt sofort von den Boykottmaßnahmen betroffen, SA-Männer hinderten Kunden am Zutritt des Geschäfts und die Einnahmen waren rückläufig. Fred Ehrlich erinnert sich aber auch an Kunden, die die Notlage jüdischer Geschäftsleute für sich auszunutzen verstanden: „Die Menschen vor Ort wussten genau, was los war. Und sie kamen und kauften ein. Ein Mann konnte z.B. reinkommen und Tisch- und Bettwäsche für seine Tochter kaufen, die heiratete, aber nicht bezahlen, weil er genau wusste, dass ein jüdischer Ladenbesitzer unter keinen Umständen Geld von einem Mitglied der Nazipartei verlangen konnte. Und gleichzeitig konnten wir es uns nicht leisten, ihm die Lieferung zu verweigern. Sie hatten also bald den Dreh raus" (ebenda).

1935 verübten örtliche Nazis einen nächtlichen Anschlag auf mehrere jüdische Geschäfte. Auch die Glasfenster des Modehauses Ehrlich wurden mit Säure beschmiert. Die hebräischen Schriftzeichen für "koscher" wurden auf ihnen eingraviert.

Im Herbst 1936 - die Lage war für die Familie immer bedrohlicher geworden, „muss einer [von seinen früheren Freunden, vielleicht ein Kriegskamerad] gekommen sein oder angerufen und gesagt haben, Franz, es wäre besser, wenn du morgen früh nicht in der Stadt wärst. Also sind meine Eltern mit dem Nachtzug von Kissingen nach außerhalb der Stadt gefahren [...] Und sie reisten mit dem Zug nach Holland, und von Holland nach England" (ebenda).

Seine Frau Adele kehrte 1937 noch einmal nach Bad Kissingen zurück, löste ihre Wohnung auf und regelte die Ausreise für ihre beiden Kinder. Franz blieb in England, weil für ihn das Risiko einer Verhaftung in Deutschland zu groß war. Im April 1937 verließ Adele mit ihren Kindern Fred und Liesel Bad Kissingen, um über Holland nach England zu emigrieren.

Bei der Ausreise nach England wurde die Familie von Onkel Ludi, einem wohlhabenden Onkel von Franz unterstützt, der als Bürge garantierte, dass sie weder Arbeitslosengeld noch andere Leistungen vom britischen Staat beziehen würden. Denn in Großbritannien herrschte damals große Arbeitslosigkeit. Onkel Ludi bot ihnen zunächst auf seinem Landsitz in Bexley Zuflucht, bevor sie nach Birmingham umzogen (vgl. J. Ereli, S. 68). Franz fand eine Anstellung in der City von London bei einem Unternehmen, das mit Nichteisenmetallen handelte, und Adele kümmerte sich jetzt um den Haushalt.

Die Familie blieb auch nach dem Krieg in England, nur ihre Tochter Liesel, die in der zionistischen Bewegung Anschluss fand, heiratete Herbert Schreiber und wanderte nach Israel aus.

Franz Ehrlich starb im Mai 1961 in England im Alter von 75 Jahren.

Aus dem Fotoalbum:

 


Quellenangaben


Joske Ereli, Von Hampi Ehrlich zu Jossl Ereli- Meine Lebensgeschichte
(USC Shoa Foundation, Visual History Archive, Interview mit externer LinkFred Ehrlich)externer Link.
Hans-Jürgen Beck, Kissingen war unsere Heimat, Stand April 2017, S.582ff
Datenbank Ancestry, Familienstammbaumexterner Link

Bildnachweise


Porträtfoto © Datenbank Ancestry, Familienstammbaumexterner Link 

Familienfotos: © Fotoalbum Fred Ehrlich
Soldatenfoto: © Hartwig Heymann
Feuerwehr-Foto © Sammlung Bötsch, Stadtarchiv Bad Kissingen
Foto und Werbeanzeige Modehaus Ehrlich: © Stadtarchiv Bad Kissingen



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