Personendaten


Ehrlich Ludwig

Nachname
Ehrlich
Vorname
Ludwig
Geburtsdatum
27.02.1883
Geburtsort
Bad Kissingen
Weitere Familienmitglieder
Adresse

Ludwigstraße 17 (heute 10)

Beruf/Ämter
Mitinhaber Modehaus Ehrlich in der Ludwigstraße
Emigration/Deportation

November 1938 emigriert über Toulouse nach London (im Januar 1939); 1945 ausgewandert nach Palästina

Sterbeort/Sterbedatum
Givat Brenner - 10.07.1948

Biografie


Ludwig Ehrlich stammt aus einer alteingesessenen jüdischen Handelsfamilie Kissingens. Sein Großvater Samuel Ehrlich hatte 1841 die Lizenz zum Stoffhandel erhalten und später ein Textilgeschäft in der Oberen Markstraße eröffnet. Dessen Sohn Felix Ehrlich baute das Familienunternehmen weiter aus und erhielt die Auszeichnung „königlich-bayerischer Hoflieferant“. Seit 1887 führte er dann an der Ecke Ludwigstraße/Kurhausstraße ein florierendes Modehaus.

Nach der Heirat mit Clara Oppenheim kam am 27. Februar 1883 Ludwig als ältestes Kind zur Welt. Nach dem Besuch der Volkschule wechselte er im September 1893 auf die Kissinger Realschule, die er im Juli 1899 erfolgreich abschloss. Anschließend absolvierte er seine Lehrzeit in Brüssel bei der Firma Hirsch und war danach zur weiteren kaufmännischen Ausbildung in verschiedenen Handelshäusern. 1914 heiratete er Margarete Efrem, die aus Bernstadt in Schlesien stammte, und nach dem Tod des Vaters übernahm er 1918  mit seinem Bruder Franz das väterliche Geschäft, das ab 1925 schlicht „Modehaus Felix Ehrlich“ hieß.

Wie auch sein Bruder Franz prägte Ludwig Ehrlich maßgeblich das Leben der Kurstadt. „So war Ludwig Ehrlich Schriftführer bei der freiwilligen Feuerwehr und der […] Mitglied der im Mai 1919 gegründeten Kissinger Einwohnerwehr, die zur Zeit der Münchner Räterepublik als Schutzverband gegen etwaige Räteunruhen gegründet wurde.[...] Der jüdischen Tradition fühlten sich die Ehrlichs auf weltoffene und liberale Weise verbunden.[…] Die Familienvorstände waren sehr liberal eingestellt. Sie besetzten jedoch wichtige Ämter in der Gemeinde, z.B. Schatzmeister (Gabbai), Mitglied in der Begräbnis-Brüderschaft (Chewra Kaddischa) und in anderen gemeinnützigen Einrichtungen der jüdischen Gemeinde. Entgegen den orthodoxen Regeln hatten die Ehrlichs ihr Geschäft auch am Schabbat geöffnet. Sie passten sich den Wünschen ihrer überwiegend nichtjüdischen Kunden an und ließen ihren Laden am Sonntag geschlossen.“ (H.-J. Beck, Kissingen war unsere Heimat, S. 583ff).

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten verschlechterte sich durch Schikanen und Boykottaktionen allmählich die wirtschaftliche Lage des Unternehmens. 1938 zwangen die Kissinger Behörden Ludwig Ehrlich, sein Geschäft an Martin Rottmann zu übergeben, der Inhaber eines ähnlichen, aber kleineren Geschäfts war. „Er war kein Nazi, doch er nahm den Laden mitsamt dem kompletten Inventar, und meine Eltern erhielten für diesen „Verkauf“ eine lächerliche Summe, die sie zwischen den sechs Familien der Geschwister aufteilten.“ (Joske Ereli, S. 64).

Dass Ludwig und seine Frau gerade noch rechtzeitig Bad Kissingen verlassen haben, verdanken sie ihrem Enkel Menachem: 1938 reisten ihre Tochter Suse und deren Mann Asahel mit ihrem Jungen Menachem nach Toulouse, um eine Ausbildung in Landwirtschaft zu machen. „In der Familie erzählt man sich immer, wie Menachem seine Großeltern gerettet habe. Im November 1938 beschlossen meine Eltern nämlich, nach Toulouse zu fahren, um ihren ersten Enkel Menachem, der 1937 geboren worden war, zu besuchen. Für sie war es eine günstige Gelegenheit, denn die Reise nach Palästina war zu weit. Sie brachen in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 - der ‚Kristallnacht‘ - nach Frankreich auf. Wenn die Geschichte stimmt, die mir meine Mutter erzählt hat, dann war es das erste Mal, dass mein Vater wirklich Verstand bewies: Als sie am Kölner Bahnhof in den Zug nach Toulouse umsteigen wollten, kam eine Durchsage über Lautsprecher: ‚Herr Ehrlich - ans Telefon!‘ Die SS beschattete zu dieser Zeit Juden, vor allem Angehörige der Oberschicht, um sie und ihren Besitz in Deutschland zurückzuhalten. Mein Vater folgte dem Aufruf nicht, ging nicht ans Telefon, sondern setzte die Reise wie geplant fort. Ich weiß nicht mehr, ob der Anruf von Hausmeister Hofmann oder der Köchin daheim kam. Jedenfalls lautete die Botschaft: Kehren Sie nicht zurück, die SS sucht Sie, sie haben das Haus und den Laden auf den Kopf gestellt… Meine Eltern kehrten nicht nach Deutschland zurück und so hat der Enkel seine Großeltern gerettet.“ (J. Ereli, S. 66f).

Einige Wochen später, im Februar 1939 zogen Ludwig und Grete weiter nach England, wo sie wie viele andere Familienmitglieder bis Kriegsende großzügig von Onkel Ludi unterstützt wurden. (Onkel Ludi war ein Bruder von Felix Ehrlich, der in Südafrika als Minenbesitzer ein großes Vermögen erworben hatte und um die Jahrhundertwende nach England gezogen war.)

Nach dem Krieg wanderten beide 1946 nach Givat Brenner/Palästina zu ihren Kindern aus. Ludwig Ehrlich - damals bereits herzkrank - starb 1948, seine Ehefrau einige Jahre später im Februar 1952. (J. Ereli, S. 97f)

(Die Informationen stammen größtenteils aus der Autobiografie des Sohnes von Ludwig Ehrlich, Joske Ereli)

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Modehaus Felix Ehrlich (rechts) an der Ecke Ludwigstraße/Kurhausstraße um 1900 - das größte Modehaus in der Stadt
           
82_Ludwig und Grete Ehrlich nach der Emigration in Palästina, 1946Ehr Kopie
Ludwig und Grete Ehrlich nach der Emigration nach Palästina


Quellenangaben


Joske Ereli, Von Hampi Ehrlich zu Jossl Ereli - Meine Lebensgeschichte
Hans-Jürgen Beck, Kissingen war unsere Heimat, Stand April 2017, S.583ff
Schülerakte Jack-Steinberger-Gymnasium
US Holocaust Memorial Museum/Holocaust Survivors…externer Link

Bildnachweise


© Joske Ereli, Ein Gedi



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