Personendaten


Liebmann Mathilde

Nachname
Liebmann
Geburtsname
Lisberger
Vorname
Mathilde
Geburtsdatum
11.07.1880
Geburtsort
Kleineicholzheim
Weitere Familienmitglieder

Eltern: Isaak Lissberger und Nina geb. Hiller
Geschwister: Helene verh. Mayer
Ehemann Louis Liebmann
Kind: Lothar

Adresse

Maxstraße 24a/ später Untere Markstraße 1 (heutige Zählung)

Beruf/Ämter
Emigration/Deportation

April 1939 emigriert nach New York

Sterbeort/Sterbedatum
März 1965

Biografie


Mathilde Liebmann geb. Lissberger wurde am 11. Juli 1880 im badischen Kleineicholzheim geboren. In den Meldeakten der Stadt Bad Kissingen und einigen weiteren Quellen wird fälschlicherweise als Geburtsmonat "März" angegeben. Auch die Schreibweise des Familiennamens ist in den Quellen unterschiedlich (Lissberger, Lisberger, Lißberger). Mathildes Eltern waren der Handelsmann Isaak Lissberger und seine Frau Nina geb. Hiller. Mathilde hatte noch eine fünf Jahre ältere Schwester Helene, drei weitere Geschwister waren bereits wenige Jahre nach der Geburt verstorben (Informationen von Dr. Fischer, Schefflenz, Mail vom 01.09.2018, basierend auf Untersuchungen von Hardy Körber).

Mathilde Lissberger heiratete den aus Steinach stammenden Kaufmann Louis Liebmann und zog nach der Heirat 1902 in dessen Heimatgemeinde. Ihr Ehemann hatte mit seinem Bruder Daniel das väterliche Geschäft in Steinach übernommen. 1905 erblickte ihr einziger Sohn Lothar das Licht der Welt. Im Jahr 1913 entschlossen sich die Gebrüder Liebmann, das Geschäft von Steinach nach Bad Kissingen zu verlegen. Dort kauften sie ein repräsentatives Anwesen in der Unteren Marktstraße, das sie zu einem großen Textilkaufhaus ausbauen ließen. Seit August 1930 bis zu ihrem Umzug ins Jüdische Alterheim in Würzburg im Februar 1940 wohnte auch Mathildes Schwester Helene, deren Mann Adolf Mayer kurz zuvor gestorben war, bei ihnen in Bad Kissingen.

Nach Beginn der NS-Diktatur waren die Liebmanns zunehmend den Schikanen der hiesigen Nationalsozialisten ausgesetzt. Am 16. November 1934 wurden die beiden Kaufleute Daniel und Louis Liebmann wegen angeblich „unberechtigter Preissteigerungen“ verhaftet, und ihr Manufaktur- und Kurzwarengeschäft in der Unteren Marktstraße wurde geschlossen. In der Lokalpresse begann ein Propagandafeldzug gegen sie, sie wurden als „Schädlinge“ und „Wucherer“ diffamiert. Am 10. Dezember 1934 konnten die Ehefrauen der beiden Inhaftierten - Anna und Mathilde Liebmann - auf Grund einer von ihnen und dem Rechtsanwalt Dr. Rosenthal von der Polizeidirektion Würzburg erwirkten Genehmigung, ihr Geschäft zumindest wieder öffnen. Doch bereits am Abend desselben Tages versammelte sich vor dem Geschäft eine größere Menschenmenge auf der Straße. Rufe - so der Polizeibeamte Hans Ruckriegel in seinem Bericht - seien laut geworden, dass das Geschäft wieder zu schließen sei: „U. a. hörte man Sprechchöre `Des Deutschen Seele pocht, die Juden gehören eingelocht´, `Schließt die Wucherbude, sperrt sie ein, die Juden´, `Auf nach Dachau!´“. An der gezielten „Aufputschung der Bevölkerung“ war dabei - dem Bericht Hans Ruckriegels zufolge - maßgeblich Kreispropagandaleiter Josef Bauch beteiligt. Auch SS-Sturmführer Karl Meder sei die ganze Zeit mit einigen Leuten in Zivil anwesend gewesen, „ohne irgendwie beruhigend einzuwirken“. Die Polizei forderte Anna und Mathilde Liebmann auf, den Laden ihrer inhaftierten Männer wieder zu schließen. Am 11. Dezember 1934 verlangten Bauch und Meder von Dr. Rüttiger, dem stellvertretenden Stadt- und Badkommissar, eine längere Schließung des Geschäftes „wenigstens bis über Weihnachten hinaus“. Andernfalls würde sich - wie Meder und Bauch mehr oder minder unverblümt drohten - „die Ansammlung am nächsten Tag wiederholen“ (Sta Wü, „Gauleitung Mainfranken XII/2“). Die Würzburger Gestapo schloss sich der Forderung von Bauch und Meder an und ließ das Geschäft abermals schließen. Am nächsten Tag scheint dieses aber bereits wieder offen gewesen zu sein. Erst am 19. Dezember 1934, also nach 4 Wochen, wurden die beiden Kaufleute aus der „Schutzhaft“ entlassen, das Verfahren gegen sie wurde im August des nächsten Jahres eingestellt, denn die Beschuldigen hatten sich als haltlos erwiesen (Sta Wü, Gestapo 6144 Daniel Liebmann, zitiert nach Hans-Jürgen Beck, Kissingen war unsere Heimat, Stand April 2017, S. 722ff).

Auch nach dem Novemberpogrom wurden Louis Liebmann sowie sein Bruder Daniel und sein Neffe Arno verhaftet. Die Familie hatte sich schon in den Monaten zuvor um eine Ausreise in die USA bemüht. Während Mathildes Schwager Daniel und seine Frau Anna mit ihren Bemühungen scheiterten, gelang dem Rest der Familie die Flucht. Sohn Lothar emigrierte im Juni 1936 in die USA, seine Eltern und Mathildes Neffe Arno konnten 1939 in die Vereinigten Staaten emigrieren. Mathildes Schwester Helene wurde dagegen 1942 nach Theresienstadt und später nach Auschwitz deportiert und ermordet. Laut US-Census von 1940 lebten Mathilde, Louis, Lothar und seine Frau Paula im Jahr 1940 in einer gemeinsamen Wohnung in Manhattan.

Mathildes Ehemann starb dort im März 1959 wenige Wochen vor seinem 89. Geburtstag, sie selbst starb  im März 1965 im Alter von 84 Jahren (Social Security Death Master File, Social Security number 050-18-3123).


Quellenangaben


Bildnachweise




Zurück zur Liste