Personendaten
Wittekind Therese
Eltern: Salomon Wittekind und Nanny geb. Meininger
Geschwister: Simon, Regina, Aron, Benedikt, Bertha
Nichte: Rosi Wittekind (Toronto)
Zwingergasse 5
14. September 1940 Heil- und Pflegeanstalt Eglfing-Haar
20. September Tötungsanstalt Hartheim bei Linz (Österreich)
Biografie
Therese Wittekind gehört zu den Kissinger Opfern des NS-„Euthanasieprogramms“. Sie kam am 29. April 1864 als sechstes Kind von Salomon Wittekind und dessen Ehefrau Nanny geb. Meininger in Bad Kissingen zur Welt und hatte noch fünf ältere Geschwister: Simon (*1854), Aron (*1856), Benedikt (*1857), Bertha (*1859 - bereits wenige Monate nach ihrer Geburt verstorben) und Regina (*1862). Die Wittekinds waren eine alteingesessene, weit verzweigte Kissinger Familie, deren Wurzeln bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts zurückreichen. Thereses Großvater Aron Simon Wittekind wohnte im Judenhof und hatte im Jahre 1806 als "Schutzjude" der Freiherrn von Erthal das Recht erhalten, in Kissingen zu leben und einen Beruf auszuüben. Er verdiente seinen Lebensunterhalt im "Seiden-, Woll- und Baumwollhandel" (vgl. Kissinger Adressbuch 1838, S. 37).
Thereses Vater, der 1853 die aus Burgkunstadt stammende Nanny Meininger geheiratet hatte, war laut Kissinger Adressbuch von 1865 Kaufmann am Marktplatz. Er starb im März 1892 im Alter von 78 Jahren. Zu diesem Zeitpunkt lebte die Familie in der Zwingergasse 5.
Über Therese Wittekinds Leben ist nur wenig bekannt. Sie blieb zeitlebens ledig. Aufgrund einer Gehbehinderung konnte sie keinen Beruf ausüben und trug spätestens seit 1914 eine Fußprothese
. Ihren Lebensunterhalt bestritt sie von den Mieteinnahmen ihres Elternhauses in der Zwingergasse 5 und durch regelmäßige Unterstützung der jüdischen Gemeinde
, die sie auch von der Zahlung der sog. „Notsteuer" befreite
. Sie erhielt spätestens seit 1904 auch immer wieder Zuwendungen von der Henriette und Simon Rosenau’schen Stiftung, der Berolzheimer’schen Stiftung, der Leopold und Frieda Hork’schen Stiftung und der Karoline Rosenau’schen Stiftung sowie vom Chevra-Verein.
Außerdem übernahm sie für den Chevra-Verein häufig die Totenwache für Verstorbene und bekam dafür eine finanzielle Entschädigung.
Im Juni 1940 kam sie in die Heil-und Pflegeanstalt Römershag in Brückenau, die von der Kongregation der Erlöserschwestern (Würzburg) geführt wurde. In dieser Einrichtung blieb sie nur kurze Zeit, da das Haus stark belegt war. Als im September 1940 weitere 20 Patienten aus der Pfalz von dort nach Römershag verlegt worden waren, wurde Therese Wittekind am 14. September zusammen mit anderen Heimbewohnern im Rahmen der „T4-Sonderaktion“ für jüdische Patienten in die oberbayrische Heil- und Pflegeanstalt nach Eglfing-Haar verlegt und höchstwahrscheinlich wenige Tage später am 20. September in die Tötungsanstalt Hartheim in Österreich deportiert und dort noch am selben Tag in der Gaskammer ermordet (vgl.. Biografie Therese Wittekind, Stolpersteininitiative Bad Brückenau, Oktober 2021
).
Nach der Ermordung versuchten die NS-Behörden häufig, auf das Vermögen der Opfer zuzugreifen. So erhielten Josef und seine Schwester Herta Losmann - die fälschlicherweise für Geschwister Therese Wittekinds gehalten wurden - im Januar 1942 ein Schreiben, in dem sie aufgefordert wurden, 452, - RM für Pflege und Einäscherung aus dem Nachlass der "Verstorbenen" zu bezahlen. Den Losmanns - die möglicherweise eine Generalvollmacht für Therese Wittekinds Vermögen besaßen - wurde vorgegaukelt, dass Therese Wittekind am 28. Januar 1941 in der Nervenheilanstalt Cholm bei Lublin verstorben sei. Auch die Einforderung fiktiver Kosten für Pflege und Einäscherung diente letztlich dazu, das tatsächliche Vorgehen zu verschleiern und die Ermordete auszuplündern.
Quellenangaben
Gedenkbuch Bundesarchiv Koblenz
Yad Vashem Zentrale Datenbank…
Auskunft Bad Arolsen, 07.12.2018
Stolperstein-Biografie Therese Wittekind, Stolpersteininitiative Bad Brückenau, 4. Stolpersteinverlegung Oktober 2021
Hans-Jürgen Beck, Chronik jüdischen Lebens in Bad Kissingen, Die Familie Wittekind, S. 2 und 14
Kissinger Adressbuch 1838, Seite 37
Kissinger Adressbuch 1865, S. 46
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