Personendaten
Wittekind Wilhelm
Eltern: Simon Wittekind und Clara (Gutel) geb. Hamburger
Geschwister: Sabine, Aron
Ehefrau: Fanny geb. Mendle
Kinder: Max, Simon, Arthur und Paula verh. Bourquin
Promenadestraße 5a (alte Zählung) /Marktplatz 4
Biografie
Wilhelm Wittekind stammte aus einer alteingesessenen jüdischen Familie, deren Wurzeln sich bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts zurückverfolgen lassen. Er kam am 1. April 1861 als Sohn von Simon Wittekind und dessen Ehefrau Klara geb. Hamburger in der fränkischen Kurstadt zur Welt und hatte noch eine ältere Schwester Sabine, die 1853 geboren wurde. Der ältere Bruder Aron war bereits wenige nach seiner Geburt im November 1859 gestorben. 1891 heiratete Wilhelm in Ansbach die aus dem schwäbischen Fischach stammende Fanny Mendle, die darauf nach Bad Kissingen zog. Zwischen 1892 und 1903 erblickten ihre vier Kinder Simon (*1892), Paula (*1898), Arthur (*1900) und Max (*1903) das Licht der Welt. Wilhelm Wittekind führte am Marktplatz ein Textilgeschäft, das er vermutlich von seinem 1889 verstorbenen Vater Simon Wittekind übernommen hatte, seine Mutter Klara starb 1922 hochbetagt im Alter von 97 Jahren. Das Wohnhaus der Familie Wittekind war die "Villa Paula" in der Promenadestraße.
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Wilhelm Wittekind wurde während der NS-Zeit von örtlichen SS-Leuten gewaltsam angegriffen. Als er am Morgen des 19. August 1935 in die Stadt ging, um Brötchen zu holen, wurde er auf dem Rückweg von den beiden SS-Leuten Ernst W. und Arnold R. brutal zusammengeschlagen, so dass er das Bewusstsein verlor. Den Grund für dieses aggressive Verhalten vermutete der 74-Jährige in einem etwa acht Tage zurückliegenden Vorfall. Als er am Friseurgeschäft Englert, in dem die der beiden SS-Leute arbeiteten, vorüberging, hatte er aus Versehen ein dort aufgestelltes Fahrrad gestreift und umgeworfen. Er versuchte mehrfach, das Fahrrad wieder aufzustellen, was ihm aber letztlich nicht gelang. Ernst W. geriet darüber in Zorn und beschimpfte ihn als „Stinkjuden“. Wenige Tage später sahen er und sein Kollege dann eine gute Gelegenheit gekommen, um sich an Wilhelm Wittekind zu rächen, zumal keine Augenzeugen zugegen waren, und schlugen ihn zusammen. Als die Polizei aufgrund eines Artikels in der „Mainfränkischen Zeitung“ Nachforschungen in dieser Angelegenheit anstellte, versuchten die beiden SS-Leute ihr brutales Vorgehen zu beschönigen, indem sie Wilhelm Wittekind dafür verantwortlich machten. Mehrfach habe er vor dem Friseurgeschäft Englert in ihrer Gegenwart ausgespuckt und sie dadurch provoziert. Diese Behauptung wies Wilhelm Wittekind bei seiner Befragung gegenüber Kriminalkommissar Schmidt entschieden als unwahr zurück und versicherte, dass er von den beiden SS-Leuten ohne Grund zusammengeschlagen worden sei. Wilhelm Wittekind verzichtete auf eine Anzeige, die beiden Schläger blieben unbestraft, wurden im Gegenteil noch von ihrem Vorgesetzten Karl Meder, dem Leiter des Kissinger „SS-Sturms 7/56“, für ihr Verhalten belobigt.
Wilhelm Wittekind starb am 16. Juli 1936 und wurde auf dem jüdischen Friedhof in Bad Kissingen begraben. Seine Frau zog später nach Leipzig und konnte - wie ihre beiden Söhne Max und Simon - noch rechtzeitig nach Südafrika emigrieren, wo sie in Johannesburg lebte.
Quellenangaben
Hans-Jürgen Beck, Kissingen war unsere Heimat, S., Sta Wü, Gestapo 17 519 Wilhelm Wittekind
Datenbank Genicom
Meldeunterlagen der Stadt Bad Kissingen
Bildnachweise
Foto Villa Paula © Susan Hammerschlag
Foto Geschäft © Stadtarchiv Bad Kissingen
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