Personendaten


Mühlfelder Minna

Nachname
Mühlfelder
Geburtsname
Frank
Vorname
Minna
Geburtsdatum
08.01.1896
Geburtsort
Hassfurt
Weitere Familienmitglieder

Eltern: Jacob Frank und Regina geb. Heilbronner
Geschwister: Betty, Paula, Hedwig, Johanna (Hanna), Selma, Claire (Klara), Max, Anny (Amalia), Louis, Jenny, Bella
Ehemann: Julius Mühlfelder
Kinder: Ludwig Jakob, Ellen,

Adresse

Salinenstraße 34

Beruf/Ämter
Kindergärtnerin
Emigration/Deportation

Dezember 1939 emigriert in die USA

Sterbeort/Sterbedatum
Livingston, New Jersey - 02.02.1973

Biografie


Minna Mühlfelder geb. Frank lebte nur kurz in Bad Kissingen und arbeitete hier als Kindergärtnerin.

Sie kam im Januar 1896 als viertes von zwölf Kindern des aus Wonfurt/Hassberge stammenden Jacob Frank und dessen Ehefrau Regina geb. Heilbronner in Hassfurt zur Welt. Ihr Vater, von Beruf Metzger, starb 1910.

Anfang Mai 1919 zog die junge Frau nach Bad Kissingen und arbeitete bis Mitte September in der Israelitischen Kinderheilstätte in der Salinenstraße. Es blieb bei der einen Kursaison, aber Minnas ältere Schwester Betty kam ab 1921 mehrere Jahre in die Badestadt und war jeweils in den Sommermonaten in der Kinderheilstätte angestellt. Aus der Autobiografie von Minnas Sohn Ludwig, der 1935 die Ferien in der Israelitischen Kinderheilstätte verbrachte, wissen wir, wie Minnas Tätigkeit aussah, dass sie "als Tante eine Gruppe von Kindern betreute" (Ludwig Mühlfelder, Weil ich übriggeblieben bin, Konstanz 1995, S.33).

Minna Frank heiratete im Februar 1922 den im thüringischen Themar geborenen Julius Mühlfelder und zog nach Suhl, wo in den nächsten Jahren ihre beiden Kinder Ludwig Jakob (1924 - 2004) und Ellen (1928 - 2014) geboren wurden. Dies war nicht die einzige Verbindung zwischen der Hassfurter Familie Frank und der Themarer Familie Mühlfelder: Minnas Schwester Hanna heiratete Lothar, einen Bruder von Julius. Und ihre Schwester Klara war mit Julius Bruder Max verheiratet.  

Minnas Mann war als Handlungsreisender der Firma David Levi, einer Suhler Ledergroßhandlung, tätig, er besuchte Schuster und Schuhfabriken in Thüringen, Hessen und Unterfranken und verkaufte die Waren seiner Firma. Und Minna war Kindermädchen bei der jüdischen Familie Simson, die die größte Fabrik, die Simson-Werke in Suhl besaßen. Ihr Sohn Ludwig schreibt in seiner Autobiografie: „Sie war in Suhl bekannt und beliebt als ‚schöne Minna‘; nach den mir bekannten Fotos hatte sie diesen Titel verdient" (Ludwig Mühlfelder, S.23). 

Minnas Tochter Ellen, die 1928 geboren wurde, war gehbehindert, und trotz aller ärztlichen Bemühungen und Klinikaufenthalte ließ sich die Fehlstellung ihrer Hüfte nicht korrigieren. Trotzdem - so erinnert sich Ludwig Mühlfelder „hatten wir ein schönes Familienleben und versuchten immer, viel zuhause zu sein, damit meine Schwester soweit wie möglich an allem teilnehmen konnte, was in der Familie schön ist" (Mühlfelder, S. 27). 1930 übernahm Julius Mühlfelder die Geschäftsleitung der Fa. David Levi. Alles schien so, als hätten die Mühlenfelds eine schöne und vielversprechende Zukunft vor sich.  

Bis zu ihrer Emigration lebte die Familie Mühlfelder in Suhl, und das Leben der Familie ab dieser Zeit ist gut dokumentiert in einer Biografie der Familie Mühlfelder in der Publikation "Jüdisches Leben in Suhl" (externer LinkKleine Suhler Reihe 25, 2008, S. 38 - 44), deren Verfasser SchülerInnen des Leistungskurses Geschichte des Suhler Gymnasiums sind. Noch detailliertere Einblicke vermittelt die 1995 erschienene Autobiografie von Minnas Sohn Ludwig „Weil ich übriggeblieben bin". 

Doch dann, in den frühen 1930er Jahren, änderte sich die Situation und  nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten brach eine schwere Zeit für die jüdischen Bürger an. Der Boykott jüdischer Geschäfte traf auch bald die Lederhandlung Mühlfelder. SA-Männer hinderten Kunden am Besuch des Geschäfts. Und 1936 wurde Minnas Schwager Lothar Mühlfelder wegen staatskritischer Äußerungen verhaftet und ins KZ Dachau gebracht. Ein halbes Jahr später wurde er abgemagert und kahl geschoren wieder entlassen unter der Bedingung innerhalb von drei Tagen Deutschland zu verlassen. Julius Mühlfelder hatte inzwischen für seinen Bruder ein Visum der britischen Mandatsbehörden für Palästina beschafft.  Anfang 1937 reifte auch bei den Mühlfelders der Entschluss, Deutschland zu verlassen. Sie schrieben ihren Verwandten in den USA, um ein Affidavit zu erhalten, und bekamen sie in ziemlich kurzer Zeit. Die Familie bereitete sich allmählich auf die Emigration vor, als mit dem Novemberpogrom die Ereignisse eskalierten.

Auch Julius Mühlfelder bleb nicht vom Terror der Nationalsozialisten verschont. In der Pogromnacht im November 1938 wurde Familie Mühlfelder das ganze Ausmaß der Gefahr bewusst, in der sie sich befanden. Julius wurde auf einer Dienstreise festgenommen und ins Konzentrationslager Buchenwald gebracht. Aus der Autobiografie seines Sohnes wird ersichtlich, wie zynisch und brutal die Nazis vorgingen:

"Später erzählte uns Vater, dass er während der Kristallnacht in seinem Hotelzimmer verhaftet wurde. Die Nazi-Sturmtruppen durchsuchten jedes Zimmer auf der Suche nach Juden. Als sie an seine Tür klopften, stellten sie ihm die Standardfrage. Er antwortete, ja. Ich bin ein Jude. Sie fuhren ihn in seinem eigenen Auto ins nahe gelegene Buchenwald. Als er, als Geschäftsmann mit Hut und Mantel gekleidet, herauskam, wurde er mit einer Faust oder einem stumpfen Gegenstand auf den Kopf geschlagen, mit der lauten Ermahnung, er solle seinen Hut abnehmen, wenn er, Zitat, heiligen Boden betrete. Seit dieser Zeit war das Gehör meines Vaters beeinträchtigt." (Ludwig Mühlfelder, Weil ich übriggeblieben bin).

Minna Mühlfeld wusste tagelang nichts über das Schicksal ihres Mannes. Sie war eine mutige und entschlossene Frau und suchte am Morgen des 10. November die Gestapozentrale auf, um sich nach seinem Verbleib zu erkundigen. Die Gestapoleute, die in der Nachbarschaft der Mühlfelders wohnten, konnten und wollten ihr zunächst nichts sagen. Nach drei Tage erhielt sie dann die Nachricht, wo ihr Mann war.

Als Minna ein Schreiben des US-Konsulats mit einem Antrag auf Ausreise in die USA vorlegte, konnte Julius das Lager im Dezember wieder verlassen und emigrierte im Januar in die Vereinigten Staaten. Es muss für ihn schwer erträglich gewesen sein, dass er seine Frau und die Kinder nicht mitnehmen konnte, da ihnen aufgrund der Behinderung der Tochter Ellen vom US-Konsulat die Einreise verweigert wurde. Minnas Enkelin Leslie Mühlfelder beschreibt die dramatische Situation in einem Interview von 2021:

" Kurze Zeit später gingen meine Großeltern, meine behinderte Tante und mein 14-jähriger Vater zum Konsulat. Da meine Tante behindert war, wurden meine Großeltern vor die Wahl gestellt: Entweder würde die gesamte Familie in Deutschland bleiben, oder mein Großvater könnte nach Amerika gehen, sich eine Arbeit suchen und beweisen, dass er seine Familie ernähren konnte und dass sie der Regierung nicht zur Last fallen würde. Die Kinder wurden von dem Gespräch ausgeschlossen, und meine Großeltern hatten 15 Minuten Zeit, sich zu entscheiden. Sie entschieden, dass mein Großvater in die USA gehen würde, in der Hoffnung, wenigstens ein Leben zu retten. Er kam Anfang 1939 nach Amerika, und meine Großmutter und die beiden Kinder mussten zurückbleiben."

Als der Zweite Weltkrieg ausbrach, schwand die Hoffnung der Mühlfelders immer mehr, dem NS-Terror zu entkommen, doch wenige Tage später, am 12. September 1939 erhielten Minna und ihre Kinder endlich die Visa zur Ausreise. Es war ein glücklicher Zufall, dass Julius' Mutter die Tante Carl Laemmles war, des berühmten Gründers der Universal Studios und bahnbrechenden Produzenten von Hollywood-Kultfilmen wie Dracula, Frankenstein und dem Oscar-prämierten All Quiet on the Western Front. Er gab 1.000.000 Dollar seines Vermögens aus, um Visa und eidesstattliche Erklärungen zu bezahlen, die es vielen seiner entfernten Verwandten ermöglichten, aus Deutschland auszuwandern und sich in den USA in Sicherheit zu bringen. Auch Minna Mühlfeld und deren Kindern rettete er so das Leben. 

Ende November 1939 konnten Minna, Ludwig und Ellen das "Judenhaus" verlassen,  in dem sie seit dem Sommer einquartiert waren, und dem Albtraum Deutschland entkommen. Im Dezember erreichten sie New York, so dass die Familie wieder glücklich vereint war. 

Ihr Vermögen hatte die Familie in Deutschland verloren, so dass es nicht einfach war, über die Runden zu kommen. Julius Mühlfelder war wieder in einer Ledergroßhandlung tätig und Minna arbeitete als Haushaltshilfe. Sie verdiente vielleicht drei oder 4 Dollar die Woche und zusammen mit den 18 Dollar ihres Mannes reichte es gerade für die Wohnungsmiete und die Ausgaben.

Im Jahr 1951 konnten sich Minna und Julius dann endlich ein nettes kleines Häuschen mit Garten in Newark leisten.

Im Jahre 1966 konnte Minna ihren 70. Geburtstag in großem Kreis feiern. Alle ihre noch lebenden Geschwister und das waren nicht wenige (nämlich acht), waren zu diesem Fest gekommen (siehe Fotoalbum). 

Minna Mühlfelder starb im Februar 1973 in Livingston in New Jersey. „Sie wurde 77 Jahre alt und hatte viel Freude an ihrer Familie" (Mühlfelder, S.103). Ihr Mann Julius überlebte sie noch um drei Jahre, er starb im September 1976 mit 83 Jahren.

Minnas Sohn Ludwig diente im Zweiten Weltkrieg in der US-Armee und nahm an der Ardennenoffensive teil. Nach dem Krieg arbeitete er in der Astroelektronik-Abteilung von RCA, wo er an der Entwicklung von Düsentriebwerken und Satelliten mitwirkte und zwischen 1976 und 1990 16 US-Patente für die Stabilisierung von Raumfahrzeugen erhielt. Er war außerdem drei Jahre lang Präsident der reformjüdischen Gemeinde "Tempel Emmanuel" in Livingston und saß im Kuratorium des nordamerikanischen Dachverbands des Reformjudentums. 1995 veröffentlichte er seine Autobiografie "Weil ich übrig geblieben bin" und trug mit seinen Besuchen in Suhl 1996 und 1999 viel zur Versöhnung mit seiner Geburtsstadt bei. Näheres zu seiner außergewöhnlichen Biografie findet man in der oben genannten Quelle S. 38ffexterner Link, in einem Podcast des lokalen Rundfunksenders L-Town Radioexterner Link von Livingston sowie in einem Interview Leslie Mühlfelders, der Enkelin von Minna.externer Link

Aus dem Fotoalbum:


Quellenangaben


Bildnachweise


© Fotoarchiv Familie Mühlfelder



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