Personendaten
Mannheimer Zensi
Eltern: Gustav Reichmannsdorfer und Amalie geb. Dingfelder
Geschwister: Heinrich
Ehemann: Martin Mannheimer
12.04.1911 Trabelsdorf
22.09.1963 Bainbridge, Chenango County, NY, United States
1938/39 emigriert nach Großbritannien
1940 Ausreise in die USA
Biografie
Zensi Mannheimer geb. Reichmannsdorfer wohnte und arbeitete in der Kursaison 1930 und 1931 in Bad Kissingen und machte in dieser Zeit eine Ausbildung zur Kindergärtnerin in der Israelitischen Kinderheilstätte.
Sie kam im April 1911 als erstes Kind des Viehhändlers Gustav Reichmannsdorfer und seiner Frau Amalie geb. Dingfelder in Trabelsdorf (heute ein Ortsteil von Lisberg im Landkreis Bamberg) zur Welt. Ein Jahr später wurde ihr jüngerer Bruder Heinrich geboren. Zensis Vater stammte aus Trabelsdorf und ihre Mutter war im mittelfränkischen Uehlfeld geboren. Die Familie war gut in die Dorfgemeinschaft integriert und fühlte sich vor Beginn der NS-Diktatur wohl in ihrer fränkischen Heimat.
Mit 19 Jahren kam Zensi erstmals von Juni bis Oktober 1930 nach Bad Kissingen und arbeitete als Praktikantin in der Israelitischen Kinderheilstätte in der Salinenstraße. Auch in der nachfolgenden Kursaison setzte sie dort ihre Ausbildung fort und meldete sich Ende August 1931 wieder aus Bad Kissingen ab.
Sie heiratete im Oktober 1934 den in Suhl geborenen Martin Mannheimer und zog daraufhin nach Coburg, wo Martin Mannheimer mit seiner Familie aufgewachsen war. Martin Mannheimer besaß dort eine florierende Pferdehandlung, so dass das Ehepaar eigentlich zunächst in finanziell gesicherten Verhältnissen lebte und sich als gut integrierte Bürger und überzeugte Deutsche empfand (vgl. Dr. Christa Horn, Biografie Zensi Reichmannsdorfer, verh. Mannheimer und die von ihr verwendeten Quellen; die nachfolgenden Ausführungen sind in weiten Teilen dieser Biografie entnommen).
Doch Martin Mannheimer bekam in Coburg, einer Stadt in der die Nationalsozialisten schon in den 1920er Jahren großen Einfluss hatten, bald die Schikanen und den Terror der örtlichen Nazis zu spüren. Nur wenige Wochen nach der Machtübernahme Hitlers kam es im März und April 1933 in Coburg zu Misshandlungen von Regimegegnern und Juden. Martin Mannheimer „wird am 25.3.1933 verhaftet und in die alte Herberge [Gebäude neben dem Rathaus] gebracht. Dort schlägt man ihn auf den Rücken und auf das Gesäß. Nachts wird er durch ein lautes Pioltern aus einem Nebenraum wach. Er bekommt einen Anfall von Atemnot und furchtbares Herzklopfen. Am 26. März wird er ins Krankenhaus eingeliefert" (Fromm, Hubert, Die Coburger Juden. Geduldet – Geächtet – Vernichtet, Coburg 2012, S. 67). Er hatte Probleme, sein rechtes Bein zu belasten und zu bewegen und war aufgrund der Demütigungen und Misshandlungen suizidgefährdet. Am 23. April konnte er das Krankenhaus wieder verlassen.
Vom landesweiten Geschäftsboykott am 1. April 1933 war auch die Pferdehandlung Mannheimers betroffen, im Boykottaufruf der "Coburger Nationalzeitung" vom 31. März wurde auch sein Name genannt.
In den folgenden Jahren blieb Martin Mannheimer von schlimmeren Gewaltaktionen verschont, auch wenn die antisemitische Hetze weiter zunahm. Und die Heirat mit Zensi brachte sicher auch privates Glück und Stabilität in sein Leben.
Mit der Pogromnacht 1938 erreichte der Terror jedoch eine neue Stufe: Am frühen Morgen des 10.November „werden die Juden zusammengetrieben und durch die Stadt geführt. Frauen und Kinder dürfen nach Hause gehen, die Männer werden in der Turnhalle am Anger inhaftiert. Vor der Turnhalle kommt es immer wieder zu antijüdischen Kundgebungen. Am Nachmittag des 10. November finden in den Wohnungen der Juden Durchsuchungen statt" (Fromm, Die Coburger Juden, S. 68). Zusammen mit den anderen jüdischen Männern wurde Martin Mannheimer verhaftet und in die Gefängnisse Hof und Regensburg verlegt. Mitte Dezember konnte er nach Coburg zurückkehren.
Als Zensis Eltern von den Vorgängen erfuhren, kamen sie nach Coburg, um ihrer Tochter in dieser schwierigen Situation beizustehen. Gestapo und interessierte Käufer übten Druck auf Zensi aus, dem Verkauf ihres Anwesens zuzustimmen, denn nur so könne sie die Freilassung ihres Mannes erreichen. Zensi stimmte schließlich dem Zwangsverkauf zu.
Zensi und ihrem Mann war jetzt klar, dass sie in Deutschland ihre Existenzgrundlage verloren hatten und dass sie in höchster Gefahr schwebten. Im Januar 1939 wurde der Verkauf ihres Anwesens beurkundet. Der Erlös floss auf ein Sperrkonto, so dass Martin Mannheimer keinen Zugriff darauf hatte.
Im März 1939 floh Martin nach Nyons in Frankreich und von dort nach London. Zensi meldete sich im Juli 1939 in Coburg ab und emigrierte ebenfalls in die britische Hauptstadt (Vgl. Schriftliche Mitteilung des Stadtarchivs Coburg an Dr. C. Horn vom 23. 4. 2018).
Bereits im Januar 1940 konnte das Ehepaar von Liverpool in die USA ausreisen. Sie pachteten 1941 eine Farm in Guilford (Connecticut), die sie in den folgenden Jahren bewirtschafteten. 1947 kauften sie zusammen mit Zensis Bruder Heinrich und dessen Frau Alice eine größere Farm in Nineveh im Bundesstaat New York. Heinrich war 1938 die Flucht in die Vereinigten Staaten gelungen (In den USA nannte er sich Henry Richman).
Die Ehe Zensis blieb kinderlos, ihr dreizehn Jahre älterer Mann starb im Januar 1954 an einem Herzinfarkt. 1956 brannte die Farm in Nineveh nieder, worauf Zensi zusammen mit Henry und Alice Richman eine neue Farm in Bainbridge (NY) erwarb.
Zensi war nach Angaben ihrer Verwandten eine sehr kontaktfreudige Person, die auch gerne Reisen unternahm. Auch ihren Geburtsort Trabelsdorf hat sie auf einer Europareise noch einmal besucht, um sich nach dem Schicksal ihrer Eltern zu erkundigen (vgl. Dr. Christa Horn, Biografie Zensi Mannheimer).
Zensi Mannheimer kam im September 1963 in Bainbridge bei einem tragischen Verkehrsunfall ums Leben. Ihr Fahrzeug, an dessen Steuer ihr 17jähriger Neffe Gary Richman saß, kollidierte an einer Kreuzung mit einem anderen Fahrzeug. Bei dem schweren Unfall wurden unter anderem auch Gary, sowie Zensis Schwägerin Alice und ihre Nichte Karen verletzt. Zensi erlag noch an der Unfallstelle ihren Verletzungen. Sie wurde 52 Jahre alt.
Zensis Eltern Gustav und Amalie Reichmannsdorfer wurden Opfer der NS-Gewaltherrschaft. Sie wurden auch noch während der ersten Kriegsjahre von den Nachbarn mit Lebensmitteln und vom Dorfarzt mit Medikamenten unterstützt. Am 22. März 1942 wurden beide aus Trabelsdorf deportiert und mussten am 24.3.1942 in Nürnberg den Zug besteigen, der sie in das Transitghetto Izbiza in der Nähe von Lublin brachte, wo sie nach dem 4. September 1942 ermordet wurden.
Auch Zensis Onkel Isidor und ihre Tante Betty verh. Friedmann (beide Geschwister ihres Vaters) wurden deportiert und ermordet..
Zensis Bruder Henry wurde 86 Jahre alt, er starb 1998 in Bainbridge. Im September 2018 besuchte sein Sohn Eric Richman Trabelsorf, die Heimat seiner Vorfahren. Anlass war die Stolpersteinverlegung für seine ermordeten Großeltern, seinen Vater und seine Tante Zensi.
Quellenangaben
Personalliste Israelitische Kinderheilstätte, Jahrgang 1930 und 1931, Stadtarchiv Bad Kissingen
Dr. Christa Horn, Biografie Zensi Reichmannsdorfer, verh. Mannheimer und die dort verwendeten Quellen, Mail v. 15.02.2024 (Herzlichen Dank an Frau Dr. Horn, deren Informationen über weite Strecken Basis unserer Kurzbiografie sind)
Datenbank Myheritage, Zensi Mannheimer
Datenbank Genicom, Zensi Mannheimer
Datenbank Myheritage, Zensi Mannheimer (geb. Reichmannsdorfer) In Geni Welt-Stammbaum
Datenbank Myheritage, Zensi Mannheimer In New York, Bundesstaat, Todesfälle, 1957 - 1970
Datenbank Myheritage, Zensi Mannheimer (geb. Reichmannsdorfer) In Deutsche Minderheiten-Volkszählung 1939
Datenbank Ancestry, Großbritannien, ausländische Internierte im 2. Weltkrieg, 1939-1945 für Zensi Mannheimer
Datenbank Ancestry, Großbritannien und Irland, Listen abreisender Passagiere, 1890-1960 für Zensi Mannheimer
Datenbank Ancestry, Findagrave, Zensi Mannheimer
Datenbank Ancestry, Oneonta Star, NY, Bainbridge woman dies in auto crash, 23.09.1963
Datenbank Myheritage, Martin Mannheimer In Geni Welt-Stammbaum
Datenbank Genicom, Martin Mannheimer
Datenbank Myheritage, Gustav Reichmannsdorfer In Deutschland, jüdische Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung, 1933-1945
Datenbank Myheritage, Gustav Reichmannsdorfer In Deutsche Minderheiten-Volkszählung 1939
Yad Vashem Zentrale Datenbank der Namen der Holocaustopfer, Gustav Reichmannsdorfer
Datenbank Myheritage, Betti/Betty Friedmann (geb. Reichmannsdorfer) In Geni Welt-Stammbaum
Gedenkblatt Yad Vashem Zentrale Datenbank Vashem, Amalie Reichmannsdorfer
Datenbank Myheritage, Amalia Reichmannsdorfer (geb. Dingfelder) In MyHeritage Stammbäume
Datenbank Myheritage, Heinrich Reichmannsdorfer In Geni Welt-Stammbaum
Datenbank Genicom, Heinrich Reichmannsdorfer
Datenbank Myheritage, Stammbäume Heinrich Reichmannsdorfer
Datenbank Myheritage, Heinrich Reichmannsdorfer
Datenbank Myheritage, Heinrich Reichmansdorfer In Niederlande, Holland-Amerika-Linie, Passagierlisten
Dr. Christa Horn, Stolpersteine Familie Reichmannsdorfer
Alemannia Judaica Trabelsdorf
Wikipedia, Liste der Stolpersteine in Lisberg
Bildnachweise
Zeitungsartikel und Grabsteine © Datenbank Ancestry
Familienfotos, Stolpersteinfoto und Fotos des Wohnhauses © Fotoarchiv Familie Richmann
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