Personendaten


Eva Johanna Weddigen-Hughes, Dr. med.

Nachname
Weddigen-Hughes
Geburtsname
Milch
Vorname
Eva Johanna
Geburtsdatum
25.07.1906
Geburtsort
Breslau
Weitere Familienmitglieder

Eltern: Ludwig Milch und Hedwig geb. Kauffmann
Geschwister: Werner
Ehemänner: Otto Weddigen, Alfred C.P. Hughes

Adresse

Menzelstraße 8 (Sanatorium Apolant)

Beruf/Ämter
Ärztin
Emigration/Deportation

vermutlich 1938/39 emigriert nach England
1942 nach Nigeria ausgewandert
1945 nach New York ausgewandert

Sterbeort/Sterbedatum
New York - 15.01.1994

Biografie


Dr. Eva Johanna Weddigen-Hughes lebte nur kurze Zeit in Bad Kissingen. Sie schloss hier im Sanatorium Apolant ihre Ausbildungszeit als Assistenzärztin ab.

Eva Johanna Weddigen-Hughes stammte aus einer angesehenen, hochgebildeten jüdischen Familie in Breslau. Sie kam dort im Juli 1906 als Tochter von Ludwig Milchexterner Link (1867 - 1928) und dessen Ehefrau Hedwig geb. Kauffman (1874 -1909) zur Welt und hatte noch einen älteren Bruder Wernerexterner Link (1903 - 1950). Ihr Vater war Geologe und Mineraloge. Er übernahm 1917 den Lehrstuhl für Mineralogie an der Universität Breslau und war zwischen 1922 und 1924 Dekan der philosophischen Fakultät. Außerdem war er Mitglied des Breslauer Stadtrats. Die Familie hatte sich von der jüdischen Religion gelöst, bereits Evas Eltern gehörten der evangelischen Kirchengemeinde an.

Evas Bruder Werner studierte Literaturwissenschaften und neuere Sprachen, und seine Schwester begann in Berlin ein Medizinstudium. Dort lernte sie um 1930 ihren ersten Ehemann Otto Weddigen kennen, der 1903 in Köln geboren war, aber schon wenige Jahre später mit seinen Eltern nach Breslau gezogen war. Beide legten das Staatsexamen ab und promovierten. Der aufkommende Nationalsozialismus warf jedoch schon bald seine Schatten voraus. Er gefährdete die berufliche Zukunft und belastete sicher auch die persönlichen Beziehung zwischen beiden. Ihre wechselvolle, komplizierte Beziehung beschreibt Otto Weddigen in seinen persönlichen Erinnerungen "Meine jüdischen Freunde" externer Link- natürlich aus seiner subjektiven Perspektive.

Meine juedischen Freunde Otto Weddigen Meine juedischen Freunde Otto Weddigen, 61 KB

Die Harmonie zwischen ihnen war nie von Dauer und wurde immer wieder durch Differenzen und Konflikte gestört, so dass sie zunächst auch nicht an eine Heirat dachten.

Und eines Tages erhielt Otto Weddigen von der Ärztekammer einen Warnungsbrief, in dem man ihm vorwarf, dass er „ mit der jüdischen Ärztin E.J. Milch freundschaftliche Beziehungen" habe, „was nicht erwünscht sei". „Nun wurde die Sache kritisch. Ich kündigte die Stellung die ich hatte, unter dem Vorwand, dass ich eine Schiffarztstelle annehmen wolle. Eva wurde in ihrer Stellung gekündigt. Nun hatten wir beide Ruhe, aber keine Positionen". Alle Versuche, eine neue Anstellung zu finden blieben zunächst erfolglos, auch eine mögliche Auswanderung fassten beide ins Auge, doch davor schreckte Evas Ehemann zurück: „Auswandern war für mich ein schrecklicher Gedanke, weil ich mit allen Fasern an der schlesischen Landschaft, meiner Mutter und den dort lebenden Freunden hing. Eine Trennung aber wäre mir wie ein Verrat an Eva erschienen". Schließlich fanden sie eine gemeinsame Lösung: Man beschloss, nach Agnetendorf ins Riesengebirge ziehen und dort eine Arztpraxis eröffnen. Dort existierte auch ein jüdisches Kinderheim, das den Kreis potentieller Patienten erweiterte.

Da Heiraten von Juden mit Nichtjuden mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten immer schwieriger wurden, beschlossen Eva und Otto möglichst rasch zu heiraten - bevor solche Ehen gesetzlich verboten würden - trotz ihrer grundsätzlichen Bedenken vor einer Ehe und ließen sich im Oktober 1933 vor dem Standesamt Wiesbaden trauen. 

Auch wenn Eva Weddigen in Agnetendorf zunächst Schwierigkeiten hatte, sich mit der neuen Lage zurechtzufinden, so war sie doch als Ärztin sehr angesehen, wie sich ihr Mann erinnert: „In den Monaten während derer sie an meiner Stelle die Praxis in Agnetendorf alleine versorgte, hatte sie sich bei der Bevölkerung einen ungewöhnlich guten Ruf erworben, trotzdem man inzwischen wusste, dass sie jüdischer Abstammung war. Auch eingefleischte Parteigenossen wie zum Beispiel der Ortsgruppenleiter der NSDAP gingen vertrauensvoll zu ihr oder schickten ihr ihre Frauen als Patientinnen.... Man sah sie nicht als Jüdin an und sie selbst verstand natürlich auch gar nicht, dass sie den Leuten fremd zu sein hatte, sie fühlte sich ihnen zugehörig, lehnte es also auch keineswegs ab, Versammlungen der NS-Frauenschaft zu besuchen…"

In Agnetendorf lebte auch Gerhard Hauptmann, zu deren Bekanntenkreis die Weddigens gehörten. 

Die Beziehung zwischen Eva und ihrem Mann blieb auch weiterhin konfliktbeladen und angespannt: „Mit Eva gab es weiterhin schreckliche Differenzen und Missverständnisse... Wie Eva und ich vor der Heirat nicht gewusst hatten, ob heiraten oder nicht, wussten wir jetzt nicht, ob wir uns trennen sollten oder nicht..." Eine mögliche Trennung von Eva empfand Otto als "Treuelosigkeit", ein Zusammenbleiben mit ihr wegen der unendlichen Reibereien als "Dummheit".

In den darauffolgenden Jahren hielt sich Eva Weddigen zwischenzeitlich auch in Hamburg am Tropeninstitut und in Bad Kissingen im Sanatorium Apolant auf und legte dort ihre Ausbildungszeit als Assistenzärztin ab. Erstmals kam sie im April 1937 aus Agnetendorf in die fränkische Kurstadt und blieb bis Ende Oktober, und auch im darauffolgenden Jahr praktizierte sie noch einmal als Ärztin im Sanatorium Apolant. Anfang September 1938 meldete sie sich nach Breslau ab. Im Jahr 1938 erfolgte auch die endgültige Trennung und Scheidung von Otto Weddigen.

Spätestens ein Jahr später emigrierte Eva Weddigen nach England. Sie arbeitete als Hebamme an einer Entbindungsklinik in Birmingham und ging von dort 1942 nach Nigeria, wo sie, wie es schon immer ihr Wunsch war, in einem Dorf ähnlich Lambarene als Missionsärztin tätig war. Dort lernte sie ihren zweiten Ehemann, den 15 Jahre älteren Alfred C.P. Hughes kennen und schätzen, einen Engländer, der die Lebensmittelversorgung des Ortes organisierte. Eva zog sich eine Malariainfektion zu und musste deshalb Afrika verlassen. Im Dezember 1945 wanderte sie nach New York aus, wo sie Alfred C.P. Hughes 1952 heiratete.

Auch ihrem Bruder Werner, der während des Novemberpogroms ins KZ Sachsenhausen verschleppt worden war, wenige Tage später aber wieder freigelassen wurde, gelang mit seiner Frau die Flucht nach England. Nach dem Krieg kehrte er nach Deutschland zurück und wurde 1949 gegen die Widerstände in der Fakultät auf die Professur für deutsche und vergleichende Literaturgeschichte an der Universität Marburg berufen.

Eva war auch in den USA im karitativen Sanitätsdienst als Ärztin tätig. Sie starb im Januar 1994 in New York im Alter von 87 Jahren, ihr Mann Alfred war mit 100 Jahren im Oktober 1991 gestorben.
 


Quellenangaben


Bildnachweise


Foto Ludwig Milch © Archiv der Universität Breslau, Inv.-Nr. S-168/402 entnommen Wikipedia-Artikel Ludwig Milchexterner Link
Todesanzeige Hedwig Milch © Datenbank Myheritage Hedwig Philippine Milch (geb. Kauffmann)externer Link
Foto Werner Milch © Datenbank Myheritageexterner Link
Foto Eva Weddigen Hughes © Datenbank Familysearchexterner Link
Foto Otto Weddigen © Website Die Weddigensexterner Link
Foto Grabstein © Datenbank Findagraveexterner Link



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