Personendaten


Reis Martin

Nachname
Reis
Vorname
Martin
Geburtsdatum
30.11.1912
Geburtsort
Bad Neustadt
Weitere Familienmitglieder

Eltern: Heinrich Reis und Betty geb. Walter
Geschwister: Trude, Käthie verh. Schreiber, Cilly verh. Lorch, Irma

Adresse

Promenadestraße 13 (bei Oskar Eisenburg)

Beruf/Ämter
Landarbeiter
Emigration/Deportation

inhaftiert im jüdischen Forsteinsatzlager Kersdorf
April 1943 deportiert ins Vernichtungslager Auschwitz und ermordet
 

Sterbeort/Sterbedatum
Auschwitz - genaues Todesdatum unbekannt

Biografie


Martin Reis lebte nur kurze Zeit in Bad Kissingen und war in dieser Zeit bei Oskar Eisenburg in der Promenadestraße beschäftigt.

Er kam im November 1912 als Sohn des in Poppenlauer geborenen Heinrich Reis und dessen aus Hildburghausen stammender Ehefrau Betty geb. Walter (*1871) in Bad Neustadt zur Welt und wuchs mit vier Schwestern auf. Seine ältere Schwester Käthie wurde 1905 noch in Poppenlauer geboren. Spätestens 1908 wohnte die Familie in Bad Neustadt, wo Cilly zur Welt kam. Außerdem hatte Martin noch eine ältere Schwester Gertrud (Trude) und eine Zwillingsschwester Irma.

Martins Vater Heinrich (*1870) war Viehhändler und diente als Soldat im Ersten Weltkrieg. Martin Reis besuchte sechs Jahre die Volkschule und zwei Jahre die Oberrealschule. Sein Vater starb schon bald, und möglicherweise führte Martin zunächst den Viehhandel seines verstorbenen Vaters weiter. Zumindest gab er 1935 bei einer Bewerbungexterner Link für eine Hachscharaexterner Link-Ausbildung als Berufsbezeichnung „Viehhändler" an.  Offensichtlich wollte er sich zu diesem Zeitpunkt auf die Auswanderung nach Palästina vorbereiten. Das „Wohlfahrts- und Jugendamt des Verbandes Bayerischer Israelitischer Gemeinden" unterstützte ihn bei diesen Bemühungen und schlug ihn für eine landwirtschaftliche und gärtnerische Ausbildung vor oder für den Bereich der Krankenpflege. Martin Reis bekam einen Ausbildungsplatz, er brach die Ausbildung aber vorzeitig ab und begann an der israelitischen Gartenbauschule Ahlem externer Linkeine Ausbildung. Aber auch hier hielt es ihn nicht lange, ihm fehlte auch nach Einschätzung der Bad Neustädter Kultusverwaltungexterner Link die nötige Ausdauer. 1936/1937 erwog er auch eine Auswanderung mit Hilfe der JCA (Jewish Colonization Associationexterner Link).  

Obwohl sich Martin Reis immer wieder bemühte, gelang es ihm nicht, eine dauerhafte Beschäftigung und ein geregeltes Einkommen zu finden. Deshalb konnte er auch seine Mutter nicht finanziell unterstützen. Betty Reis war inzwischen völlig mittellos und verarmt, da auch ihre vier Töchter in anderen Städten lebtenexterner Link und ihr finanziell nicht halfen.      

Im Mai 1937 zog Martin Reis erstmals nach Bad Kissingen und war bei Oskar Eisenburg in der Promenadestraße angestellt, Ende August kehrte er wieder in seine Heimatstadt zurück. Auch im folgenden Jahr war er von März bis Ende Oktober wieder bei Eisenburg beschäftigt. Die Anstellung bei Familie Eisenburg blieb jedoch nur eine kurze Episode, weil die Eisenburgs im November 1938 Bad Kissingen verließen und wenige Monate später emigrierten. Martin Reis meldete sich im Oktober 1938 nach Mörfelden (heute im südhessischen Landkreis Groß-Gerau)  ab. 

Laut Deutscher Minderheiten-Volkszählung 1939 wohnte Martin Reis im Mai 1939 in Frankfurt/Main. Im April 1943 wurde er im jüdischen Forsteinsatzlager Kersdorf externer Link(Ortsteil von Briesen im Bundesland Brandenburg) inhaftiert und zusammen mit 52 weiteren Zwangsarbeitern aus dem Lager am 19.04.1943 mit dem „37. Osttransport“ nach Auschwitz deportiert und ermordet.

Im Arolsen-Online-Archiv findet sich ein Häftlingspersonalbogenexterner Link mit weiteren Angaben zu Martin Reis, die aber teilweise widersprüchlich erscheinen und nicht mit Sicherheit verifizierbar sind. In dem Dokument wird als Familienstand „ledig" vermerkt, gleichzeitig jedoch die aus Hildburghausen (Thüringen) stammende Gertrude Heim als Ehefrau angegeben, mit dem Hinweis „Mischehe" und „Taufe".

Martins Mutter Betty musste im August 1942 von Bad Neustadt ins jüdische Altersheim in Würzburg in der Dürerstraße ziehen. Einen Monat später wurde sie nach Theresienstadt und im Mai 1944 ins Vernichtungslager Auschwitz deportiert und ermordet.  

Martins ältere Schwester Käthie wohnte seit spätestens 1936 in Frankfurt. Sie heiratete im Juli 1939 den in Frankfurt geborenen Heinrich Schreiber (1903 - 1941). Im November 1939 wurde ihr Mann im KZ Sachsenhausen inhaftiert. Im August 1941 wurde er ins KZ Ravensbrück verlegt. Wenige Wochen später, am 30. Oktober 1941, fand er dort den Tod. Käthie Schreiber wurde am 22. November 1941 nach Kaunas in Litauen deportiert und nach ihrer Ankunft dort ermordet.

Im selben Transport wurden auch Martins Zwillingsschwester Irma und seine ältere Schwester Cilly (1908 - 1941) mit ihrem Mann Josef Lorch (1896 - 1941) deportiert und am selben Tag, dem 25. November 1941, ermordet. Irma lebte einige Jahre in Bad Brückenau und fand dort im Modegeschäft der Geschwister Bertha und Paula Spier eine Anstellung, bevor sie nach Frankfurt zog. Und Cilly Reis wohnte spätestens Ende 1936 ebenfalls in Frankfurt in der Melemstraße 20.

Das Schicksal von Trude (Gertrud) Reis ist bislang noch ungeklärt. Sie lebte im Januar 1937 in Bad Homburg und war bei Dr. Eric Rosenthal angestellt.[1]

Es ist eine erschütternde Tatsache, dass fast die vollständige Familie Martin Reis' durch den Rassenwahn der Nationalsozialisten ausgelöscht wurde. Sein Vater war bereits in früheren Jahren gestorben, die übrigen Familienmitglieder wurden in den NS-Vernichtungslagern ermordet.

Fußnote

  1. ^ Dass es sich bei ihr um die 1902 in Würzburg geborene Gertrud Reis handelt, ist eine Vermutung, für die aber sichere Belege fehlen. Diese heiratete 1936/37 den aus Mörfelden stammenden Adolf Reiß (Reiss) (1902 - 1942). Zusammen mit ihrer 1937 geborenen Tochter Ingeborg wurden sie am 25. März 1942 von Darmstadt aus nach Piaski deportiert und ermordet.


Quellenangaben


Meldeakten der Stadt Bad Kissingen
Bundesarchiv Koblenz, Martin Reisexterner Link
Arolsen Archives, 1 Inhaftierungsdokumente / 1.1 Lager und Ghettos / 1.1.2 Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz / 1.1.2.6 Dokumentation aus dem Archiv des Staatlichen Museums Auschwitz-Birkenau / Häftlingspersonalbogen KL Auschwitz /Martin Reisexterner Link
Arolsen Archives, Welle 52 - 37. Osttransport in das KL Auschwitz, 19.04.1943externer Link
Datenbank Myheritage, Martin Reis In Deutsche Minderheiten-Volkszählung 1939externer Link
Datenbank Mapping The Lives, Martin Reisexterner Link
Datenbank Myheritage, Martin Reis In Deutschland, jüdische Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung, 1933-1945externer Link
Ortschronik Briesen (Mark)externer Link
Datenbank Ancestry, Martin Reis in der Sammlung Polen, Zwangsarbeiter in Auschwitz, 1941-1944externer Link
Datenbank Ancestry, Heinrich Reis in der Sammlung Kriegsranglisten und -stammrollen des Königreichs Bayern, 1. Weltkrieg 1914-1918externer Link
Findmitteldatenbank/Jüdische Gemeindearchive in Bayern/Gemeinden in Unterfranken/Distriktsrabbinat Bad Kissingen/Akten zu den einzelnen Kultusgemeinden/Rabbinatsakten Bad Neustadt/Saale betr./ Blatt 232, 269, 323 und insbesondere 362, 363externer Link, 382
Bundesgedenkbuch Koblenz, Betty Reisexterner Link
Datenbank Mapping The Lives, Betty Reisexterner Link
Datenbank Myheritage, Betty Reis (geb. Walter) In Deutsche Minderheiten-Volkszählung 1939externer Link
Datenbank Ancestry, Betty Reiss in der Sammlung Würzburg, Deutschland, deportierte Juden, 1941-1943externer Link
Datenbank Ancestry, Stammbaum Jewish Saar (rupertle), Käthe Reisexterner Link
Datenbank Ancestry, Stammbaum Jewish Saar (rupertle) Heinrich Chaim Schreiberexterner Link
Datenbank Ancestry, Käthe Schreiber in der Sammlung Europa, Registrierung von Ausländern und deutschen Verfolgten, 1939-1947externer Link
Arolsen Achives, Heinrich Schreiberexterner Link
Arolsen Archives, 1 Inhaftierungsdokumente / 1.1 Lager und Ghettos / 1.1.35 Konzentrationslager Ravensbrück / 1.1.35.2 Individuelle Unterlagen Ravensbrück / Individuelle Häftlingsunterlagen - KL Ravensbrück / Akten mit Namen ab SCHÄFER / externer Link
Arolsen Archives, Käthie Schreiber, externer Link1 Inhaftierungsdokumente / 1.2 Verschiedenes / 1.2.1 Deportationen und Transporte / 1.2.1.1 Deportationen / Deportationen aus dem Gestapobereich Frankfurt am Main / Deportation von Frankfurt/Main nach Kaunas, 22.11.19externer Link 
Arolsen Archives, Heinrich Schreiber, 1 Inhaftierungsdokumente / 1.1 Lager und Ghettos / 1.1.38 Konzentrationslager Sachsenhausen / 1.1.38.1 Listenmaterial Sachsenhausen / externer Link
Datenbank Myheritage, Cilly Lorch geb. Reisexterner Link
Datenbank Ancestry, Cilly Lorch in der Sammlung Global, Find A Grave-Index für Nicht-Bestattungen, Bestattungen zur See und andere ausgewählte Bestattungsorte, 1300er Jahre bis heuteexterner Link
Datenbank Mapping The Lives, Cilly Lorch geb. Reisexterner Link
Datenbank Ancestry, Josef Israel Lorch in der Sammlung Europa, Registrierung von Ausländern und deutschen Verfolgten, 1939-1947externer Link
Datenbank Ancestry, Joseph Lorch in der Sammlung Global, Find A Grave-Index für Nicht-Bestattungen, Bestattungen zur See und andere ausgewählte Bestattungsorte, 1300er Jahre bis heuteexterner Link
Arolsen Archives, Josef Lorchexterner Link
Bundesgedenkbuch Koblenz, Josef Lorchexterner Link
Datenbank Mapping The Lives, Irma Reisexterner Link
Bundesgedenkbuch Koblenz, Irma Reisexterner Link
Datenbank Myheritage, Gertrud Gertrude Trude Reis In Deutschland, jüdische Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung, 1933-1945externer Link
Stolpersteine Mörfelden, Alfred, Gertrud und Ingeborg Reisexterner Link

Den Hinweis auf Martins Schwester Käthie und die Poppenlauer Herkunft der Familie verdanke ich Hans-Jürgen Beck und Klaus Bub, Mail v. 12. Juni 2025



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