Personendaten


Jordan Paula

Nachname
Jordan
Geburtsname
Frank
Vorname
Paula
Geburtsdatum
17.05.1889
Geburtsort
Steinach
Weitere Familienmitglieder

Eltern: Lazarus und Clara geb. Ansbacher
Geschwister: Julius, Thea, Elsa, Nathan (Hans), Irma verh. Dehler
Ehemann: Siegfried Fritz Jordan
Kinder: Peter

Adresse

Erhardstraße 21 (heutige Zählung)

Beruf/Ämter
Emigration/Deportation

November 1941 deportiert von München nach Litauen

Sterbeort/Sterbedatum
Kowno (Kauen) Fort IX - 25.11.1941

Biografie


Paula Jordan geb. Frank stammte aus einer Steinacher Viehhändlerfamilie. Sie kam am 17. Mai 1889 als erstes von sechs Kindern zur Welt. Paula und ihr Zwillingsbruder Julius wurden in den katholischen Kindergarten von Steinach geschickt, der von Nonnen geleitet wurde.

Im Jahr 1905 zog die Familie nach Bad Kissingen in die Erhardstraße, was besonders Mutter Clara und ihre Töchter mit Begeisterung aufnahmen, weil sie sich auf die neue repräsentative Wohnung und das vielfältige kulturelle und gesellschaftliche Leben in der Kurstadt freuten. Julius beschreibt Paula als „eine Naturbegabung im Tanzen, obwohl sie nie irgendwelche Stunden genommen hatte. Sie glänzte beim Walzer, was damals der beliebteste Tanz war [...]. Jeder schien sie zu mögen. Was ihre Beliebtheit noch steigerte, war ihr hervorragendes schauspielerisches Talent. Man bat sie, Rollen in Stücken zu übernehmen, die von Scribe bis Ibsen reichten. Sie rezitierte oft Gedichte wie Heines ‚Nachtgedanken‘ und Goethes ‚Die Braut von Korinth‘“ (Julius Frank, Erinnerungen, S.52).

Während des Ersten Weltkriegs war Paula im Bad Kissinger Lazarett als Krankenschwester tätig und verliebte sich in einen nichtjüdischen Arzt, die Beziehung ging aber - wohl vor allem wegen der ablehnenden Haltung ihres streng jüdischen Vaters - auseinander.

Im Dezember 1921 heiratete Paula Frank den Münchner Kunsthändler Siegfried Jordan, der eine Galerie in der Prinzregentenstraße gegenüber dem Haus der Kunst besaß. Zusätzlich stellte er Bilder in Kurbädern von Bad Kissingen, Karlsbad, Marienbad bis Norderney, aus. Deshalb hielt er sich während der Sommersaison auch häufig in der fränkischen Kurstadt auf. Siegfried Jordan war - trotz seiner hageren Erscheinung - das, was man einen waschechten, typischen Bayern nennt. Er liebte es besonders, Ausflüge mit dem Rad zu machen und Ski zu fahren. Seine Frau Paula interessierte sich wie viele ihrer Geschwister für Kunst, klassische Musik und Literatur. 1923 kam ihr einziger Sohn Peter zur Welt. 

In einem Interview mit der Shoa Foundation aus dem Jahre 1998 beschreibt dieser die Atmosphäre in seinem Elternhaus als nicht sehr religiös, die Synagoge habe man nicht regelmäßig besucht, aber die meisten Freunde der Familie seien jüdisch gewesen. Peter Jordan erinnert sich an Sommerspaziergänge mit seiner Mutter als kleiner Junge. Seine Mutter, die sehr gebildet und belesen war, habe ihm die Liebe zur deutschen Literatur und zur klassischen Musik vermittelt. Seine stärkste Erinnerung an seinen Vater war das Skifahren in den Alpen; sein Vater sei ein rasanter Skifahrer gewesen, der die Berge geliebt habe (Jordan, Peter. Interview 43770. Interview by Marilyn Brummer. Visual History Archive, USC Shoah Foundation, 03 May 1998. https://vha-1usc-1edu-1vd5a2vh4017c.proxy.fid-lizenzen.de/testimony/43770. Accessed 19 Apr 2024. externer Link).

Obwohl sich die Lage nach Beginn der NS-Herrschaft zunehmend verschlimmerte, wollte Siegfried Jordan nicht fliehen. 1937 sahen sich die Jordans zur Aufgabe ihrer Galerie gezwungen. Denn Kunsthändler mussten jetzt Mitglied der "Reichskulturkammer" sein, was Juden nicht möglich war. Nach der Pogromnacht 1938 wurden ihre Möbel unter dem Vorwand des „Schutzes von deutschem Kulturgut“ wie die Möbel vieler deutschen Juden beschlagnahmt. Siegfried Jordan wurde mehrere Tage im KZ Dachau inhaftiert. Im Mai 1939 schickte das Ehepaar Jordan seinen 15-jährigen Sohn Peter nach London. Peters Onkel Nathan Frank und Leon Blum, ein Freund seiner Eltern, der kurz vorher emigriert war, halfen ihm bei der Auswanderung. Leon Blum bestach den englischen Konsul in München und kaufte für 1000 Mark ein Visum für Peter Jordan nach England. Siegfried und Paula Jordan versprachen ihrem Sohn, sobald es ginge, nach England nachzukommen. Aber es kam nicht dazu.

Im April 1940 mussten die Jordans ihre Wohnung verlassen und sich mit einer anderen Familie eine Wohnung in einem sogenannten „Judenhaus“ in der Reitmorstraße teilen. Am 20. November 1941 wurden die Jordans von München in ein Barackenlager in Milbertshofen gebracht. Von dort aus sollten sie nach Riga deportiert werden, das sie jedoch nie erreichen sollten, da sie am 25. November 1941 in Kowno (Kauen/Litauen) erschossen wurden.

Peter Jordan (1923 - 2020) äußerte sich 2004 in einem Interview über die zurückhaltenden Ausreisebemühungen seiner Eltern: „Der Gedanke an Emigration spielte in unserer Familie natürlich eine Rolle. Mein Vater fuhr schon 1936 mal nach England, um sich zu erkundigen und umzuschauen. Meine Mutter war sehr dafür, dass wir als Familie emigrieren sollten. Aber er hatte sich diese Lebensart geschaffen in Deutschland, er hatte das, was er als schöne Wohnung betrachtete. Ich nehme an, dass er deutsche Freunde hatte, die ihm sagten: `Bleib da, es wird nicht so schlimm enden ´, und dass er auf die hörte. Meine Mutter war immer dafür, dass wir weg sollten. Aber, wie gesagt, er fühlte sich komischerweise als Bayer, und dachte, es könnte ihm nichts geschehen. Es gab jüdische Freunde, die dazu rieten, jetzt möglichst schnell zu emigrieren. […] Ich kann es eigentlich nicht verstehen, warum sie [gemeint sind seine Eltern] es nicht stärker versucht haben, als sie es taten. Ich kann mir nur denken, dass mein Vater sich noch irgendwie daheim fühlte und etwas Angst hatte, im Alter von fünfzig wieder irgendwo neu anfangen zu müssen“ (Kastner, Wolfram (Hrsg.): Auf einmal da waren sie weg ... Zur Erinnerung an Münchner Juden – ein Beispiel, das zur Nachahmung anregen könnte, Stamsried 2004, S.112).
 

230_Siegfried Jordan

230_Siegfried, Peter und Paula Jordan beim Skifahren
Siegfried, Peter und Paula Jordan beim Skifahren


Quellenangaben


Anya Deubel und Lucia Hundt, Schülerinnen, 2004, nach einem Interview mit Ursula Gebhardt für das Ausstellungsprojekt zu jüdischem Leben in Bogenhausen und Dokumentation „auf einmal da waren sie weg ...“externer Link
Gedenkbuch Bundesarchiv Koblenzexterner Link
Yad Vashem Zentrale Datenbank…externer Link
Hans-Jürgen Beck, Kissingen war unsere Heimat, Stand April 2017, S.878ff
Julius Frank, Erinnerungen, S. 52
Ilse Macek, Ausgerenzt, entrechtet, deportiert, Schwabing und Schwabinger Schicksale S. 472

Bildnachweise


Porträtfoto © Michael Hansch 
beim Skifahren © Michael Hansch
weitere Fotos © Peter Jordan



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