Personendaten
Heymann Gerhard
Eltern: Hartwig Heymann und Leni geb. Rosner
Ehefrau: Joan
Kinder: David, Judy verh. Kazan
Erhardstraße 23 (heute 18)
1934 Emigration nach Cleveland/USA (Kindertransport)
Biografie
Gerhard Heymann wurde am 18. März 1923 als Sohn des Kissinger Textilkaufmanns Hartwig Heymann und seiner Frau Leni geb. Rosner in Bad Kissingen geboren.
Er besuchte hier die Volkschule und ab Mai 1933 die Kissinger Realschule. Gerhards Klassleiter stellte ihm ein gutes Zeugnis aus: „Fleiß und Betragen waren recht lobenswert, das Betragen hervorragend.“ Dennoch muss die Aufnahme eines jüdischen Schülers zu diesem Zeitpunkt schon gewisse Schwierigkeiten bereitet haben, denn im August 1933 sah sich sein Vater Hartwig Heymann gezwungen, gegenüber dem Direktorat der Realschule auf seine Teilnahme am Ersten Weltkrieg und seine schwere Kriegsverletzung hinzuweisen. Gerhards Eltern blieben zunächst trotz der zunehmenden Boykottmaßnahmen der NS-Politik gegen jüdische Geschäfte in Deutschland, schickten jedoch ihren damals elfjährigen Sohn Mitte November 1934 mit einem Kindertransport von Hamburg nach Cleveland/USA, wo er zunächst in einer jüdischen Pflegefamilie untergebracht wurde. Seine Eltern wollten ihn nicht den Gefahren, Risiken und Beeinträchtigungen aussetzen, die ein Bleiben in Deutschland mit sich bringen konnte. Im Zweiten Weltkrieg kämpfte Gerhard Heymann als Kriegsfreiwilliger in der US-Army gegen Hitler. Es gelang ihm auch Kontakt zu seinen Eltern aufzunehmen, die nach abenteuerlichen Fluchterlebnissen ins Ausland emigrieren konnten. Über ihren Sohn Gerhard konnten auch Hartwig, der nach Trinidad geflohen war, und seine Frau Leni, die im Exil in England lebte, in Kontakt kommen. Nach über zehn Jahren traf Gerhard Heymann in England, wohin er zur weiteren militärischen Ausbildung verlegt worden war, seine Mutter in einem Restaurant des amerikanischen Lagers. Aber die Freude des Wiedersehens währte für Mutter und Sohn nicht lange. Gerhard Heymann wurde auf das Festland verlegt. Und so versuchte Leni Heymann, zu ihrem Mann nach Trinidad zu gehen, was ihr aber auf Grund des Krieges verwehrt blieb. Erst sieben Monate nach Ende des Zweiten Weltkrieges bot sich Leni Heymann die Möglichkeit, zu ihrem Mann zu reisen. Gerhard Heymann hatte eine Einreisegenehmigung für seine Eltern erwirkt. Nach den bitteren Erfahrungen der Heymanns - die Großeltern Gerhards wurden Opfer der Shoa in Theresienstadt - entschloss sich die Familie, in Amerika zu bleiben. Die Heymanns ließen sich in Albany Berkeley in der Nähe von San Francisco nieder und wurden amerikanische Staatsbürger.Gary Heymann studierte in den USA Psychologie mit Schwerpunkt Kinderpsychologie und war war lange Zeit als promovierter Psychologe tätig. Im März 1950 heiratete er Joan Snapper, mit der er zwei Kinder hatte. Die Familie lebte später in Arizona.
Gary Heymann starb im November 2016 im Alter von 93 Jahren, seine Frau Joan war bereits im Dezember 2013 gestorben. Ihre Tochter Judy beschreibt ihren Vater Gary als "freundliche[n], fürsorgliche[n], rücksichtsvolle[n], äußerst liebevolle[n] Mensch[en], weltoffen, vorurteilsfrei, engagiert, er liebte die Tiere und die Natur." (Mitteilung Judy Heymann Kazan (USA), E-Mail vom 27.12.2016 an Hans-Jürgen Beck).
Trotz der frühen Emigration und des großen Leids, das seine Familie in der NS-Zeit erfahren hat, fühlte er sich seiner Geburtsstadt Bad Kissingen immer noch sehr verbunden: „Ich kann mich“, so Gary Heymann in einem Brief vom Mai 2012, „immer noch an alles in meiner Heimatstadt gut erinnern, an jede Straße, jedes Gebäude, jeden Weg, an die Landschaft, die Teil meiner frühen Kindheit waren. All dies erlebte ich bei einem kurzen Besuch nach Ende des Kriegs wieder und ein weiteres Mal in den frühen 70er Jahren, als Joan und unser Sohn David mich begleiteten, um selbst zu sehen, woher ich kam. Die `Villa Adele ́ stand zu dieser Zeit noch und nicht allzu viel hatte sich im Großen und Ganzen im Stadtbild und der Umgebung verändert.“
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Quellenangaben
leicht geänderter Textauszug aus: H.J. Beck: Kissingen war unsere Heimat, Stand April 2017, S.922ff)
Schülerakte Jack-Steinberger-Gymnasium
Bildnachweise
Personenfotos © Judy Heymann Kazan (weitergeleitet von Hans-Jürgen Beck)
Postkarte "Villa Adele" © Katharina Bambach
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