Personendaten


Kahn Siegfried, Dr.

Nachname
Kahn
Vorname
Siegfried
Geburtsdatum
07.05.1885
Geburtsort
Darmstadt
Weitere Familienmitglieder

Eltern: Isaak Kahn und Klara geb. Hellmann
Geschwister: Julius, Frieda, Selma verh. Reichenberger
Ehefrau: Paula geb. Billigheimer

Adresse

Kurhausstraße 14/Ludwigstraße 19 (heute 22)/Kurhausstraße 19 (frühere Zählung)

Beruf/Ämter
Facharzt für innere und Nervenheilkrankheiten - Leitender Arzt des Sanatoriums "Esplanade"
Emigration/Deportation

März 1939 emigriert in die Niederlande

Sterbeort/Sterbedatum
Amsterdam - 19.03.1955

Biografie


Siegfried Kahn kam am 7. Mai 1885 als drittes von fünf Kindern des Lederhändlers Isaak Kahn und dessen Frau Klara geb. Hellmann in Darmstadt zur Welt.

Sein Vater starb bereits im Mai 1893 und Klara Kahn zog 1904 nach Karlsruhe, wahrscheinlich mit Siegfrieds jüngeren Geschwistern, wo auch ihre älteste Tochter Selma, inzwischen verheiratet mit Professor Siegfried Reichenberger, bereits sesshaft geworden war (vgl. Meldekarte und Informationen Stadtarchiv Darmstadt, Mail vom 17.10.2018). Siegfried Kahn studierte in München Medizin, um Arzt zu werden. Über seine nächsten Lebensjahre ist nur wenig bekannt. Im Ersten Weltkrieg war er die gesamten Kriegsjahre als Stabsarzt im Einsatz und schied im Januar 1919 als Oberarzt aus dem Heer aus. Er erhielt mehrfach Auszeichnungen, unter anderem das EK II und den bayerischen Verdienstorden.

Erstmals in Bad Kissingen gemeldet ist er im April 1920, zugezogen aus Kiel. Er praktizierte zwischen 1920 und 1930 in den Sommermonaten während der Kursaison als leitender Arzt im Sanatorium "Esplanade" in der fränkischen Kurstadt, im Winter hielt er sich in verschiedenen Städten auf, zumeist in Karlsruhe bei seiner Familie und in München, seinem früheren Studienort. Dort hat er wohl auch seine spätere Ehefrau, die Münchner Fabrikantentochter Paula Billigheimer kennen gelernt. Sie war wie ihr Mann promovierte Akademikerin - Dr.rer. pol. - sicherlich in der damaligen Zeit ein ungewöhnlicher Bildungsgrad für eine Frau. Die beiden heirateten im September 1925. Von März 1930 bis Juli 1934 praktizierte Dr. Kahn dauerhaft in Bad Kissingen und wohnte in der Kurhausstraße 19. Im Adressbuch von 1925/27 ist er als Arzt für „innere und Nervenkrankheiten [in der] "Villa Palatia" Kurhausstraße 14“ aufgeführt.

Das Jahr 1933 brachte für Siegfried Kahn privat schwere Schicksalsschläge, im Juli starb seine erst 40jährige Frau und im November verstarb seine Mutter in Karlsruhe. Im Juli 1934 verließ Dr. Kahn daraufhin die Badestadt. Er zog nach Karlsruhe und scheint dort aus gesundheitlichen Gründen bald in den Ruhestand getreten zu sein. Wie schwierig die Situation nach den „Nürnberger Gesetzen“ für ihn werden sollte, zeigt sein vergebliches Bemühen, die Entlassung seiner nichtjüdischen Haushaltsangestellten, auf deren Unterstützung er angewiesen war, zu verhindern. Der inzwischen 50jährige, alleinstehende und wegen seiner Lähmung an den Rollstuhl gefesselte Arzt im Ruhestand richtete 1936 ein Gesuch an die „Präsidialkanzlei des Führers“, in dem er mit Hinweis auf seine Notlage eine Befreiung seiner Hausangestellten vom Beschäftigungsverbot für „arische“ Hausangestellte unter 45 Jahren beantragte. Ein vergebliches Unterfangen - auch der Hinweis auf seine vierjährige Teilnahme am Ersten Weltkrieg und die verliehenen Orden sowie ein unterstützendes Gutachten des Krankenhaus-Direktors Dr. Hugo Starcks konnten die Entlassung von Kahns Pflegerin nicht verhindern (vgl. Josef Werner, Hakenkreuz und Judenstern - Das Schicksal der Karlsruher Juden, S.131).

Kurz vor Kriegsbeginn im März 1939 gelang Dr. Kahn noch die Flucht in die Niederlande. Im Auswanderungsantrag erklärte Siegfried Kahn, dass er zu seinem Bruder Julius, der in den Niederlanden lebte, auswandern wolle. Siegfried Kahn überlebte die NS-Zeit und starb am 19. März 1955 in Amsterdam (Personendaten Siegfried Kahn, Information Stadtarchiv Karlsruhe, 10.10.2018). Wo und wie es ihm gelang zu überleben, ist nicht bekannt.

Siegfrieds älterer Bruder Julius, der seit 1908 mit einer Niederländerin verheiratet war, lebte offensichtlich seit den 1920er Jahren in Amsterdam und war dort Vorstand der Amsterdamer Kreditbank „Maatschappij N.V.“ (Internationales Institut für Sozialgeschichte, Biografien niederländischer Unternehmer). Er besaß seit 1931 die niederländische Staatsbürgerschaft und starb 1979 im Alter von 101 Jahren (Biografie über seine Tochter Ellen). Auch Siegfrieds ältere Schwester Selma, die in Karlsruhe mit Professor Sigmund Reichenberger verheiratet war, überlebte mit ihrer Familie. Sie emigrierten 1939 nach New Jersey in die Vereinigten Staaten (US-Census 1940). Und auch seine jüngste Schwester Helene konnte offensichtlich der NS-Gewaltherrschaft entkommen; sie starb im August 1968 in London (Datenbank „Werelate“). Nicht geklärt ist das Schicksal seiner jüngeren Schwester Frieda.

Kurhaus-Esplanade
Kurhaus/Sanatorium Esplanade - Hier war Dr. Kahn als Leitender Arzt tätig


Quellenangaben


Josef Werner, Hakenkreuz und Judenstern, Karlsruhe, S. 131, 248
Informationen Stadtarchiv Karlsruhe, Mail von J. Schuhladen-Krämer, 10.10.2018
Meldeunterlagen der Stadt Bad Kissingen
Meldeunterlagen der Stadt Darmstadt; Mail vom 17.10.2018
Generallandesarchiv Karlsruhe, Findbuch 330, Nr. 593externer Link
Internationales Institut für Sozialgeschichte, Biografien niederländischer Unternehmerexterner Link
Selma Reichenberger, Generallandesarchiv Karlsruhe, Findbuch 330, Nr.988externer Link
Datenbank Ancestry, US-Census 1940externer Link
Datenbank „Werelate“externer Link
Adressbuch Bad Kissingen 1925/27

Bildnachweise


Passfoto © Generallandesarchiv Baden Württembergexterner Link
Sanatorium Esplanade © Stadtarchiv Bad Kissingen



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