Personendaten


Kissinger Ludwig

Nachname
Kissinger
Vorname
Ludwig
Geburtsdatum
09.05.1887
Geburtsort
Bad Kissingen
Weitere Familienmitglieder

Eltern: Max und Thekla Kissinger geb. Eisenburg
Geschwister: Karl

Adresse

Marktplatz 17

Beruf/Ämter
Lehrer (?), Zeichner (?)
Emigration/Deportation

Juni 1942 deportiert nach Sobibor 

Sterbeort/Sterbedatum
Sobibor - Juni 1942

Biografie


Ludwig Kissinger kam am 9. Mai 1887 als Sohn von Max Kissinger und seiner zweiten Frau Thekla geb. Eisenburg zur Welt. Er war ein Urenkel von Meyer Loeb Kissinger, dem Ahnherrn der Kissinger-Familie. Ludwigs Vater besaß ein florierendes Herrenkonfektionsgeschäft mit Maßschneiderei am Marktplatz, wo die große Familie auch wohnte. Zwischen 1897 und 1904 besuchte er die Kissinger Realschule, das heutige Jack-Steinberger-Gymnasium.

Seine weitere Biografie ist von häufigen Wohnortswechseln geprägt. So wohnte er 1907 in Frankfurt/Main und Offenbach. Später erhielt er eine Berufsausbildung beim Polytechnischen Zentralverein in Würzburg und hielt sich hier zwischen 1912 und 1914 sowie, vermutlich nach seiner Kriegsteilnahme, von 1918 bis 1921 auf. Im Jahr 1914 war er auch kurzzeitig in Bad Kissingen und Offenbach gemeldet. 1921 zog er dann wieder in die hessische Stadt Offenbach am Main. In seiner Meldeakte ist als Beruf Lederwaren- und Metallwarenhändler angegeben. Von Ende November 1924 bis zum 1. März 1925 lebte er für einige Monate noch einmal in Bad Kissingen in der Promenadestraße 5 bei seiner Verwandtschaft, der Familie Eisenburg. Auf seiner Kissinger Meldekarte ist ohne nähere Ortsangabe vermerkt, dass er am 1. März 1925 weggezogen ist, mit der Angabe „auf Reisen“.

Am 1. August 1928 wurde er aufgrund einer psychischen Erkrankung in die Jacoby’sche Heil- und Pflegeanstalt Bendorf-Sayn, eine jüdische Nervenheilanstalt, aufgenommen. Auf Anordnung der NS-Behörden wurden die Heimbewohner zwischen März und Juni 1942 deportiert. Ludwig verließ die Nervenheilanstalt in Bendorf am 14. Juni 1942 und wurde über Koblenz, Köln, Düsseldorf in das Vernichtungslager Sobibor verschleppt, wo er unmittelbar nach seiner Ankunft ermordet wurde.

Über die Deportation der Patienten der Jacoby’schen Heil- und Pflegeanstalt gibt es Augenzeugenberichte: Vom Koblenzer Güterbahnhof aus begann der Transport am 15. Juni 1942. Bereits am Tag zuvor waren etwa 250 Patienten der Heil- und Pflegeanstalt Bendorf-Sayn und Pflegepersonal von dort in Bendorf-Sayn in die Güterwagen gebracht worden. Eine Augenzeugin berichtete von dem Geschehen: „Ich sah den Zug stehen, als ich morgens zur Post ging. Es schnitt mir ins Herz. Dass so etwas Furchtbares überhaupt geschehen kann, ist mir unfassbar. -- Das ‚Verladen’ – anders kann man es nicht nennen – ging heute früh um 7 Uhr vor sich. Gegen ½ 3 Uhr war dann endlich der Zug fahrbereit. Alles kam in Güterwagen, auch das Personal, für das ursprünglich ein Personenwagen vorgesehen war. 60, gar 68 Menschen in einem Wagen, der fest geschlossen und verplombt wurde.“ Einige Jahre später sagte der letzte Leiter der Heil- und Pflegeanstalt aus: „Kranke und Personal der Anstalt wurden am 14. Juni 1942 mit dem dritten (und größten) Abtransport von der Gestapo nach Polen gebracht. Von einigen Abtransportierten haben wir anfangs illegale Nachrichten erhalten, dass der Transport in der Gegend von Lublin angekommen sei. Die Verladung der Patienten habe ich selbst erlebt. Zu 60 in einem Viehwagen wurden Schwerkranke und gesunde Angestellte verladen, stand noch nachmittags unter polizeilicher Bewachung plombiert in glühender Hitze auf dem Bahnhof Sayn. Ich war etwas später als beratender Nervenarzt bei einem jüdischen Krankentransport in Düsseldorf. Dort hörte ich von der Jüdischen Gemeinde, dass der Transport durch  Düsseldorf durchgekommen und mit Wasser versorgt worden sei. Der Kot sei aus den Wagen herausgelaufen. Zahlreiche Patienten sollen dort bereits tot gewesen sein.“ Allerspätestens zu diesem Zeitpunkt mussten die Beteiligten und Zuschauer dieses Transports wissen, dass es für diese Menschen nicht zur Arbeit „nach dem Osten“ ging – sondern ihnen ein ganz schlimmes Schicksal bevorstand. Denn was sollten diese Kranken, die den Transport zum Teil nicht einmal bis Düsseldorf überlebten, „im Osten“ für Arbeit leisten können?! Dieser Transport ging auch in kein Ghetto wie die beiden früheren, sondern sofort in das Vernichtungslager Sobibor.


Quellenangaben


E. Levy, The Kissinger Family, S. 34
Hans-Jürgen Beck, Kissingen war unsere Heimat, S. 506
Augenzeugenberichte zur Deportation aus Koblenz (Juni 1942) externer Link
Gedenkbuch Bundesarchiv Koblenzexterner Link
Yad Vashem Zentrale Datenbank externer Link
Biographische Datenbank Jüdisches Unterfrankenexterner Link
Mitteilung von Michaela Hocke, Landeshauptarchiv Koblenz, 15. 11. 2017
Meldeakten Stadt Bad Kissingen
Schülerakte Jack-Steinberger-Gymnasium
Meldeunterlagen der Stadt Offenbach
Stolpersteinliste Bad Kissingenexterner Link

Bildnachweise


© Elizabeth Levy



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