Personendaten


Klingenstein Paul

Nachname
Klingenstein
Vorname
Paul
Geburtsdatum
01.01.1915
Geburtsort
Westheim/bei Hammelburg
Weitere Familienmitglieder

Eltern: Jakob Klingenstein und Cilly geb. Gunzenhäuser
Geschwister: Max 
Ehefrau: Selma geb. Feldman
Kinder: Ralph James, Irene verh. Hess 

Adresse
Beruf/Ämter
(Realschüler) - Unternehmer (Importeur deutscher und japanischer Kameras)
Emigration/Deportation

April 1934 emigriert in die USA

Sterbeort/Sterbedatum
Longboat Key/FL/USA-05.01.2003

Biografie


Paul Klingenstein besuchte drei Jahre lang die Kissinger Realschule, wohnte in dieser Zeit aber weiterhin bei seiner Familie in seinem Heimatort Westheim bei Hammelburg.

Er kam am 1. Januar 1915 als Sohn Jakob Klingensteins und dessen Ehefrau Cilly geb. Gunzenhäuser in Westheim zur Welt und hatte noch einen jüngeren Bruder Max, der fünf Jahre später geboren wurde. Sein Vater war ein angesehener Viehhändler, der 1916 Mitglied im Westheimer Gemeinderat war.

Paul Klingenstein besuchte zunächst die Israelitische Präparandenschule „Talmud-Thora“ in Burgpreppach und dann das Hammelburger Progymnasium. Im April 1928 trat Paul Klingenstein aus der 3. Klasse des Hammelburger Progymnasiums in die 4. Klasse der Kissinger Realschule ein, der Vorläuferschule des heutigen Jack-Steinberger-Gymnasiums. In der Schülerakte steht kein Wohnungseintrag, so dass Paul mit großer Wahrscheinlichkeit weiter bei seinen Eltern in Westheim gewohnt hat und täglich von dort zur Schule nach Bad Kissingen gefahren ist. Laut Zensurenliste war er ein „fleißiger Schüler mit guten Erfolgen“.

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Jahreszeugnis Realschule Bad Kissingen, 5. Klasse, April 1930

Nach der mittleren Reife wechselte Paul Klingenstein an die Schweinfurter Oberrealschule (die Vorläuferschule des heutigen Alexander-von-Humboldt-Gymnasiums), wo er 1934 sein Abitur ablegte.

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Abschied von der Familie im April 1934 in Westheim, Paul (links), sein Bruder Manfred und seine Eltern

Paul Klingenstein emigrierte bereits im April 1934 in die Vereinigten Staaten. Der restlichen Familie Klingenstein gelang im April 1939 noch rechtzeitig die Flucht in die Vereinigten Staaten. Die vierköpfige Familie lebte laut US-Census 1940 zu diesem Zeitpunkt in einer gemeinsamen Wohnung in Manhattan.

Paul Klingenstein, der als 19jähriger mit nur 30 US-Dollar und einer Voigtländer Avus-Kamera, die er zu seiner Bar-Mizwa erhalten hatte, in die USA kam, machte in der Neuen Welt aus seinem Kindheitshobby Fotografie eine erfolgreiche Karriere als Importeur deutscher und japanischer Kameras. Zunächst verdiente er seinen Lebensunterhalt jedoch als Lagerist einer Textilfirma und besserte seinen kärglichen Wochenverdienst von 15 Dollar durch das Fotografieren von Hochzeiten und Bar-Mizwa auf. Bald wurde ihm klar, dass der Verkauf von Fotoausrüstung lukrativer sein könnte. Im Jahr 1938 wurde er deshalb Techniker in einem Fotolabor. Zwei Jahre später trat er zunächst als Hilfsarbeiter in den Peerless Camera Stores, dem größten Fotofachgeschäft New Yorks, ein und wurde dort zum Fachverkäufer ausgebildet.

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Paul Klingenstein (rechts) als Fotofachverkäufer in "Peerless Camera Stores", 1941
 

Im Zweiten Weltkrieg trat Paul Klingenstein in die US-Armee ein und kam als amerikanischer Soldat auch nach Westheim, wo er sein Elternhaus besuchte, das seine Eltern 1938 unter Wert verkaufen mussten. 

Nach Kriegsende spekulierte Herr Klingenstein zu Recht, dass die Amerikaner wieder hochwertige deutsche Kameraausrüstung wünschen würden. Er machte sich selbstständig und gründete im Januar 1951 die Kling Photo Corporation. Er reiste nach Deutschland und verhandelte die Rechte für den Verkauf von Linhof-Studiokameras, Arriflex-Filmkameras, Minox-"Spion"-Kameras, Rodenstock-Objektiven und Gossen-Lichtmessgeräten in den Vereinigten Staaten (vgl. New York Times, Paul Klingenstein, 88, Seller Of Photographic Equipment, 12.01.2003externer Link). Aus Japan importierte er Kameras für professionelle Filmemacher und Fotografen. Das Unternehmen war sehr erfolgreich, insbesondere auch als Lieferant für Filmkameras nach Hollywood. Paul Klingenstein erhielt dafür eine Art Oscar "technical equipment". Den wirtschaftlichen Erfolg komplettierten Fotogeschäfte in New York und Florida sowie 1988 die Gründung der „Mamiya America Corporation“ (der heutigen „MAC Group“), die digitale Fotoausrüstung und Zubehör vertreibt. Im Jahr 1961 wurde Paul Klingensteins Firma von Berkey Photo Service als Tochtergesellschaft übernommen, Paul Klingenstein war jedoch auch weiterhin für den Import und Vertrieb zuständig. Für den Verkauf von Kling Photo bekam Klingenstein Aktien von Berkey Photo und stieg damit erfolgreich ins Aktiengeschäft ein.

Seit Februar 1947 war Paul Klingenstein mit der in Norfolk (Virginia) geborenen Selma Feldman verheiratet, mit der er zwei Kinder, Ralph James (*1948) und Irene (*1950), hatte. 1954 zog die Familie nach Scarsdale.

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Paul Klingenstein und seine Ehefrau Selma geb. Feldman, 1948

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Familie Klingenstein, 2000, v.links: Tochter Irene verh. Hess, daneben ihre Kinder David und Suzanne Hess, Sohn James Klingenstein, daneben seine Frau Susanne mit Tochter Rachel, Selma und Paul Klingenstein

Der wirtschaftliche Erfolg ermöglichte es Paul Klingenstein, zahlreiche Wohltätigkeitsorganisationen großzügig zu unterstützen. Sein Sohn James erklärt diese Großzügigkeit auch mit der Dankbarkeit für seine Wahlheimat: „Mein Vater liebte dieses Land und fühlte sich unglaublich dankbar, dass er Deutschland entfliehen und Amerikaner werden konnte", sagte er. "Er wollte etwas zurückgeben.“ Nachdem Paul Klingenstein in den 1960er Jahren seine Firma verkauft hatte, widmete er sich stärker karitativen Aufgaben. Mit seiner Frau lebte er nach 1976 von Oktober bis April in Sarasota in Florida, in der übrigen Zeit auch weiterhin in Scarsdale.

Zusammen mit seiner Frau Selma förderte er zahlreiche karitative, kulturelle und religiöse Projekte. Sie spendeten beispielsweise einen Lehrstuhl für Judaistik am New College in Florida, unterstützten die Hebräische Universität von Jerusalem durch die Gründung des  „Paul und Selma-Klingenstein-Fonds", der Stipendien für die biomedizinische Forschung zur Verfügung stellte. Außerdem halfen sie jüdischen Flüchtlingen aus der ehemaligen Sowjetunion, in die Vereinigten Staaten umzuziehen.

Mit einer großzügigen Stiftung ermöglichten sie 1985 den Bau des Klingenstein Jewish Center, des Sitzes der Sarasota-Manatee Jewish Federation, dessen erster Präsident und späterer Co-Vorsitzender Paul Klingenstein war. Die Organisation unterstützt u.a. bedürftige jüdische Kinder und Familien und setzt sich für die Unterstützung und den Schutz jüdischer Bürger weltweit ein. Außerdem finanziert sie Kultur und Bildungsprogramme weltweit.

Paul Klingenstein starb im Januar 2003 in seinem Winterhaus in Longboat Key, Florida, im Alter von 88 Jahren, seine Frau, mit der er 56 Jahre lang verheiratet war, setzte sein philanthropisches Werk fort und verstarb 86jährig im Juli 2008.

Sie schätzte an ihrem Mann dessen "Verlässlichkeit, Ehrlichkeit, Pflichtbewusstsein, Ehrgeiz, ein Gefühl für Stil, Freude an Eleganz und technischer Perfektion", Eigenschaften, die Paul Klingenstein zeitlebens mit seiner kulturellen Prägung in Deutschland in Verbindung brachte (Informationen Susanne Klingenstein, Mail an Hans-Jürgen Beck, 27.12.2020)

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Paul Klingensteins Ehefrau Selma (1922 - 2008)


Quellenangaben


Schülerakte des Jack-Steinberger-Gymnasiums
Datenbank Familysearch, Paul Klingenstein New York, New York Passenger and Crew Lists, 1909, 1925-1957externer Link
Datenbank Familysearch, Paul Klingenstein New York, Southern District, U.S District Court Naturalization Records, 1824-1946, Urkundennummer 359522externer Link
US-Census 1940externer Link
Datenbank Ancestryexterner Link
Jews of Sarasota Manateeexterner Link
NY Times, 7.1.2003externer Link
New York Times, Paul Klingenstein, 88, Seller Of Photographic Equipment, 12.01.2003externer Link
C. Binder/M. Mence, Nachbarn der Vergangenheit, S. 328
Hans-Jürgen Beck, Kissingen war unsere Heimat (Beck stellte auch den Kontakt zu Susanne Klingenstein, der Schwiegertochter Paul Klingensteins, her, die uns freundlicherweise die Famillienfotos zur Verfügung gestellt und weitere Einzelheiten zur Familiengeschichte mitgeteilt hat)
Informationen Susanne Klingenstein, Mail vom 02.01.2021
Harald Tribune, Philanthropist supported cultural and religious group, 27.07.2008externer Link
Social Security Death Indexexterner Link
StAWü WB IV A 1751 Cilly Klingenstein

Bildnachweise


Farbfoto von Selma Klingenstein © Jewish Federation, Klingenstein Jewish Centerexterner Link
alle anderen Fotos © Susanne Klingenstein



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