Personendaten


Bock Ida

Nachname
Bock
Geburtsname
Rosenau
Vorname
Ida
Geburtsdatum
04.12.1893
Geburtsort
München
Weitere Familienmitglieder

Eltern: Hermann Simon Rosenau und Luise geb. Feuchtwanger
Geschwister: Hermann Sigmund und Felicie verh. Wolff
Ehemann: Julius Bock
Kinder: Herbert Martin Meir, Kate Louise Leah verh. Kallenbach

Adresse
Beruf/Ämter
Emigration/Deportation

Dezember 1934 emigriert nach Südafrika

Sterbeort/Sterbedatum
Kapstadt - 06.03.1976

Biografie


Ida Bock geb. Rosenau stammt aus einer alteingesessenen jüdischen Familie in Bad Kissingen, deren Wurzeln sich bis ins 18. Jahrhundert zurückverfolgen lassen. Wie lange und in welchen Zeiträumen Ida Bock in Bad Kissingen gelebt habt, lässt sich aus den Quellen nicht erschließen. Sie kam am 4. Dezember 1893 als Tochter des Juweliers Hermann Simon Rosenau und dessen erster Frau Luise geb. Feuchtwanger in München zur Welt. Die Familie besaß sowohl in München als auch in Bad Kissingen ein Juweliergeschäft und Wohnhaus und verbrachte die Sommersaison in Bad Kissingen, die Wintermonate in München.

Im Jahr 1913 heiratete sie in München den aus Frankfurt/Main stammenden 10 Jahre älteren Julius Bock, der aus einer wohlhabenden und angesehenen Frankfurter Familie stammte, die zur orthodoxen Breuer Congregation gehörte, aber in ihren Einstellungen keineswegs engstirnig, sondern durchaus aufgeschlossen war. Ida Bock lebte danach in der Mainmetropole, wo 1914 ihr Sohn Herbert Martin geboren wurde. Mit der Tochter Kate Louise Leah folgte 1920 noch ein weiteres Kind. Kate hat später eine sehr persönliche Familiengeschichte verfasst, der wir viele Informationen über die Familie verdanken. Idas Mann Julius arbeitete in der Warenbörse der Firma Mayer Bock, die von seinem Großvater gegründet worden war.

Die Familie Bock wohnte in der Blumenstraße - nicht weit entfernt vom Eschenheimer Tor. Idas Tochter Kate erinnert sich an die Atmosphäre im Elternhaus: "Wir hatten eine sehr große Wohnung - neun riesige Zimmer plus ein riesiges, geschlossenes, großes, verglastes Zimmer auf der Veranda, das wir "Wintergarten" nannten. Es war voller Palmen und verschiedener anderer Pflanzen und wir frühstückten dort die meiste Zeit des Jahres und aßen zu Mittag. In einem der Empfangsräume, dem Music Room, befand sich ein riesiger Bechstein-Flügel in voller Größe, den niemand jemals benutzt hatte...Wir hatten einen großen Haushalt, ein Dienstmädchen, ein Kindermädchen, eine Köchin, eine Putzfrau. Wir hatten auch einen Chauffeur, da weder Pepi noch Omi [so nannte Kate ihre Eltern] fahren konnten. Der Koch war jüdisch, weil wir zu dieser Zeit noch koscher waren und niemand, der nicht jüdisch war, das Essen anfassen durfte, das wir essen wollten. Aber schon damals, wenn Omi und Pepi mit Freunden essen gingen, spielten die jüdischen Essensvorschriften keine Rolle. Meine Eltern hatten ein wunderbares Leben. Sie hatten einen großen Freundeskreis und liebten es, abends auszugehen oder zu Hause Tischgesellschaften zu geben. Am Wohnzimmertisch fanden mühelos 24 Gäste Platz." (Kate L. Kallenbach, My memoirs - a letter to my son, Kapitel 9). Ida Bock und ihr Mann unternahmen auch häufig Urlaubsreisen in die Schweiz - nach Wengen und St. Moritz - und nach Italien, wo Como, Stresa, Rapallo, Portofino und Venedig zu ihren bevorzugten Reisezielen gehörten. Im Sommer traf sich die Familie oft in der städtischen Badeanstalt Mosler am Main: "Dort trafen sich Omi und Pepi mit Freunden. Pepi kam aus dem Büro und ich direkt aus der Schule und alle aßen dort zu Mittag." Kate kommentiert das luxuriöse Leben im Rückblick nicht ohne kritischen Unterton: "Es war nicht verwunderlich, dass sie so gelebt haben, wie es ihnen ihre finanziellen Mittel ermöglicht haben. Sicherlich ist es unwahrscheinlich, dass sie sich große Sorgen darüber machten, dass es Millionen von Arbeitslosen und eine große Depression gab. Es scheint, dass keiner von ihnen und alle ihre jüdischen Zeitgenossen der oberen Mittelklasse auch nur die leiseste Ahnung hatten oder sich vorstellen konnten, was in naher Zukunft auf sie zukommen würde" (ebd).

Die Familie pflegte auch weiterhin intensiven Kontakt zu Idas Eltern in Bad Kissingen. Idas Tochter Kate verbrachte ihre Sommerferien regelmäßig bei ihrem Großvater Hermann Simon Rosenau: "Im Winter in München und im Frühling und Sommer in Bad Kissingen. Für mich war Großvater mein Held. Er nahm mich mit auf unzählige Spaziergänge, besonders in Kissingen, in den Wald, um nach Maiglöckchen, Walderdbeeren und Champignons zu suchen. Bis heute stammt meine Liebe zu den Wiesen voller Blumen und Wäldern aus dieser Zeit. Selbst im Kino, wenn ich Wälder oder eine Wiese mit Blumen oder sogar eine von Bäumen gesäumte Straße mit Herbstlaub sehe, denke ich an Kissingen"(ebd. - Kap. 8). 

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten änderte sich schlagartig die Situation für die Familie. Idas Mann Julius durfte sein Geschäft nicht weiter betreiben, da Juden Börsengeschäfte untersagt wurden. Bereits im Dezember 1933 schickten die Bocks ihren 19jährigen Sohn Herbert nach Südafrika. Ein Cousin von Julius Bock, der es in Südafrika zu Wohlstand gebracht hatte, hatte ihm in Port Elizabeth einen Arbeitsplatz vermittelt.  

Da sich die Lage für die Familie weiter verschlechterte, entschloss sich 1934 auch der Rest der Familie, Deutschland zu verlassen: "Es war eine dunkle Wolke am Horizont. Als Pepi [Vater] sah, dass er nicht mehr an der Börse teilnehmen und somit unseren Lebensunterhalt nicht mehr bestreiten konnte, war es Omi [Mutter], die entschied, dass es für uns am besten wäre, auch auszuwandern. Da Herbert in Südafrika war, erschien es uns logisch, ebenfalls dorthin auszuwandern" (ebd. - Kap.15). Kate erinnert sich, wie ihre Mutter sie darauf vorbereitete: "Eines Tages sagte Omi zu mir: ‚Wie würde es Dir gefallen, an einem Ort zu leben, wo fast immer die Sonne scheint, wo es wunderbare Strände gibt und du im Meer schwimmen kannst.‘ Worauf ich antwortete: ‚Ich bin sehr glücklich hier und mag nirgendwo hinziehen, um im Meer zu schwimmen.‘ Aber es gab keine Wahl für mich. Die Entscheidung war gefallen. Omi beschloss, niemandem zu sagen, dass wir gehen würden. Sie hatte viel zu viel Angst, dass es bekannt würde und dass es Schwierigkeiten geben könnte. Sie schrieb Dutzende von Briefen an unzählige Freunde und Verwandte, die sie am Tag unserer Abreise abschickte. Ich durfte es auch niemandem in der Schule erzählen und tauchte am Tag nach unserer Abreise einfach nicht wieder auf. 

Zu diesem Zeitpunkt konnte man nicht einfach das Land verlassen und gehen. Es gab alle möglichen Einschränkungen. Vor allem durfte man kein Geld mitnehmen und ich erinnere mich, dass Pepi einen Kreditbrief dabei hatte, den er dann in Basel in der Schweiz eingelöst hatte. Ich habe keine Ahnung, wie hoch die Summe war, aber ich erinnere mich, dass sowohl Omi als auch Pepi sehr besorgt waren, problemlos über die Grenze von Deutschland in die Schweiz nach Basel zu gelangen. Ich erinnere mich noch daran, wie der Grenzschutz uns durchsucht und sogar Omis Regenschirm geöffnet hat. Ich weiß nicht, was er dort erwartet hatte, aber vielleicht dachte er, wir hätten dort einen Goldbarren versteckt. Zum Glück verlief alles reibungslos und Pepi konnte seinen Kreditbrief einlösen.

Von Basel aus fuhren wir mit dem Zug durch die Schweiz nach Genua, dem Einschiffungshafen der italienischen Linie nach Kapstadt. Wir segelten auf der Dulio, einem wunderschönen weißen Schiff. Ich war begeistert von der Seereise. Ich erinnere mich nicht, wann wir an Bord gingen, aber wir kamen am Samstag, dem 22. Dezember 1934 in Kapstadt an" (ebd - Kap. 16). Bei der Ankunft im Hafen weigerte sich Idas Tochter auszusteigen. "Zu dieser Zeit war ich noch sehr ‚fromm‘ (orthodox) - der direkte Einfluss der religiösen jüdischen Schule, die ich besucht hatte. Einem orthodoxen Juden ist es bekanntlich verboten, am Sabbat sich mit einem Fahrzeug fortzubewegen nur notgedrungen auf einem Schiff, sofern man am Samstag weder aus- noch einsteigt. Als unser Schiff am Samstag anlegte und  [Vaters Cousin] Martin Hammerschlag uns mit dem Auto am Hafen abholte, brauchten Omi und Pepi mehr als eine Stunde, um mich zum Aussteigen zu überreden. Der einzige Weg, auf dem sie Erfolg hatten, war, mir klarzumachen, dass das Schiff am selben Tag nach Durban fuhr. Das Theater begann wieder, als ich in Martins Auto steigen musste. Ich wollte gehen. Ich wusste nicht, wohin ich gehen würde, aber ich würde gehen!" (ebd. - Kap. 17).

Die nachfolgenden Jahre waren schwierig für die Familie, die in Kapstadt in sehr bescheidenen Verhältnisse lebte. Nachdem Idas Mann zunächst einen Job für 10 Pfund pro Monat angenommen hatte und sie selbst als Verkäuferin in einem Textilgeschäft gearbeitet hatte, stieg Julius als Partner in ein Parfümeriegeschäft ein, das aber schon bald schließen musste. Idas Mann und ihr Sohn Herbert eröffneten daraufhin zusammen mit ihr die Firma „Julius Bock & Son“, eine internationale Handelsvertretung, die ihren Kundenkreis in Südafrika mit Waren aus aller Welt versorgte. Während der Kriegsjahre war die wirtschaftliche Situation schwierig, weil in dieser Zeit aus den kriegsführenden Ländern keine Waren importiert werden konnten, doch danach entwickelte sich die Handelsagentur zu einem prosperierenden Unternehmen. Auch Ida Bock arbeitete am Aufbau der Firma mit und führte in der Anfangsphase einen großen Teil der Geschäftskorrespondenz mit dem Ausland.

Was sie in dieser Zeit sehr belastete, war die Ungewissheit des Schickals ihrer Eltern und Geschwister, die bereits 1933 nach Frankreich emigriert waren, aber nach dem Einmarsch der Deutschen erneut dem NS-Terror ausgesetzt waren. Ihr Vater Simon Hermann, seine Frau Paula und idas Bruder Hermann waren deshalb nach Nizza geflohen. Als deutsche Truppen 1942 nach der Landung der Alliierten in Nordafrika auch den Süden Frankreichs besetzten, riss der bis dahin rege Briefkontakt zu ihnen komplett ab. "Es war eine schreckliche Zeit. Omi war außer sich vor Sorge und das Schlimmste war die Unsicherheit und die Tatsache, dass man absolut machtlos war, irgendetwas zu tun... Mit allen Mitteln versuchte sie damals herauszufinden, was mit ihnen geschehen war, bis sie schließlich vom Roten Kreuz erfuhr, dass [sie] 1943 nach Auschwitz deportiert worden waren. Ob sie noch lebten oder was mit ihnen passiert war, konnte sie nicht herausfinden, was schrecklich für sie war" (ebd. - Kap. 10). Erst nach dem Krieg erhielt sie vom Roten Kreuz die Mitteilung, dass alle drei in Auschwitz ermordet worden waren. 

Ab 1948 reisten Ida Bock und ihr Mann wieder regelmäßig nach Europa und besuchten für mehrere Wochen Idas Schwester Felicie Wolff in Paris. Diese hatte mit ihrer Familie die NS-Zeit zunächst in Frankreich, dann in der Schweiz überlebt.  

Familie Bock lebte in Bramley, einem Vorort von Johannesburg. Ida Bock lehnte - nach Angaben ihrer Tochter - die Apartheidpolitik der südafrikanischen Regierung ab und sympathisierte mit Nelson Mandela, dem führenden Vertreter der Freiheitsbewegung des Landes, den sie monatlich anonym mit einer Geldspende unterstützte. Nach Einschätzung ihrer Tochter stand eine Mehrheit der Englisch sprechenden Südafrikaner der Regierungspolitik kritisch gegenüber, aber nur eine Minderheit war bereit, etwas dagegen zu tun, da es sehr gefährlich war (ebd. - Kap. 30).

 Ida Bock starb mit 82 Jahren im März 1976 - wenige Monate bevor mit dem Aufstand von Soweto die entscheidende Phase des Freiheitskampfes in Südafrika begann. Ihr Mann Julius war bereits ein Jahr zuvor gestorben. Beide waren 61 Jahre lang miteinander verheiratet.

Ida-Bock-geb.-Rosenau,-ihr-Bruder-Hermann-Sigmund-und-ihre-Mutter-Luise-
Ida Bock geb. Rosenau mit Bruder Hermann Sigmund und ihrer Mutter Luise

Ida-und-Julius-Bock
Ida und Julius Bock, Kapstadt, Juni 1956

Julius-und-Ida-Bock
Julius und Ida Bock, Kapstadt 1954

Kate,-Gary-und-Ida
Ida Bock (rechts) mit ihrer Tochter Kate verh. Kallenbach und Enkel Gary, Bramley, Juli 1958
Ida-Bock-Flims-Schweiz-1956
hintere Reihe von links: Hans (Henry) Wolff. Elsbeth Schloessinger geb. Goldschmidt, Pepi Bock - vordere Reihe von links: Felicie Wolff geb. Rosenau, Ida Bock geb. Rosenau, Alice Goldschmidt geb. Bock Das Foto entstand 1956 bei einem Familientreffen in Flims in der Schweiz.

 

Ida-Bocks-80.-Geburtstag
Ida Bocks 80. Geburtstag, Kapstadt, Dezember 1973; v.l.n.r.: Sohn Herbert Martin, Julius, Ida, Urenkelin Yvonne, Enkelin Ada und Schwiegertochter Janine


Quellenangaben


Datenbank Genicomexterner Link
Frankfurter Jüdisches Adressbuch 1935, S. 21externer Link
Google Search zu Julius Bock mit Hinweis auf Geburtsdatum und Geburtsort bei Ancestryexterner Link
Hans-Jürgen Beck, Kissingen war unsere Heimat, S.671
Mitteilung Gary Kallenbach (Enkel Ida Bocks) an Ehepaar Ahnert, Mail vom 19.04.2020
Kate L. Kallenbach, My memoirs - a letter to my son

Bildnachweise


© Gary Kallenbach
 



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