Personendaten


Ruckenstein Simon

Nachname
Ruckenstein
Vorname
Simon
Geburtsdatum
05.03.1920
Geburtsort
Bad Kissingen
Weitere Familienmitglieder

Eltern: Bernhard Ruckenstein und Helene geb. Geffner
Ehefrau: Ingeborg geb. Ehrlich
Kinder: Dov

Adresse

Promenadestraße 5b (alte Zählung) heute 24

Beruf/Ämter
(Realschüler)- Hotelier
Emigration/Deportation

Sommer 1935 emigriert nach Palästina

Sterbeort/Sterbedatum
Tzfat (Safed) - Juli 1995

Biografie


Simon Ruckenstein kam am 5. März 1920 als Sohn des Kaufmanns und Gaststättenbesitzers Bernhard Ruckenstein und dessen Frau Helene geb. Geffner in Bad Kissingen zur Welt. Seine Eltern waren aus Osteuropa eingewandert. Die Familie seiner Mutter stammte aus Galizien, kam 1902 nach Deutschland und zog 1906 in die fränkische Kurstadt und sein Vater war 1903 aus dem rumänischen Lukawetz ausgewandert und hatte jeweils einige Jahre in Stuttgart, Berlin, Plauen bei Kitzingen, Nürnberg und Ingolstadt gelebt, bevor er sich im Juli 1919 in Bad Kissingen sesshaft machte.

Bernhard und Helene Ruckenstein hatten kurz zuvor in Ingolstadt geheiratet und wohnten nach der Heirat in Bad Kissingen in der Promenadestraße 5 (heute 24) im Haus der Familie Gessner. Im März 1920 kam dann ihr gemeinsamer Sohn Simon zur Welt. Simons Vater, von Beruf Kaufmann und Gasthausbesitzer, führte dort eine streng koschere Gaststätte, die vorwiegend von jüdischen Gästen aus dem In- und Ausland besucht wurde. Diese „israelitische Speisegaststätte“ hatte Leib Geffner, Simons Großvater, eröffnet.

Immer noch als rumänischer Staatsbürger stellte sein Vater 1928 für die Familie einen Antrag auf Einbürgerung, der ein Jahr später von der unterfränkischen Regierung positiv beschieden wurde. Die Stadt Bad Kissingen hatte diesen Antrag unterstützt, die von Bürgermeister Pollwein unterzeichnete Erklärung wies darauf hin, dass Herr Ruckenstein gut deutsch spreche und auch sein Kind in deutscher Sprache erzogen werde, „dass er deutsch fühlt und auch für deutsche Belange ist“. In seinem Betrieb herrsche „peinlichste Ordnung. Ruckenstein will die deutsche Staatsangehörigkeit erwerben, weil eben sein Kind eine deutsche Schule besucht und dasselbe in der Schule nicht als Ausländer behandelt werden will“ (Akte Einbürgerung Bernhard Ruckenstein, Stadtarchiv Bad Kissingen). Auch die Schülerakte der Kissinger Realschule von Simon Ruckenstein lässt nachvollziehen, dass die Integration osteuropäischer Juden nicht einfach war und dieser Minderheit zweifellos auch mit Vorurteilen begegnet wurde, auch wenn sich die Familie bemühte, in die deutsche Gesellschaft integriert zu werden. Simons Eltern wollten ihrem Sohn eine höhere Schulbildung ermöglichen und meldeten ihn im Mai 1930 an der Kissinger Realschule an. In der 1. Klasse sind die Zeugnisbemerkungen durchwegs positiv. Im Lauf der nächsten Jahre - insbesondere auch nachdem sich die Situation für jüdische Schüler nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten verschlechtert - scheint Simon zunehmend  Schwierigkeiten an der Schule gehabt zu haben. In den Kommentaren der Lehrer spiegeln sich möglicherweise auch Vorurteile wider, wenn Simon sogar als „Streber“ abqualifiziert wird und den Eltern, „die der deutschen Sprache nicht vollständig mächtig sind“, unterschwellig der Vorwurf gemacht wird, „sie scheinen ihren Sohn unbedingt an der Spitze der Klasse sehen zu wollen“. Simon besuchte die Kissinger Realschule noch bis zur 5. Klasse im April 1935, also bis kurz vor der Emigration der Familie.

Es hat die Familie sicher auch hart getroffen, dass im März 1934 von der unterfränkischen Regierung die 1929 zugestandene Einbürgerung wieder rückgängig gemacht wurde und Simon und seinem Vater die deutsche Staatsbürgerschaft wieder aberkannt wurde. Daraufhin entschlossen sich die Ruckensteins nach Palästina auszuwandern. Am 15. Juli 1935 meldete sich die Familie nach Palästina ab.

Nachdem sie zunächst ein Jahr in Tel Aviv lebten, zogen die Ruckensteins 1936 nach Tzfat (Safed) im Norden Israels. Simons Vater eröffnete am Berg Canaan ein Restaurant, das er später zu einer Hotelanlage ausbaute. Simon setzte seine Ausbildung fort am Scottish College in Tzfat, das schottische Missionare in der britischen Kolonialzeit gegründet hatten. Er war dann einige Jahre als Journalist und Fotograf für die Armee und zivile Agenturen tätig, die Reporter mit überdurchschnittlichen Englisch- und Deutschkenntnissen suchten. 1949 heiratete Simon die aus dem hessischen Friedberg stammende Ingeborg Ehrlich. Ihrem Vater war mit seiner Familie 1937 die Emigration nach Italien und 1939 von dort nach Palästina gelungen. Er war - so schreibt Ingeborgs Sohn Dov Ruckenstein  - der einzige von sieben Geschwistern, der die NS-Zeit überlebte [Max und Julius Ehrlich wurden deportiert und ermordet, die anderen Geschwister waren in den Jahren zuvor bereits gestorben]. Im Januar 1954 kam dann Simons Sohn Dov zur Welt.

Nach dem Tod seiner Eltern führte Simon Ruckenstein das Hotel seiner Eltern weiter. 1986 nahm Simon Ruckenstein brieflich Kontakt mit seiner Heimatstadt auf, um Einblick in die Ein- und Ausbürgerungsakte seiner Familie zu bekommen. Er bedankte sich schließlich bei Oberbürgermeister Georg Straus für die Unterstützung in dieser Angelegenheit.

Simon Ruckenstein starb im Juli 1995 im Alter von 75 Jahren.

Das Hotel „Ruckenstein B.“, das im Laufe der Jahrzehnte viele Veränderungen erfahren hat und sich zu einem attraktiven Resorthotel entwickelt hat, wird bis heute in Familientradition weitergeführt.

pass-simon-ruckenstein
"Fremdenpass", ausgestellt in Bad Kissingen im Mai 1935


Quellenangaben


Schülerakte des Jack-Steinberger-Gymnasiums
Meldeunterlagen der Stadt Bad Kissingen
Einbürgerungsakte 1929 und Widerruf 1934, Stadtarchiv KG
Informationen des Enkels Dov Ruckenstein, Mail vom 12.11.2018
Homepage Safed INN, Israel, Ruckenstein b&bexterner Link

Bildnachweise


Porträtfoto © Dov Ruckenstein, Tzfat (Safed)
Auszug Pass © Israel's archives are going onlineexterner Link



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