Personendaten


Snoeck Charles

Nachname
Snoeck
Vorname
Charles (Carl, Karl)
Geburtsdatum
30.09.1885
Geburtsort
Amsterdam
Weitere Familienmitglieder

Eltern: Henri (Georg) Snoeck und Anna geb. Hartog (Rosenberg)
Geschwister: Mina verh. Weenig
Ehefrau: Maria (Mizza) Krieger

Adresse
Beruf/Ämter
Geiger, Konzertmeister - Mitglied der Münchner Philharmoniker und des Kissinger Kurorchesters
Emigration/Deportation
Sterbeort/Sterbedatum
München - 27.03.1946

Biografie


Der jüdische Geiger Charles Snoeck, der in verschiedenen Dokumenten auch Carl oder Karl Snoeck genannt wird, spielte als Konzertmeister, Solist und Dirigent im Kissinger Kurorchester über viele Jahre hinweg eine große Rolle. Oft war er für die Gestaltung der eigentlichen Kurmusik verantwortlich, während sich die bekannten und berühmten Chef- und Gastdirigenten die großen Symphoniekonzerte vorbehielten.

Charles Snoeck kam am 30. September 1885 als Sohn des Schauspielers und Sängers Henri (Georg) Snoeck und dessen Ehefrau Anna (Hartog) geb. Rosenberg in Amsterdam zur Welt. Im November 1902 zog der junge Musiker nach München, wo er wo er fünf Jahre später Mitglied des Kaim-Orchesters wurde. Ende August 1912 heiratete er in München die 1875 in Bayreuth geborene Christin Maria (Mizzi) Krieger. Die Ehe blieb kinderlos. 1915 bzw. nach Ende des Ersten Weltkriegs avancierte Charles Snoeck zum Konzertmeister des "Orchesters des Münchner Konzertvereins", wie sich das frühere Kaim-Orchester seit 1911 nannte. Auch als Solist trat er mehrfach in Konzerten auf.

Ab 1919 spielte das Orchester regelmäßig während der Kursaison in Bad Kissingen, da die Musiker Spielzeitverträge hatten, die den Sommer aussparten. Schon nach der Jahrhundertwende  hatte das  „Münchner Kaim-Orchester“ hier für einige Jahre in der Sommersaison gastiert. Gleich zum Saisonauftakt der Bad Kissinger Symphoniekonzerte am 21. Mai 1919 gab Charles Snoeck seinen Einstieg als gefeierter Solist. Er war in den nächsten Jahren als Konzertmeister, Solist und Dirigent für die Kurmusik verantwortlich. Er wohnte zwischen 1919 und 1933 unter verschiedenen Adressen, kam regelmäßig Anfang Mai aus München in die Kurstadt und meldete sich gegen Ende der Kursaison im September wieder nach München ab. Nur in den Jahren 1926 bis 1930 hielt er sich nicht in Bad Kissingen auf. Seit 1928 nannte sich das Orchester "Münchner Philharmoniker". Die Saison 1933 sollte die letzte für den jüdischen Musiker bei den Münchner Philharmonikern sein und damit auch Charles Snoecks  letztes „Gastspiel“ in Bad Kissingen.

Auch sein außerordentliches Renommee und sein großes Können konnten Snoeck nicht vor der vorzeitigen Entlassung aus dem Kurorchester und den Münchner Philharmonikern bewahren. Aus vorgeschobenen „gesundheitlichen Gründen“  wurde er als Jude zum 1. Mai 1934 von den Münchner Philharmonikern und damit auch aus dem Kissinger Kurorchester entlassen und in den vorzeitigen Ruhestand versetzt. Mit einem seiner Paradestücke, dem Violinkonzert von Brahms, trat er am 16. März 1934 ein letztes Mal als Solist vor das Münchner Publikum, das ihn enthusiastisch feierte. Der Rezensent der Münchner Neuesten Nachrichten ließ sich von den Umständen der Entlassung, die ja allein von der Rassenideologie des NS-Regimes diktiert worden war, nicht abschrecken und würdigte Snoeck noch einmal nachdrücklich, nicht nur für die Leistung des Abends, sondern ganz grundsätzlich für das großartige Engagement der letzten Jahrzehnte: „Im 18. Volkssymphoniekonzert verabschiedete sich der langjährige erste Konzertmeister der Münchner Philharmoniker Karl Snoeck vom Münchner Publikum. Es ist keine Frage, daß das Ausscheiden dieses um den Ruf unseres Konzertvereins so außerordentlich verdienten Künstlers einen wirklichen Verlust bedeutet. Sein Vortrag des Brahmsschen Violinkonzerts war durchaus im Geiste seines Schöpfers gehalten und Karl Snoeck mag an den daran sich anknüpfenden stürmischen Beifallskundgebungen wie auch aus den vielfachen Kranzspenden die Stärke der ihm zugewendeten Sympathie erkennen.“

Die NS-Zeit überlebte Snoeck dank der 1912 geschlossenen Ehe mit seiner nichtjüdischen deutschen Ehefrau. Aufgrund dieser „privilegierten Mischehe“ blieb er vor der drohenden Deportation zu Lebzeiten seiner Frau verschont. Allerdings muste er von 1941 bis 1943 als Hilfsarbeiter Zwangsarbeit leisten in einer nicht näher bezeichneten chemisch-pharmazeutischen Fabrik und ab April 1943 bis Kriegsende im Luitpold-Werk, einem pharmazeutischen Großbetrieb im Stadtteil Sendling. Wenn Snoeck auch sein Leben retten konnte, so setzte ihm die harte Zwangsarbeit sowie das bedrückende Leben in Lagern und Judenhäusern sehr zu. Zunächst wurde er Anfang Oktober 1941 in die „Judensiedlung Milbertshofen“, wie das Lager Milbertshofen im NS-Sprachgebrauch hieß, eingewiesen. Das Lager diente seit März 1941 vor allem als Durchgangslager für die Deportationen nach Theresienstadt, Auschwitz und Kaunas. Snoeck musste tagtäglich nicht nur körperliche Schwerstarbeit leisten, er musste auch miterleben, wie unzählige Menschen in die Vernichtungslager deportiert wurden. Am 19. August 1942 wurde das Lager aufgegeben. Die meisten Insassen waren bis dahin deportiert worden. Die letzten im Lager verbliebenen Juden, zu denen auch Charles Snoeck gehörte, wurden in das Sammellager in Berg am Laim, einem Stadtteil im Münchner Osten, verlegt, das im beschlagnahmten Teil der Klosteranlage der Barmherzigen Schwestern eingerichtet worden war, wo Snoeck vom August 1942 bis März 1943 lebte. Nachdem auch dieses Lager aufgelöst worden war, musste er zu seiner Schwägerin in die Belgradstraße in München ziehen.

Nach dem Krieg versuchte Charles Snoeck, als Musiker wieder Fuß zu fassen. So trat er mit den Münchner Philharmonikern noch zweimal auf. Doch die schwere Zwangsarbeit und das harte Leben in den Lagern hatten seine Gesundheit zu sehr angegriffen, infolge eines schweren Herzleidens konnte er nicht mehr öffentlich auftreten. Im März 1946 erlitt er eine heftige Herzattacke, an deren Folgen er am 27. März 1946 gestorben ist.

Maria Snoeck überlebte ihren Mann um sechs Jahre. Sie hatte während der NS-Zeit trotz aller antisemitischer Anfeindungen treu zu ihrem Mann gehalten und alle Aufforderungen der Gestapo, sich von ihrem jüdischen Ehemann scheiden zu lassen, vehement abgelehnt. Sie verstarb am 22. September 1952.

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Der Geiger Karl Snoeck
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Quellenangaben


leicht gekürzter Auszug aus: Hans-Jürgen Beck, Kissingen war unsere Heimat 
Gabriele E. Meyer, Carl Snoeck und Josef Lengsfeld – Zwei jüdische Orchestermitglieder unter dem Hakenkreuz, in: Meyer, Gabriele E.: 100 Jahre Münchner Philharmoniker, München 1994, S. 144-149.
Meldeunterlagen der Stadt Bad Kissingen

Bildnachweise


Porträtfoto © Stadtarchiv Bad Kissingen, Amtliche Kurliste Nr. 55, 6.Juli 1930
weitere Abbildungen ©



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