Personendaten


Stahl Philipp

Nachname
Stahl
Vorname
Philipp
Geburtsdatum
26.01.1864
Geburtsort
Bad Kissingen
Weitere Familienmitglieder

Eltern: Lämlein Stahl und Karolina geb. Gutmann
Geschwister: Hermann, Josef, Ernestine verh. Oppenheim
Ehefrau: Theresie geb. Kohl
Kinder: Ernst Ludwig, Otto, Fanny Vera verh. Lowen

Adresse

Wohnung im Judenhof/später Hemmerichstraße 28 (heute 14)

Beruf/Ämter
(Realschüler) - Kaufmann
Emigration/Deportation
Sterbeort/Sterbedatum
Südafrika- 23.02.1946

Biografie


Philipp Stahl wurde am 26. Januar 1864 als erstes Kind des Viehhändlers und Schuhmachers Lämlein Stahl und seiner Frau Karoline geb. Gutmann in Bad Kissingen geboren. Die Familie wohnte im Judenhof in der Bachstraße, wo Philipp mit seinen jüngeren Geschwistern Hermann, Josef und Ernestine aufwuchs. Wie seine beiden Brüder besuchte auch er die Kissinger Realschule, die Vorläuferschule des heutigen Jack-Steinberger-Gymnasiums. Er trat dort im Oktober 1877 in die 5. Klasse ein und machte offensichtlich im August 1879 seinen Abschluss.

Philipp Stahl ließ sich zum Kaufmann ausbilden und hielt sich nach einem Vermerk in seinem Familienbogen von 1899 „seit 10 Jahren in Südafrika (Senekal)“ auf. Er war im November 1890 zusammen mit seiner Schwester Ernestine nach Südafrika ausgewandert, die dort den aus Eschwege stammenden Kaufmann Siegmund Oppenheim heiratete. Vermutlich arbeitete er dort in der Firma seines Schwagers, der es in der Kleinstadt Senekal in wenigen Jahren im Getreidehandel zu großem Reichtum gebracht hatte. Senekal ist eine kleine Stadt im Oranje-Freistaat, die um 1900 in die Wirren des Burenkriegs hineingezogen wurde. Als sich der bis dahin neutrale Oranje-Freistaat auf die Seite der Buren stellte, erklärten die Briten den Burenrepubliken den Krieg. Die Buren waren der militärischen Übermacht der Briten hoffnungslos unterlegen und mussten 1902 kapitulieren. Ganz Südafrika stand nun unter britischer Oberhoheit. In Senekal gab es neben der anglikanischen und niederländisch reformierten Religionsgemeinschaft auch eine jüdische Gemeinde, zu der neben Philipp Stahl auch sein Schwager Siegmund Oppenheim und dessen Brüder Hermann und Adolf gehörten.

Im August 1899 kehrte Philipp Stahl kurzzeitig nach Deutschland zurück und heiratete in Bad Kissingen Theresie Kohl (*1877) aus Kleineibstadt, die Tochter des "Handelmanns" Seckel Kohl und dessen erster Ehefrau Fanny Ambach. Ihr Vater war ein angesehener Bürger seiner Gemeinde - sein Beispiel zeigt, wie gut integriert die jüdische Minderheit (damals ca. 20% der Bevölkerung) im Dorf gewesen ist. Seckel Kohl war in den 1870er Jahren Kultusvorsteher der jüdischen Gemeinde und wurde im Jahr 1889 als stellvertretender Bürgermeister Kleineibstadts genannt.  

Philipp und seine Ehefrau Theresie zogen bald darauf nach Südafrika, wo ihre drei Kinder zur Welt kamen: Ernst Ludwig (*1902), Otto (*1906) und Vera Fanny (*1910). Der weitere Lebensweg der Familie ist nur bruchstückhaft erschlossen.

Vera heiratete 1941 in Johannesburg Dr. Georg Löwenthal, einen renommierten Berliner Rechtsanwalt, der in der Weimarer Republik durch die Verteidigung vor allem kommunistischer Angeklagter bekannt geworden war. 1933 sollte er den niederländischen Kommunisten Marinus Van der Lubbe verteidigen, der angeklagt war, den Reichstag angezündet zu haben. Als die Gestapo davon erfuhr, drang sie in Dr. Löwenthals Wohnung ein. Doch Nachbarn warnten ihn und so konnte er rechtzeitig nach Paris und anschließend nach Amsterdam fliehen. 1935 emigrierte er schließlich nach Südafrika und nannte sich dort George Lowen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde er zu einem entschiedenen Verfechter der Rechte der Schwarzen gegen die Apartheidpolitik und vertrat zahlreiche Apartheidsgegner vor Gericht, auch im Auftrag von Nelson Mandelas Anwälten. (Nähere Einzelheiten zur außergewöhnlichen Biografie und Persönlichkeit George Lowens in einer BBC-Reportage seines Enkels Mark Lowen)externer Link

deutsche Übersetzung BBC-Artikel Mark Lowen deutsche Übersetzung BBC-Artikel Mark Lowen, 35 KB

Philipp Stahls ältester Sohn Ernst Ludwig entwickelte schon früh eine große Vorliebe für die deutsche Literatur und Sprache. Seine Lehrer in Senekal und an der Universität in Kapstadt erkannten frühzeitig seine Fähigkeiten, und auf ihr Betreiben hin begann er ein Germanistikstudium in Oxford, Heidelberg und Bern. Nach seiner Doktorarbeit war Ernest Stahl ein international renommierter Literaturwissenschaftler und Dozent an den Universitäten Birmingham und Oxford. Er starb mit fast 90 Jahren im September 1992. Eine kurze Würdigung seiner wissenschaftlichen Kompetenz und seiner faszinierenden Persönlichkeit findet sich in einem Nachruf der britischen Internetzeitung "Indepent".externer Link

deutsche Übersetzung Obituary Ernest Stahl deutsche Übersetzung Obituary Ernest Stahl, 29 KB

Zum Lebensweg des zweiten Sohnes Otto gibt es bisher nur unsichere und widersprüchliche Angaben. Auch er ist möglicherweise ausgewandert. Auf "Familysearch" gibt es jedenfalls zwei diesbezügliche Passagierlisten, nach denen er im April 1936 nach England ausgewandert sein soll und/oder im Jahr 1949 nach New York, und ein Begräbnisdokument, nach dem ein 1906 geborener Otto Stahl im Februar 1981 in Johannesburg bestattet wurde. Ob es sich hier jeweils um Philipp Stahls Sohn handelt, ließ sich bisher nicht klären.

Philipp Stahl starb im Februar 1946 im Alter von 82 Jahren in Senekal, seine Frau Theresie verstarb wenige Jahre später im März 1950 in Johannesburg.


Quellenangaben




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