Personendaten


Stern Ludwig

Nachname
Stern
Vorname
Ludwig
Geburtsdatum
16.02.1921
Geburtsort
Würzburg
Weitere Familienmitglieder

Eltern: Joseph und Thekla Stern geb. Heimann
Schwester: Anna
Ehefrau: Therese Stern geb. Kappenmacher später Stern-Lawrence
Kinder: William, Tamara (Ann), Richard (Joseph)

Adresse

Hemmerichstraße 12 (heutige Zählung)

Beruf/Ämter
(Realschüler)
Emigration/Deportation

Dezember 1938 emigriert nach Holland
April 1940 emigriert in die Vereinigten Staaten

Sterbeort/Sterbedatum
New York - Juli 1979

Biografie


Ludwig Stern kam laut Schülerakte der Bad Kissinger Realschule am 16. Februar 1921 in Würzburg zur Welt. Sein Vater Joseph Stern, der aus einer Steinacher Familie stammte, war nach seiner Heirat mit der in Schwanfeld geborenen Thekla Heimann im März 1920 nach Bad Kissingen gezogen und hatte dort ein Handelsunternehmen für Eisenwaren und Landmaschinen gegründet. Am 6. August 1924 - inzwischen lebte die Familie bereits in der Hemmerichstraße - kam Ludwigs jüngere Schwester Anna (genannt Anni) zur Welt. Doch das glückliche Familienleben währte nicht lange: Nachdem Josef Stern im Oktober 1929 bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen war, musste Thekla in der schwierigen Zeit der Weltwirtschaftskrise das Geschäft fortführen und die Familie allein versorgen. In der NS-Zeit verschlechterte sich die wirtschaftliche Situation infolge der Boykottmaßnahmen zusätzlich, auch wenn ihr Bruder Hermann sie finanziell etwas unterstützte.

Ludwig Stern besuchte seit April 1931 die Kissinger Realschule und seine Noten zeigten, dass er ein ausgezeichneter Schüler war. Seine Klassenlehrer bescheinigten ihm durchgehend Fleiß, gute Begabung und Phantasie, sein Verhalten wird als „ordentlich“ wenn auch „etwas schwatzhaft und vorlaut“ bezeichnet. Lehrer Gagel bezeichnete ihn als „selbständige[n] Denker“, „gut begabt, für Mathematik und Physik hervorragend“. Mit Beginn der NS-Herrschaft wurde die Situation für den jüdischen Schüler schwierig, da er zunehmend antisemitischen Anfeindungen ausgesetzt war. Sein Klassenlehrer Heinrich Fichtl ließ dies in einer Bemerkung im Schülerbogen zum Ende der 5. Klasse (1935/36) erkennen: Er „hat in der Klasse als einziger Jude einen schweren Stand. Seine Hausaufgaben, besonders in Mathematik sind jedoch sehr begehrt…“ Ludwig Stern wollte Medizin studieren, doch die Türen zum Abitur blieben ihm leider verschlossen. Nach der fünften Klasse musste er wegen seiner jüdischen Herkunft Anfang April 1936 die Schule verlassen, obwohl ihm sein Klassenlehrer attestierte, dass er „willig u. sehr strebsam“ sei, „Fleiß u. Betragen […] lobenswert, seine Leistungen sehr gut“ seien.

So verließ er als 15-Jähriger die Kissinger Realschule, um in der Nähe von Augsburg eine Banklehre zu beginnen. Ab April 1937 besuchte er eine jüdische Mittelschule in Frankfurt. Nach den Sommerferien beantragte er in Würzburg und in Bad Kissingen ohne Erfolg die Aufnahme an der Oberrealschule. Sein Antrag wurde abgelehnt, obwohl zu diesem Zeitpunkt jüdische Schüler noch nicht ohne weiteres vom Unterricht ausgeschlossen werden durften. Die nähere Begründung ist der Schulakte nicht zu entnehmen. Schließlich wurde er an der Oberrealschule Augsburg aufgenommen.

Im Dezember 1938 entschloss sich Ludwig Stern zur Emigration. Als 17-jähriger reiste er nach Holland aus und wartete dort in einem Heim für jüdische Jugendliche mit vielen anderen auf die beantragte Einreise in die USA. In einem Brief seines Freundes Moritz wird die Lage der Jugendlichen geschildert: Ahnungslos, aber angstvoll in die Zukunft blickend, ohne Möglichkeit, einer Arbeit nachzugehen, bleibt ihnen nichts, als zu warten. Enttäuscht müssen sie erfahren, dass es auch in Holland Antisemitismus gab. Trost und Unterhaltung spenden ihnen in ihrer ungewissen Situation allein Literatur, Philosophie und die Gründung einer eigenen Heimzeitschrift, die sich mit Kultur und Politik befasst. Moritz bemerkt zu den Erfahrungen, die er und sein Freund Ludwig in dieser Zeit machen mussten: „Es sind die Erlebnisse junger von Eltern und Heim durch rohe Gewalt der Machthaber getrennter Kinder.“ Über Holland gelang Ludwig im April 1940 die Einreise in die USA.

Dort versuchte Ludwig alles, um Mutter und Schwester nachholen zu können, doch leider ohne Erfolg. Seine Mutter Thekla wandte sich Hilfe suchend an ihre Geschwister, die bereits in die USA emigriert waren. Sie hoffte, dass ihre Verwandten die Überfahrt bezahlen und die für die Einreise notwendige Bürgschaft übernehmen würden. Ludwig trieb zwar mit viel Mühe den notwendigen Bürgen für Thekla und Anna Stern auf, aber keiner der Verwandten erklärte sich bereit, die Überfahrt für beide zu bezahlen. So scheiterten alle Bemühungen, Mutter und Schwester zu retten.

Ludwig Stern heiratete 1949 in den USA die aus Haigerloch stammende Therese Kappenmacher, die 1935 zunächst nach Palästina emigriert war. In den 1950er Jahren lebten sie in Hennepin in Minnesota, wo ihre drei Kinder William (Lewis), Tamara (Ann) und Richard (Joseph) zur Welt kamen. Ludwig Stern, der sich in den USA "Lewis" nannte, starb im Juli 1979 in New York. Er nahm sich nach Angaben seiner Witwe  das Leben, weil er es - so schreibt sie in einem Brief - nie verwunden habe, seine Mutter und seine Schwester nicht retten zu können. Seine Witwe überlebte ihn um Jahrzehnte. Sie starb 2013, im Alter von 88 Jahren.


514_Ludwig-und-Anni-Stern-Kopie
Ludwig Stern und seine jüngere Schwester Anni
514_Ludwig Stern mit Mutter Thekla und Schwester Anni
Ludwig Stern mit Mutter Thekla und Schwester Anni

517_Ludwig-Stern
Passfoto aus dem Schülerausweis
7 Barmizwah
Bar Mizwa - Karte, Februar 1934


Quellenangaben


Bildnachweise


© Therese Stern-Lawrence



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