Personendaten


Wittekind Armand

Nachname
Wittekind
Vorname
Armand
Geburtsdatum
05.05.1890
Geburtsort
Bad Kissingen
Weitere Familienmitglieder

Eltern: Arthur Wittekind und Therese geb. Rheinstein 
Geschwister: Olga verh. Zentler
Ehefrau: Charlotte geb. Danziger

Adresse

Theresienstraße 23 (heute Ludwigstraße 5)

Beruf/Ämter
(Realschüler) - Antiquitätenhändler
Emigration/Deportation

emigriert nach Frankreich (Paris)

Sterbeort/Sterbedatum
Bad Kissingen - 05.12.1966

Biografie


Armand Wittekind kam am 5. Mai 1890 als erstes Kind des Antiquitätenhändlers Arthur Wittekind und dessen Frau Therese geb. Rheinstein in Bad Kissingen zur Welt. 1895 erblickte seine Schwester Olga das Licht der Welt. Die Familie wohnte in der Theresienstraße 23. Armands Vater, der den Titel "kaiserlich-königlicher Hoflieferant" führte, hatte im November 1896 vom Magistrat das Kissinger Bürgerrecht erhalten. Er besaß an der Ecke Ludwigstraße/Theresienstraße ein Kunst- und Antiquitätengeschäft.


Nach dem Besuch der ersten vier Volkschulklassen wechselte Armand im September 1890 an die Kissinger Realschule, die Vorläuferschule des heutigen Jack-Steinberger-Gymnasiums, an der er im Juli 1906 erfolgreich seinen Abschluss machte.

Armand Wittekind nahm als Frontsoldat am Ersten Weltkrieg teil und schied 1918 als Leutnant der Reserve aus dem Heer aus. Nach dem Krieg kehrte er zunächst nach Bad Kissingen zurück und wohnte wieder bei seinen Eltern. Während der Unruhen zu Beginn der Weimarer Republik trat Wittekind der im Mai 1919 gegründeten Kissinger „Einwohner- und Volkswehr“ zum Schutz gegen die Räteunruhen bei, der noch eine ganze Reihe anderer jüdischer Bürger angehörten, beispielsweise Ludwig Ehrlich, Siegmund Federlein, Otto Goldstein, Samuel Hoffmann und Hartwig Heymann (Beck/Walter, Jüdisches Leben in Bad Kissingen, S. 51) . Der junge Antiquar war auch ein passionierter Anhänger des Radsports, der sich im „Velociped-Club Bad Kissingen“ engagierte, wie seine Unterschrift auf der von Clubmitgliedern unterschriebenen Grußkarte von 1919 bezeugt.

Der Velociped-Club Bad Kissingen wurde am 8.Mai 1888 gegründet und wurde in der Gründungszeit noch sehr kritisch beäugt. Es gab viele Zweifler, die die Gegend für das Radfahren ungeeignet hielten. Doch schon mit dem ersten bereits im Gründungsjahr ausgeführten Radrennen gelang es dem Verein das Interesse der Öffentlichkeit für sich gewinnen. Noch mehr Beachtung fand der Verein durch den Bau einer Rennstrecke im Sommer 1889 mit den dort veranstalteten Rad-Rennen.

Im November 1919 heiratete Armand Wittekind im Berliner Hotel Adlon die 1999 in Berlin geborene Charlotte Danziger, kehrte jedoch im April 1924, als sein Vater verstorben war, nochmals für ein Jahr in die fränkische Kurstadt zurück. Seine Mutter war bereits 1907 gestorben. Im Oktober 1925 ging er schließlich endgültig nach Berlin. Armand Wittekind besaß in der Viktoriastraße 5 ein Antiquariat, das bis 1934 im Berliner Adressbuch aufgeführt wird.

Möglicherweise ist er bereits in diesem Jahr nach Frankreich emigriert, spätestens für März 1937 ist sein Wohnsitz in Paris bestätigt. Er führte dort in der Rue Francois I eine international renommierte Kunst- und Antiquitätenhandlung. Nach dem Einmarsch der deutschen Truppen gehörten Armand Wittekinds Kunstgegenstände offensichtlich zu den unter der Führung von „Reichsleiter“ Alfred Rosenberg beschlagnahmten und geraubten Kulturgütern. Nach der Besetzung Frankreichs schlug der von Alfred Rosenberg geleitete Einsatzstab seine Zelte im Museum „Jeu de Paume“ in Paris auf, wo er für die Konfiszierung „besitzerloser“ jüdischer Kunstsammlungen zuständig war und die französischen Privatsammlungen und Museen für das von Hitler persönlich geplante Kunstmuseum in Linz plünderte (vgl. Frohn, Axel: Die Fotoalben des „Führers“, Spiegel Online, 24.11.2007,  http://www.spiegel.de/einestages/raubkunst-a-948854.htmlexterner Link).

Vermutlich hatte Wittekind mit seiner Frau zu diesem Zeitpunkt Paris bereits verlassen. Nähere Einzelheiten darüber sind bisher nicht bekannt. Armand Wittekind lebte jedenfalls zu Beginn der 1950er Jahre mit seiner Frau wieder in Paris in der Rue François I. Im Juni 1951 reiste er mit seiner Frau nach Kanada und in die Vereinigten Staaten. In den 1960er-Jahren lebte Armand Wittekind in Genf, er hielt sich nach dem Krieg aber zeitweise auch wieder in Bad Kissingen auf. Er starb am 5. Dezember 1966 nach langer schwerer Krankheit in seiner Geburtsstadt und wurde nicht auf dem jüdischen Friedhof, sondern dem Parkfriedhof begraben. Im Sterbeeintrag ist Genf in der Schweiz als letzter Wohnort angegeben.

Armands jüngere Schwester Olga verh. Zentler überlebte ebenfalls, sie konnte rechtzeitig nach England emigrieren und lebte 1951 in London.

Aus dem Fotoalbum:


Quellenangaben


Cultural Plunder by the Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg:externer Link Database of Art Objects at the Jeu de Paume
Grußkarte Velociped-Club Bad Kissingen, 1919externer Link
Schularchiv Jack-Steinberger-Gymnasium
Meldeunterlagen der Stadt Bad Kissingen
Auskunft Stadtarchiv Bad Kissingen - Frau E. Bartezko
Saale-Zeitung, Bannerweihe des Velociped-Clubs Bad Kissingen, 04.02.1896
H.-J. Beck in: Beck/Walter, Jüdisches Leben in Bad Kissingen, S. 51
Heiratsanzeige Berliner Tagblatt, 4. November 1919, DFG-Viewer S. 7 externer Link
Berliner Adressbücher 1922 bis 1934externer Link
Eintrag Datenbank Familysearchexterner Link
Todesanzeige Saale-Zeitung, 06.12.1966
StAW WB IV A 3699

Bildnachweise


Kissinger Adressbuch 1925/27: © Stadtarchiv Bad Kissingen
Fotos © Alan Corduner



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