Personendaten
Müller Meinhold
Eltern: Max Müller und Klara geb. Nussbaum
Geschwister: Herbert, Willi
Ehefrau: Rebecka geb. Liwerant
Theresienstraße 4 (II) (bei Klara Dreifuß)
1936 emigriert nach Italien
1938 emigriert nach Schweden
Biografie
Meinhold Müller verbrachte seine Lehrjahre als Kaufmannslehrling in Bad Kissingen. Er kam am 19. November 1919 in der kleinen Ortschaft Marisfeld in Thüringen im Landkreis Hildburghausen als zweites Kind des Kaufmanns Max Müller und seiner Frau Klara geb. Nussbaum zur Welt. Seine Eltern hatten 1912 geheiratet und Max Müller hatte seiner aus Bad Hersfeld stammenden Frau versprochen, in eine größere Stadt zu ziehen, ein Versprechen, das er aufgrund der Zeitumstände erst 17 Jahre später erfüllen sollte. So kamen alle ihre Kinder - Herbert (1913), Meinhold (1919) und Willi (1922) - noch in Marisfeld zur Welt. 1929 zog die Familie dann in die benachbarte Kleinstadt Themar, wo Meinholds Vater in der Meininger Straße 17 ein Textilgeschäft führte. Im selben Anwesen befand sich auch das Wohnhaus von Familie Müller.
Meinhold Müller besuchte das Gymnasium in Hildburghausen, musste jedoch kurz nach Beginn der NS-Zeit die Schule verlassen und zog deshalb im April 1934 nach Bad Kissingen, um eine Ausbildung zu beginnen. Er wohnte in der Theresienstraße 4 bei Klara Dreifuß zur Miete und begann eine Ausbildung als Kaufmannslehrling im Textilgeschäft Grünebaum. Zwei Jahre später kehrte er nach Themar zurück, verließ aber noch im gleichen Jahr 1936 Deutschland, um nach Italien zu emigrieren. Seine Eltern hatten inzwischen erkannt, dass ihre drei Söhne in Deutschland keine Zukunft mehr hatten, und unternahmen alles, um ihre Kinder vor dem NS-Terror in Sicherheit zu bringen. Auch Meinholds jüngster Bruder konnte noch vor dem Novemberpogrom 1938 nach Palästina emigrieren und dem ältesten Bruder Herbert gelang mit seiner Frau Flora im Juli 1941 - wenige Monate vor dem Ausreiseverbot für jüdische Bürger - über Lissabon die Flucht nach New York.
Auch in Italien wurde die Lage für jüdische Bürger zunehmend prekärer, so dass Meinhold 1938 nach Schweden floh. Dort arbeitete er in der Nähe Göteborgs in der Landwirtschaft und später in einem Kibbuz. Er plante wohl zunächst - wie sein jüngerer Bruder - nach Palästina auszuwandern.
Zwischen Dezember 1938 und Mai 1942 schrieben Klara und Max Müller regelmäßig an ihre beiden schon ausgewanderten Söhne, an Meinhold in Schweden und Willi in Palästina. In diesem Briefwechsel spiegeln sich die schwierigen Startbedingungen für Meinhold in Schweden, vor allem aber die immmer aussichtslosere Situation seiner Eltern in Themar wider. Anders als ihren Kindern blieb ihnen die Rettung versperrt. Trotz aller Bemühungen war kein Land bereit, sie als Flüchtlinge aufzunehmen. Verwandte in den USA hatten zwar für ihre Überfahrt bereits bezahlt, doch bis zum Oktober 1941 - als ein generelles Ausreiseverbot verhängt wurde - hatten sie auf der Warteliste noch nicht den Platz erreicht, der ihnen laut Quotenregelung die Einreise erlaubt hätte. Im Mai 1942 wurden sie zusammen mit 350 anderen thüringischen Juden nach Belzyce Ghetto im besetzten Polen deportiert und ermordet. Zwei Tage vor ihrer Deportation schrieben sie die letzten Zeilen an ihren Sohn Meinhold:
"Lieber Meinhold!
Wie wir bereits schrieben, verreisen wir morgen früh mit Familie Neuhaus. Eine Adresse können wir Dir nicht angeben, so bald es uns möglich ist, geben wir Dir unsere neue Adresse an... Da es sehr eilig geht, schreibe ich heute kurz. Viele Grüße Dein Papa. Innige Küsse Mama."
(Die Sammlung der Briefe und Postkarten von Klara u. Max Müller an ihre Söhne ist hier zu finden).
Meinhold Müller blieb in Göteborg und heiratete im August 1947 Rebecka geb. Liwerant, die 1922 in Hamburg als Kind polnischer Einwanderer geboren war. Sie war mit ihrer Familie vor 1930 nach Belgien ausgewandert, lebte jedoch in den 1930er-Jahren wieder in Deutschland. Da sie nach wie vor keine deutsche Staatsangehörigkeit besaß, wurde sie Ende Oktober 1938 im Rahmen der sog. "Polenaktion" nach Polen abgeschoben. 1940 wurde sie ins Ghetto Lòdz (Litzmannstadt) deportiert, wo auch ihre Mutter und ihr Bruder inhaftiert waren. Das Ende des Krieges erlebte sie im Konzentrationslager Bergen-Belsen und wurde vom Roten Kreuz im Herbst 1945 nach Schweden geschickt, wo sie schon bald ihren zukünftigen Ehemann kennenlernte. Auch ihre Mutter und ihr Bruder überlebten die Inhaftierung in den Konzentrationslagern.
Besonders zu seinem jüngeren Bruder Willi, der nach Palästina geflohen war, hatte Meinhold eine sehr herzliche und freundschaftliche Beziehung. Er hat ihn nach dem Krieg mehrfach in Israel besucht und beide schrieben sich regelmäßig.
Über Meinhold Müllers weiteres Leben ist nur wenig bekannt. Er war in der jüdischen Gemeinde aktiv und war mehrere Jahre Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde von Göteborg. Die Ehe mit Rebecka blieb kinderlos. In den 1970er Jahren besuchte er noch einmal seine thüringische Heimat Themar, damals hinter dem Eisernen Vorhang gelegen. Meinhold Müller starb im Juni 1993 im Alter von 73 Jahren in Göteborg. Seine Frau überlebte ihn um mehr als zwei Jahrzehnte, sie starb im Jahr 2015.
Quellenangaben
Die Biografie verdankt viele Informationen der Website von Dr. Sharon Meen "Ihre Stimmen leben noch - Jüdisches Leben in Themar", insbesondere der Familienbiografie "Die Familie von Max & Clara (geb. Nussbaum) MÜLLER" sowie der Brief- und Postkartensammlung von Clara und Max Müller, 1938-1942
Stadtarchiv Bad Kissingen, Polizeiliche Wohnungsmeldung
Datenbank Genicom, Eintrag Meinhold Mueller
Datenbank Ancestry, Familienstammbaum
Datenbank Ancestry, Heiratsregister Schweden
Video Heimatkunde - Jüdisches Leben in Themar
Datenbank Genicom, Eintrag Rebecka Mueller
Datenbank Ancestry, Rebeka Liwerant in Polen, Registerbücher aus dem Getto Lòdz, 1939-1944 (USHMM)
Datenbank Ancestry, Rebecca Liwerant in Belgium, Antwerp Police Immigration Index, 1840-1930
Informationen Sharon Meen, Mail vom 02.08.2020
Informationen Reuven Mor (Neffe Meinhold Müllers), Mail vom 18.04.2023
Bildnachweise
© Sammlung Herbert Müller und Sammlung Norman Miller, entnommen "Ihre Stimmen leben noch - Jüdisches Leben in Themar"
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