Personendaten


Lien Rosalia

Nachname
Lien
Geburtsname
Falkenstein
Vorname
Rosalia
Geburtsdatum
05.04.1905
Geburtsort
Hochneukirch (heute im Rheinkreis-Neuss/NRW)
Weitere Familienmitglieder

Eltern: Gustav Falkenstein und Jeanette geb. Schnitzler
Geschwister: Richard , Kurt, Johanna verh. Sommer, Moses Arthur (im Geburtsjahr verstorben)
Ehemann: Leopold Lien
Kinder: Jennifer verh. Goldfinger

Adresse

Marktplatz 2 (bei Leuthold)

Beruf/Ämter
Hausgehilfin
Emigration/Deportation

1939 emigriert nach England

Sterbeort/Sterbedatum
Camden, Greater London, England - 18.06.1994

Biografie


Rosalia Lien geb. Falkenstein arbeitete die letzten Jahre vor ihrer Emigration in Bad Kissingen als Hausgehilfin. Sie kam am 5. April 1905 als drittes von fünf Kindern des Kaufmanns Gustav Falkenstein und seiner Frau Jeanette geb. Schnitzler in Hochneukirch (heute im Landkreis Rhein-Neuss in Nordrheinwestfalen) zur Welt. Ihr Vater besaß dort ein Textilwarengeschäft.

Nach dem Besuch der Volkschule in ihrer Heimatgemeinde und der Industrieschule in Rheydt absolvierte Rosalie (in der Familie Rosi genannt) im elterlichen Betrieb eine Lehre und volontierte anschließend bei einer Firma in Dortmund.

Rosalias Vater starb 1923 an den Folgen der Verletzungen, die er im Ersten Weltkrieg erlitten hatte. Seine Frau Jeanette übernahm seinen Manufakturwarenhandel und Rosalie kehrte nach dem Tod ihres Vaters nach Hochneukirch zurück und leitete erfolgreich das väterliche Geschäft bis zur Machtübernahme der Nationalsozialisten. Nach 1933 gingen durch die Boykottmaßnahmen der Nationalsozialisten die Einnahmen stark zurück und deshalb entschied sich Rosalia dafür, eine Beschäftigung als Haushaltsgehilfin anzunehmen. Im Juni 1935 fand sie zunächst eine Anstellung in Bausendorf/Kr. Wittich, die sie aber schon nach wenigen Wochen wieder verlor, wie sie im Wiedergutmachungsverfahren nach dem Krieg schildert: „Nach einigen Wochen erhielt ich von der Polizei ein Zuzugsverbot zugestellt, weil ich Jüdin war und am gleichen Tag wurde die Wohnung meines Arbeitgebers vom aufgehetzten Mob zertrümmert: Ich selbst wurde misshandelt und von der Polizei in Wittich in Schutzhaft genommen, wo ich einige Tage verbrachte“ (zitiert aus: „Ausgegrenzt, ausgeliefert, ausgelöscht, überlebt? Jüdische Schicksale in Jüchen zwischen Spenrath und Damm“, herausgegeben vom Gemeindedirektor der Gemeinde Jüchen, 1998, S. 120). Die Folgen der Misshandlung waren so gravierend, dass Rosalia fast sechs Monate lang regelmäßig von einem Jüchener Arzt behandelt werden musste.

Im November 1935 zog Rosalia dann nach Bad Kissingen und arbeitete als Hausgehilfin bei Salomon Leuthold am Marktplatz. Sie verlobte sich mit dessen Sohn Leo. Während des Novemberpogroms 1938 wurde sie für einen Tag in „Schutzhaft“ genommen, blieb jedoch weiterhin in ihrer Stellung in Bad Kissingen, um ihre Mutter in Hochneukirch zu unterstützen, die 1938 den Textilwarenhandel schließen musste.  

Rosalia Falkenstein wohnte noch bis Februar 1939 in der fränkischen Kurstadt und emigrierte dann - nach einem kurzen Aufenthalt in ihrer Heimatgemeinde Hochneukirch - im Mai 1939 nach Großbritannien. Ihre Mutter Jeanette starb im November 1940 in Hochneukirch. Ihrem Verlobten Leo gelang im August die Flucht in die Vereinigten Staaten und er versuchte für Rosalia ebenfalls eine Einreisemöglichkeit zu erreichen, doch scheiterte der Versuch, ein Visum für sie zu bekommen.

Auch Rosalias ältestem Bruder Richard gelang 1939 die Flucht nach England, beide lebten dort in Hampstead/London. Die anderen Geschwister wurden dagegen Opfer der Shoa: Ihr Bruder Kurt, der 1938 Betty Lüchenheim geheiratet hatte, wurde 1941 mit seiner Frau nach Riga deportiert und ermordet. Und ihre Schwester Johanna, die 1939  den aus Witten stammenden Handlungsgehilfen Kurt Sommer geheiratet hatte, wurde 1942 zusammen mit ihrem Mann und ihrem zweijährigen Sohn Bert von Köln nach Minsk deportiert und ermordet.

Die ersten Jahre in England waren nicht einfach für die inzwischen 34-Jährige:„Nach meiner Ankunft wurde mir eine Stellung als Hausmädchen in einem englischen Haushalt vermittelt. Bis zum Ausbruch des Krieges konnte ich meiner Arbeit nachgehen, die sich im Küstengebiet befunden hat. Nach Ausbruch des Krieges verlor ich auch diese Stellung. Bis zum Jahr 1947 konnte ich mangels der erforderlichen Sprachkenntnisse und auch angesichts meines schlechten Gesundheitszustandes nur untergeordnete Stellungen anfangs im Haushalt und späterhin in Hotelbetrieben annehmen.“ (Ebenda; S. 121)

Rosalia Falkenstein heiratete im Oktober 1947 in Hampstead den Schneider Leopold Lien, der bis 1938 in Berlin gelebt hatte. Laut Fürther Gedenkbuch wurde er im Oktober 1938 im Rahmen der sog. "Polenaktionexterner Link" nach Bentschen  abgeschoben. Im Mai 1939 konnte er nach Berlin zurückkehren, verließ jedoch Deutschland wenig später im Augúst und tauchte in Italien unter. Dort hielt er sich illegal in Mailand auf, bis er im Juni 1940 verhaftet wurde. Er wude im süditalienischen Lager Ferramonti di Tarsia externer Linkinhaftiert, das im September 1943 von der britischen Armee befreit wurde. So überlebte Leopold Lien die NS-Zeit und emigrierte 1947 nach England. 1948 kam ihre Tochter Jennifer zur Welt. Leopold Lien starb 1977 in Hampstead/London. Rosalia Lien lebte noch bis Juni 1994, sie starb in Camden/Greater London im Alter von 89 Jahren.

Aus dem Fotoalbum:
 


Quellenangaben


Stadtarchiv Bad Kissingen, Polizeiliche Wohnungsmeldung
Website "epidat - epigraphische Datenbank, Jüchen-Hochneukirch", Steinheim-Institutexterner Link
Datenbank Ancestry, Familienstammbaum [Verwechslung Ortsangabe Hamstead/Staffordshire mit Hampstead/Greater London]externer Link
Devries, Koopmann, Hartoch, Sanders, Stammbaum Rosalia Falkensteinexterner Link
Datenbank Ancestry, Rosalia Falkenstein in Heiratsindex, England und Wales, 1916-2005externer Link
Datenbank Ancestry, Rosalia Lien in Sterbeindex England & Wales, 1916-2007externer Link
Familienbuch Euregioexterner Link
Memorbuch Jüdische Fürther, Opfer der Shoa, Lien Leopoldexterner Link
Arolsen Archives Online, Lien Leopoldexterner Link
Informationen Jenny Goldfinger geb. Lien (Tochter Rosalia Liens, Mail v. 16.09.2023)
Informationen Jenny Goldfinger geb. Lien (Tochter Rosalia Liens, Mail v. 01.01.2024 an H.J. Beck)

Wertvolle Details verdanken wir der Publikation "Ausgegrenzt, ausgeliefert, ausgelöscht, überlebt? Jüdische Schicksale in Jüchen zwischen Spenrath und Damm“, herausgegeben vom Gemeindedirektor der Gemeinde Jüchen, 1998. Auf die Quelle hat uns freundlicherweise Hans-Jürgen Beck aufmerksam gemacht.

Bildnachweise


© Sammlung Jennifer Goldfinger/Ilse Rübensteck/Rüttiger Rottger    (freundlicherweise von H.-J. Beck an uns vermittelt)



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