Personendaten


Kurzweil Moses

Nachname
Kurzweil
Vorname
Moses
Geburtsdatum
19.04.1875
Geburtsort
Poszony (Bratislawa) (heute Slowakei)
Weitere Familienmitglieder

Eltern: Adolf Kurzweil und Netty geb. Kundstadt
Geschwister: Sussmann, Malka Amalia verh. Donath, Abraham Ayre, Samuel, Charlotte, Ignaz, Michael, Johanna
Ehefrau: Lina geb. Finke
Kinder: Walter, Isidor (Izchak), Adolf (Amram), Theo

Adresse

Maxstraße 10 (heute Promenadestraße 2)

Beruf/Ämter
Kantor und Schächter
Emigration/Deportation

September 1942 deportiert von Frankfurt nach Theresienstadt

Sterbeort/Sterbedatum
Theresienstadt - 11.03.1943

Biografie


Moses (Moritz) Kurzweil wohnte nur wenige Jahre in Bad Kissingen und war von der hiesigen jüdischen Gemeinde als Kantor und Schochet angestellt. 

Moses Kurzweil wurde am 19. April 1875 als Sohn des Kultusbeamten Adolf Kurzweil und dessen Ehefrau Netty geb. Kundstadt in Bratislawa (Preßburg)/Slowakei geboren, das damals zur Habsburger Doppelmonarchie gehörte. Er war in der K.u.- k.-Armee zum Offizier aufgestiegen und schon vor dem Ersten Weltkrieg nach Deutschland gezogen. Vor 1912 lebte er in Fellheim bei Memmingen. Seit 1912 wohnte er in Mönchsroth im mittelfränkischen Landkreis Ansbach und war dort als Religionslehrer, Vorsänger und Schochet tätig.

Mönchroth Kantorenstelle
Werbeanzeige in "Der Israelit", Dezember 1911 - Vermutlich bewarb sich Moses Kurzweil auf diese Anzeige und trat im April 1912 die Stelle in Mönchsroth an.
Im April 1914 heiratete er in Theilheim/Landkreis Schweinfurt (heute Ortsteil von Waigolshausen) die dort geborene Lina Finke, mit der er vier Kinder hatte: Walter (*1915), Isidor (*1918), Adolf (*1920) und Theo (*1926).

Jüdisches GemeindehausPromenadestraße 2
Jüdisches Gemeindehaus Bad Kissingen (Promenadestraße 2)

Die Familie lebte zunächst in Mönchsroth und zog im März 1921 nach Bad Kissingen, wo Moses Kurzweil eine Anstellung  als Kantor und Schächter der jüdischen Gemeinde fand. Er wohnte mit seiner Familie im Jüdischen Gemeindehaus (heute Promenadestraße 2). 

Die Kinder erfuhren, wie sich Sohn Isidor erinnert, „eine gewisse militärische, wenn auch streng religiöse Erziehung“, was sich sicherlich aus dem beruflichen Werdegang des Vaters erklären lässt.

Im August 1924 verließ Familie Kurzweil die fränkische Kurstadt wieder, denn Moses Kurzweil trat in Treuchtlingen im Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen eine Stelle als Kantor und Schächter an, die er bis 1932/33 ausübte. Die Familie lebte dort in der Uhlengasse im Vorderhaus der Synagoge, das  als „Judenschule“ bezeichnet wurde und traditionell die Wohnung des Kantors  der Gemeinde war.

Synagoge Treuchtlingen


 

Moses Kurzweils Verhältnis zu seinem Arbeitgeber - der Israelitischen Kultusgemeinde Treuchtlingens - war nicht gerade harmonisch. Es gab immer wieder Klagen und Beschwerden gegenüber dem Kantor und Schächter, wie Kurzweils Personalakte zu entnehmen ist. Offensichtlich fand seine Art der Gottesdienstgestaltung und auch die Ausübung seiner Aufgaben als Schochet nicht überall Anklang. In einem Schreiben vom Oktober 1925 wirft ihm die Kultusverwaltung vor, „ der Gottesdienst in den Festtagen wird von Ihnen in einer Weise gehalten, wie es die Gemeinde nicht gewöhnt ist. Insbesondere wollen Sie auf Grund des mit Ihnen abgeschlossenen Vertrages sich die Gesänge einüben, wie es hier üblich ist. Auch ist der Gottesdienst an  den übrigen Tagen zu bemängeln… Es soll nicht unerwähnt bleiben, daß der Gottesdienst an Simchas Thora externer Linkallgemeine Unzufriedenheit ausgelöst hat." (Personalakte für Kantor [Chasan] und Schächter [Schochet] Moses Kurzweil 1875-1943) externer Link.

Und auch an der Fleischabnahme des Schochet gab es Kritik von seiten der Metzger und Gemeindemitglieder.

Auch sein relativ frühzeitiges Ausscheiden aus dem Amt  mit 58 Jahren und die vorzeitige Pensionierung verliefen offensichtlich nicht ohne Streit mit der Israelitischen Kultusverwaltung. Nachdem dort auch die Kündigung des Vertrags zur Diskussion stand, beantragte Moses Kurzweil "auf Grund seines Gesundheitszustandes und eines amtsärztlichen Attests" die Pensionierung zum April 1933, was auch die Zustimmung des Israelitischen Kultusverwaltung fand.  Immerhin konnten Moses Kurzweil und seine Familie auch weiterhin zur Miete in der bisherigen Dienstwohnung im Vorderhaus der Synagoge wohnen.

Die Nachbarn der Uhlengasse hatten dagegen offensichtlich sehr positive Erinnerungen an die Familie: „Zu den Kurzweils, die drüben in der Synagoge wohnten, hatte man eine gute Beziehung. Kantor Moses Kurzweil war eine Respektsperson für alle Kinder in der Uhlengasse. Seine Frau Lina, die gelernte Krankenschwester war, half ohne Unterschied der Religion, wenn sie geholt wurde“ (Walter E. Keller, Jüdisches Leben in Treuchtlingen).

Allerdings litt die jüdische Minderheit in der Stadt nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten zunehmend unter dem wachsenden Antisemitismus, der insbesondere während des Novemberpogroms 1938 in brutaler Form zum Ausbruch kam:

Die Ausschreitungen in Treuchtlingen begannen in den frühen Morgenstunden des 10. November.

Mitglieder der Treuchtlinger SA steckten die Synagoge sowie das Wohnhaus des Kantors Moses Kurzweil in Brand. Eine Zeugin erinnerte sich, wie die Männer vor dem Haus des Kantors Moses Kurzweil schrien: „Jud’ mach auf, geh raus, wir zünden dein Haus an, sonst verbrennen wir dich!“ (Michael Wildt ,…S.71….) Die Synagoge mit dem gesamten Inventar, den Thorarollen, den Ritualien sowie dem vorgebauten Wohnhaus brannten bis auf die Grundmauern nieder. Auch immer mehr Treuchtlinger Bürger zogen mit den SA-Schlägertrupps zu den jüdischen Wohnungen und beteiligten sich an den Gewaltaktionen. Männer, Frauen und Jugendliche feuerten die Schläger an, plünderten die Geschäfte und zerstörten Wohnungen. Die jüdischen Bewohner wurden zum Teil bei den Angriffen verletzt und verließen nun fluchtartig die Kleinstadt. Auf dem Weg zum Bahnhof wurden sie von der umstehenden Menge verspottet und geschlagen. Von den 93 Juden, die noch in Treuchtlingen lebten, hatten am 11.November 1938 alle - bis auf drei Personen - die Stadt verlassen.

Auch Moses Kurzweil, seine Frau Lina und der jüngste Sohn Theo, der 1926 in Fürth geboren wurde, mussten aus Treuchtlingen fliehen. Sie zogen nach Frankfurt am Main und wohnten dort im Frankfurter Nordend in der Fichtestraße 5. Den drei älteren Söhne Walter, Isidor (Izchack) und Adolf (Amram) war noch rechtzeitig die Flucht nach Palästina gelungen. Sie überlebten so die NS-Zeit.

Moses und Lina Kurzweil wurden dagegen Opfer der Shoa. Im September 1942 wurden beide von Frankfurt nach Theresienstadt deportiert. Lina starb dort ein Jahr später, und Moses überlebte seine Frau nur um wenige Wochen. Als Todesdatum wird für ihn der 11. Oktober 1943 angegeben.

Auch ihr jüngster Sohn Theo (*1926, der vor seiner Deportation in Berlin und im „Landwerk Steckelsdorf“ in Brandenburg lebte, wurde als 16-Jähriger von dort zusammen mit 51 anderen meist Jugendlichen im Juli 1942 nach Auschwitz deportiert und ermordet. Vermutlich hatte er im „Landwerk Steckelsdorf“, einem „Hachschara-Lager“, das Jugendliche auf die Ausreise in Palästina vorbereiten sollte, noch die Hoffnung, wie seine älteren Brüder nach Palästina zu emigrieren - eine Hoffnung, die sich nicht erfüllen sollte.
Moses Kurzweils jüngerer Bruder Michael, der ebenfalls aus Bratislawa nach Deutschland ausgewandert war und jahrzehntelang als Kultusbeamter der Israelitischen Gemeinde in Frankfurt tätig war, wurde ebenfalls ein Opfer der Shoa. Er emigrierte zu Beginn des Zweiten Weltkriegs in die slowakische Stadt Topolcany, wurde jedoch von dort mit seiner Frau nach Auschwitz deportiert und ermordet.


Quellenangaben


Meldedaten Stadtarchiv Bad Kissingen
Bad Kissingen Adressbücher 1922 und 1924
Auszug aus: Walter E. Keller, Jüdisches Leben in Treuchtlingen, 2008externer Link
Walter E. Keller, Jüdisches Leben in Treuchtlingen, Online-Versionexterner Link
Aus der Geschichte der jüdischen Gemeinden im deutschen Sprachraum, Treuchtlingen/Altmühl (Mittelfranken/Bayern)externer Link 
"Wir sind gute Freunde geworden", Artikel im "Treuchtlinger Kurier", 15.06.2010externer Link
Michael Wildt, Gewalt gegen Juden in Deutschland 1933 bis 1939 in: Werkstatt Geschichte 18, Hamburg 1997, insbesondere S. 71externer Link
Michael Wildt, Antisemitische Gewalt und Novemberpogrom in: Die „Reichskristallnacht“ in Schleswig-Holstein. Der Novemberpogrom im historischen Kontext. Herausgegeben von Rainer Hering (Veröffentlichungen des Landesarchivs Schleswig-Holstein Band 109). Hamburg 2016, S.224ffexterner Link
Gedenkbuch Bundesarchiv Koblenz, Einträge Kuzweil Mosesexterner Link, Linaexterner Link, Theoexterner Link
Deportationsliste, Landwerk Steckelsdorf, Juli 1942 in: Statistik des Holocaustexterner Link
Israel's archives are going onlineexterner Link
Memoirs of Isi Kurzweil, born in Treuchtlingen, Germany, regarding his experiences as a British Army soldier from Mandatory Palestine who was taken captive during the war, Yad Vashem Documents Archive, Record Group: O.33 - Testimonies, Diaries and Memoirs Collection, File Number: 7401externer Link
Datenbank Genicom, Moses Kurzweilexterner Link
Informationen Alexander Hilbig,Gemeinde Waigolshausen, Eheurkunde  Moses Kurzweil und Lina Finke, Mail 30.06.2021
Informationen G. Reese, Mönchsroth, Mail vom 02.08.2021 (Anstellungsvertrag mit der Israelitischen Kultusgemeinde Mönchsroth, 1912, Staatsarchiv Nürnberg)
Personalakte für Kantor [Chasan] und Schächter [Schochet] Moses Kurzweil (1875-1943), Israelitische Gemeindearchive in Bayern, Gemeinde Treuchtlingen, CAHJP, Gemeinde Treuchtlingen D-Tr 1/5externer Link,
Protokollbuch Israelit. Kultusverwaltung,Sitzungsniederschriften der Israelitischen Kultusgemeinde Treuchtlingen.,CAHJP, Gemeinde Treuchtlingen D-Tr 1/3 externer Link

Bildnachweise


Werbeanzeige © Alemannia Judaica Mönchsroth
Jüdisches Gemeindehaus Bad Kissingen © Stadtarchiv Bad Kissingen
Fotos Synagoge Treuchtlingen © Walter E. Kellerexterner Link



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