Personendaten


Kurzweil Lina

Nachname
Kurzweil
Geburtsname
Finke
Vorname
Lina
Geburtsdatum
22.06.1884
Geburtsort
Theilheim/Landkreis Schweinfurt
Weitere Familienmitglieder

Eltern: Lazarus Finke und Babette Weikersheimer
Geschwister: Sara verh. Bachmann, Miriam (Meta) verh. Cohn, Berta, Jettchen verh. Oberdörfer, Elsa verh. Oberdorfer, Johanna verh. Buschitz (vermutlich aus anderer Familie Vater Moses und Mutter Feiga?)
Ehemann: Moses Kurzweil
Kinder: Walter, Isidor, Adolf, Theo

Adresse

Maxstraße 10 (heute Promenadestraße 2)

Beruf/Ämter
Krankenschwester
Emigration/Deportation

September 1942 deportiert von Frankfurt/Main nach Theresienstadt

Sterbeort/Sterbedatum
Theresienstadt - 10.09.1943

Biografie


Lina Kurzweil geb. Finke lebte nur wenige Jahre in Bad Kissingen. Sie wurde am 22. Juni 1884 als Tochter des Handelsmanns Lazarus Finke und dessen Ehefrau Babette Weickersheim im fränkischen Theilheim/Landkreis Schweinfurt (heute Ortsteil von Waigolshausen) geboren und wuchs mit sieben (oder sechs?) Geschwistern in einer kinderreichen Familie auf. Lazarus Finkeexterner Link stammte aus einer alteingesessenen, weitverzweigten Familie Theilheims und erzog seine Kinder in streng religiöser Weise. Seine langjährige Mitarbeit als Mitglied der Chewra Kadischa zeigte auch, dass er sich in der jüdischen Gemeinde religiös und sozial engagierte.
Auch Lina war von dieser Einstellung geprägt. Sie besuchte zwischen 1899 und 1902 eine Fortbildungsschule in Würzburg, ließ sich zur Krankenschwester ausbilden und heiratete im April 1914 in Theilheim den aus Bratislawa (damals Ungarn, heute Slowakei) stammenden Moses Kurzweil, der als Kantor und Schochet tätig war.

Das Ehepaar lebte zunächst in Mönchsroth/Landkreis Ansbach, wo 1915 ihr erster Sohn Walter zur Welt kam. Nach der Geburt von zwei weiteren Söhnen - Isidor und Adolf - zog die Familie im März 1921 nach Bad Kissingen, wo Moses Kurzweil eine Stelle als Kantor und Schächter annahm. Die Kurzweils wohnten im jüdischen Gemeindehaus in der Promenadestraße (damals Maxstraße 10). Bereits im August 1924 verließ Familie Kurzweil die fränkische Kurstadt wieder und zog nach Treuchtlingen im Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen, wo Linas Ehemann die vakant gewordene Stelle des Kantors und Schochet übernahm, die er bis 1938 ausübte.
Die Familie lebte dort in der Uhlengasse im Vorderhaus der Synagoge, das als „Judenschule“ bezeichnet wurde und traditionell die Wohnung des Kantors der Gemeinde war.

Die Nachbarn der Uhlengasse hatten offensichtlich sehr positive Erinnerungen an die Familie: „Zu den Kurzweils, die drüben in der Synagoge wohnten, hatte man eine gute Beziehung. Kantor Moses Kurzweil war eine Respektsperson für alle Kinder in der Uhlengasse. Seine Frau Lina, die gelernte Krankenschwester war, half ohne Unterschied der Religion, wenn sie geholt wurde“ (Jüdisches Leben in Treuchtlingen).

Allerdings litt die jüdische Minderheit in der Stadt nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten zunehmend unter dem wachsenden Antisemitismus, der insbesondere während des Novemberpogroms 1938 in brutaler Form zum Ausbruch kam:
Die Ausschreitungen in Treuchtlingen begannen in den frühen Morgenstunden des 10. November. Mitglieder der Treuchtlinger SA steckten die Synagoge sowie das Wohnhaus der Kurzweils in Brand. Eine Zeugin erinnerte sich, wie die Männer vor dem Haus des Kantors schrien: „Jud’ mach auf, geh raus, wir zünden dein Haus an, sonst verbrennen wir dich!“ (Michael Wildt ,...S.71....) Die Synagoge mit dem gesamten Inventar, den Thorarollen, den Ritualien sowie dem vorgebauten Wohnhaus brannten bis auf die Grundmauern nieder. Auch immer mehr Treuchtlinger Bürger zogen mit den SA-Schlägertrupps zu den jüdischen Wohnungen und beteiligten sich an den Gewaltaktionen. Männer, Frauen und Jugendliche feuerten die Schläger an, plünderten die Geschäfte und zerstörten Wohnungen. Die jüdischen Bewohner wurden zum Teil bei den Angriffen verletzt und verließen nun fluchtartig die Kleinstadt. Auf dem Weg zum Bahnhof wurden sie von der umstehenden Menge verspottet und geschlagen. Von den 93 Juden, die noch in Treuchtlingen lebten, hatten am 11.November 1938 alle - bis auf drei Personen - die Stadt verlassen.
Auch Lina Kurzweil, ihr Mann Moses und der jüngste Sohn Theo mussten aus Treuchtlingen fliehen. Sie zogen nach Frankfurt am Main und wohnten dort im Frankfurter Nordend in der Fichtestraße 5. Den drei älteren Söhne Walter, Isidor (Izchack) und Adolf (Amram) war noch rechtzeitig die Flucht nach Palästina gelungen. Sie überlebten so die NS-Zeit.
Lina und Moses Kurzweil wurden dagegen Opfer der Shoa. Im September 1942 wurden beide von Frankfurt nach Theresienstadt deportiert. Lina starb dort im September 1943 und Moses überlebte seine Frau nur um wenige Wochen. Auch ihr jüngster Sohn Theo, der vor seiner Deportation in Berlin und im „Landwerk Steckelsdorf“ in Brandenburg lebte, wurde als 16-Jähriger von dort zusammen mit 51 anderen meist Jugendlichen im Juli 1942 nach Auschwitz deportiert und ermordet. Vermutlich hatte er im „Landwerk Steckelsdorf“, einem „Hachschara-Lager“, das Jugendliche auf die Ausreise in Palästina vorbereiten sollte, noch die Hoffnung, wie seine älteren Brüder nach Palästina zu emigrieren - eine Hoffnung, die sich nicht erfüllen sollte.

Auch unter Linas Geschwistern sind zahlreiche Shoaopfer zu beklagen. Sara und ihr Bruder Benjamin starben in Theresienstadt, Elsa wurde nach Krasniczyn deportiert und in der Umgebung von Lublin ermordet und Bertha und Jettchen wurden 1942 nach Theresienstadt/1944 weiter nach Auschwitz deportiert und ermordet. Nur ihre Schwester Miriam (Meta) überlebte die NS-Zeit, sie emigrierte nach Paris und später nach Palästina und starb 1968 mit 91 Jahren in Haifa/Israel.


Quellenangaben




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