Personendaten
Herzberg Recha
Eltern: Dr. Salomon Mannes und Klara geb. Jacobi
Geschwister: Julius, Bertha, Abraham Hillel, Israel, Moses, Roesel (Ruth)
Ehemann: Abraham Alfred Herzberg
Kinder: eine früh verstorbene Tochter, Michael Jaakov und ein weiterer Sohn
Am Altenberg 2 (Israelitisches Kurhospiz)
emigriert im September 1933 nach Palästina
Biografie
Recha (Rosalie) Herzberg geb. Mannes arbeitete als Angestellte im Israelitischen Kurhospiz und hielt sich nur kurze Zeit in Bad Kissingen auf. Sie kam im Mai 1906 als Tochter von Dr. Salomon Mannes und dessen Ehefrau Klara geb. Jacobi im mittelfränkischen Schwabach zur Welt und wuchs zusammen mit sechs Geschwistern in einer kinderreichen Familie auf. Rechas Eltern stammten aus der früheren preußischen Provinz Posen (seit 1919 polnisch). Sie hatten sich am Lehrer- und Rabbinerseminar in Berlin kennengelernt, an dem Klara studierte und ihr späterer Ehemann lehrte. Nach der Jahrhundertwende zogen sie nach Schwabach. Rechas Vater war von 1903 bis zur Auflösung des Rabbinats im Jahr 1932 Distriktsrabbiner von Schwabach/Fürth und damit für neun Kultusgemeinden in der Umgebung verantwortlich und zudem viele Jahre Landesrabbiner. Zugleich leitete er die dortige Talmud-Tora-Schule.
Im Mai 1927 kam Recha nach Bad Kissingen und arbeitete für eine Kursaison als Volontärin im gerade eröffneten Israelitischen Kurhospiz am Altenberg. Diese Einrichtung war vor allem auf Betreiben des Bad Kissinger Rabbiners Dr. Seckel Bamberger entstanden, den Rechas Vater als Amtskollegen vermutlich kannte, und die Ausbildung in einem solchen Hause entsprach sicher ganz den Vorstellungen ihres religiös geprägten Elternhauses. Bereits im Oktober 1927 zog Recha wieder nach Schwabach zurück. Offensichtlich empfand Recha die Ausbildung in Bad Kissingen als positiv, denn in der darauffolgenden Kursaison absolvierte auch ihre jüngere Schwester Bertha ein Volontariat im Israelitischen Kurhospiz.
Wenige Jahre später lernte Recha den in Fürth geborenen Abraham Alfred Herzberg kennen, der eine Ausbildung zum kaufmännischen Angestellten absolviert hatte. Beide heirateten im März 1932 in Schwabach und wenn es nicht zur Ausgrenzung und Verfolgung der jüdischen Bevölkerung gekommen wäre, hätte Alfred Herzfeld sicher eine führende Position in der Textilfirma seines Vaters übernommen. Doch der massive Antisemitismus der örtlichen Nazis schon vor der Machtübernahme der Nazis machte dem jungen Paar klar, dass sie in Deutschland keine Zukunft mehr hatten. Sie entschlossen sich frühzeitig zur Auswanderung nach Palästina, wobei die Realisierung aufgrund der restriktiven Einwanderungsbestimmungen der britischen Mandatsbehörden nur auf einem überaus kreativen Weg zu bewerkstelligen war. Zusammen mit etwa 20 Verwandten und Freunden wurde ein Plan zur Auswanderung geschmiedet. Die jungen Männer gründeten zusammen eine Fußballmannschaft, die "Hakoach Nürnberg", und begaben sich mit ihr auf eine Auslandsreise ins östliche Mittelmeergebiet. Nach Freundschaftsspielen in Griechenland und auf Zypern durften sie auch für einige Spiele nach Palästina einreisen. Nach ein paar Spielen verschwanden sie spurlos in einem deutschen Kibbuz. Es gelang ihnen jedoch nach kurzer Zeit, legal an Dokumente zu kommen und schließlich auch ihre Familien ins Land zu holen. Recha Herzberg traf bereits im September 1933 mit dem Schiff "Martha Washington" in Haifa ein.
Die ersten Jahre nach der Emigration lebten die Herzbergs in Petach Tikwa, wo sich damals viele jüdische Familien aus Mittelfranken niedergelassen und eine jüdische Gemeinde gegründet hatten. Rechas Ehemann errichtete eine deutsche Synagoge und übte das Amt eines Kantors aus. Arbeit fand er zunächst als Maler und Arbeiter in den Orangenplantagen der Umgebung. 1938 kam ihr erster Sohn Michael Jaakov zur Welt. Ihr erstes Kind, eine Tochter, starb einige Jahre später, bereits im Kindesalter, an einer Krankheit. 1941 zog die Familie nach Jerusalem, wo Alfred Herzberg bis zu seiner Pensionierung als Bäcker arbeitete. Die Herzfelds wohnten im jüdischen Viertel der Altstadt. In der Familie unterhielt man sich zunächst weiterhin auf Deutsch.
Nachdem die Herzbergs die schwere Zeit des ersten Arabisch-Israelischen Krieges (1947 - 1949) überstanden hatten, drängte Recha darauf, ihre Eltern zu besuchen, die sie seit ihrer Auswanderung im Jahr 1933 nicht mehr gesehen hatte. Salomon und Klara Mannes waren 1935, als der Antisemitismus in der mittelfränkischen NS-Hochburg unerträglich geworden war, von Schwabach nach Frankfurt gezogen und flohen am 9. November 1938, dem Tag des Novemberpogroms, nach England. Dr. Salomon Mannes unterrichte später an der wohl bekanntesten europäischen jüdischen Hochschule (Jeschiwa) in Gateshead. 1949/1950 fuhr Recha mit ihren beiden Söhnen für ein halbes Jahr nach London, wo ihre Eltern und ein Onkel lebten. Zwei Jahre später - anlässlich der Bar Mitzwa von Rechas ältestem Sohn Michael Herzberg - kamen Rechas Eltern für einige Zeit nach Israel. Salomon Mannes starb 1960 hochbetagt mit 88 Jahren, Rechas Mutter Klara überlebte ihn noch um 10 Jahre.
Recha Herzberg war auch in Israel im Pflegeberuf tätig und betreute deutschsprachige Senioren. Sie starb 1982 im Alter von 76 Jahren an einem Herzinfarkt. Ihr Mann Alfred wurde 90 Jahre alt, er starb 1996 in einem Pflegeheim.
Auch alle Geschwister Rechas konnten rechtzeitig vor der Verfolgung und Ermordung durch die Nationalsozialisten fliehen. Ihre Geschwister Julius und Bertha emigrierten wie sie nach Palästina, Abraham (Hillel) und Israel gingen in die Vereinigten Staaten und die jüngsten Geschwister Moses und Ruth flohen nach England.
Die Rabbiner-Tradition der Familie Mannes/Herzberg lebt bis heute fort. In der weitverzweigten Verwandtschaft fühl(t)en sich immer wieder junge Männer zu diesem Dienst berufen, beispielsweise zwei Söhne Salomon Mannes und drei aus der Enkelgeneration. Rechas Sohn Michael Herzberg, der sich seit seiner Militärzeit Michael Jaakov Bar-Lev nannte, studierte vier Jahre lang an der Gateshead Yeshiva (Gateshead Talmudical College), der größten Jeschiwa Europas, an der auch sein Großvater unterrichtet hatte, dem sich sein Enkel in besonderer Weise verbunden fühlte. Bar-Lew war lange Jahre als Lehrer und Rabbiner in Netanja, Hadera und Tel Aviv tätig. Mit 69 Jahren, also in einem Alter in dem die meisten Menschen ihren Ruhestand genießen, entschloss sich Rechas Sohn zu einem ungewöhnlichen Schritt. Es zog ihn nach Deutschland, ins Land seiner Eltern und Großeltern, und er wurde 2007 Rabbiner in Pforzheim. Bis 2021 übte er dieses Amt aus, war die geistliche Autorität und das Gesicht der Jüdischen Gemeinde Pforzheims und setzte sich engagiert im "Rat der Religionen Pforzheim" für den interreligiösen Dialog mit Muslimen und Christen ein. Nach 14 Jahren Dienst in der Jüdischen Gemeinde Pforzheim verabschiedete sich der inzwischen 83-Jährige in den Ruhestand und ging mit seiner Frau wieder zurück nach Israel.
Wer mehr über das ungewöhnliche Leben von Rechas Sohn und seiner Familie erfahren will, dem sei Thorsten Trautweins Artikel „Ich stamme aus einer Rabbinerfamilie“ – Der Pforzheimer Rabbiner Michael Jaakov Bar-Lev" empfohlen, der in weiten Teilen auch Grundlage dieser Biografie ist.
Quellenangaben
Liste der Angestellten des Israelitischen Kurhospizes Bad Kissingen (1927 - 1935), Stadtarchiv Bad Kissingen
Informationen von Rechas Sohn Michael Jaakov Bar-Lev, Mail vom 4. Februar 2024 (Ihm verdanken wir viele interessante Einzelheiten über das Leben seiner Familie/Verwandtschaft in Israel)
Jüdisches Leben im Nordschwarzwald Thorsten Trautwein (Hg.), S. Seite 639–653 Thorsten Trautwein, „Ich stamme aus einer Rabbinerfamilie“ – Der Pforzheimer Rabbiner Michael Jaakov Bar-Lev
Datenbank Myheritage, Recha Rosalie Herzberg geb. Mannes
Datenbank Myheritage, Stammbaum Salomon Mannes
Datenbank familysearch, Recha Rosalie Mannes, Volkszählung • Deutschland, Bayern, Mittelfranken, Brenner-Archiv 1550-1900,
Datenbank Myheritage Abraham Alfred Herzberg
Datenbank Myheritage, Israel Einwanderungslisten, Recha Herzberg
nordbayern.de, Günther Wilhelm, Erinnerung an das Unvorstellbare 10.1.. 2011
Aus der Geschichte der jüdischen Gemeinden im deutschen Sprachraum, Schwabach
Wikipedia, Liste der Stolpersteine in Schwabach, Salomon Mannes
Alemannia Judaica Schwabach, insbesondere die Seite zur Geschichte des Rabbinats
Stolpersteine Schwabach/Biographien/Dr. Salomon Mannes - Rabbiner in Schwabach
Bildnachweise
© Michael Jaakow Bar-Lev
Foto Rabbiner Barlev © Gerhard Ketterl, Pforzheimer Zeitung.
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