Personendaten


Schwieder Erna Klara

Nachname
Schwieder
Geburtsname
Loeb
Vorname
Erna (Klara)
Geburtsdatum
18.01.1899
Geburtsort
Worms
Weitere Familienmitglieder

Eltern: Michael Loeb und Berta geb. Reichenbach
Geschwister: Melita verh. Schlesinger, Lucie verh. Liebschütz
Ehemann: Arthur Schwieder
Kinder: Lothar, Ursula, Egon, Renate

Adresse

 Salinenstraße 34

Beruf/Ämter
Krankenschwester, Säuglingsschwester
Emigration/Deportation
Sterbeort/Sterbedatum
DDR - 18.04.1953

Biografie


Erna (Klara) Schiewer geb. Loeb war mehrere Jahre lang als Kindergärtnerin in der Israelitischen Kinderheilstätte in der Salinenstraße tätig und wohnte in dieser Zeit während der Sommermonate in Bad Kissingen.

Sie kam im Januar 1899  als jüngste Tochter von Michael Loeb und dessen Ehefrau Berta geb. Reichenbach in Worms zur Welt. Michael Loeb führte dort in der Spiegelgasse eine Weinhandlung. Die beiden älteren Töchter Lucie und Melita  wurden 1896 und 1897 geboren.

Ernas älteste Schwester Lucie Loeb kam bereits seit 1919 als Kindergärtnerin nach Bad Kissingen und offensichtlich gefiel ihr die Arbeit in der israelitischen Kinderheilstätte so gut, dass sie auch ihrer Schwester Erna dort eine Anstellung vermittelte. Im Mai 1922 zog Erna zum ersten Mal in die fränkische Kurstadt und war dann insgesamt sechs Jahre lang in den Sommermonaten 1922, 1923, 1926, 1927, 1928, 1929 als Krankenschwester tätig. 

1922 traf die Familie ein harter Schicksalsschlag: Vater Michael Loeb war seit November 1922 spurlos verschwunden. Der Vermisste wurde später für tot erklärt, seine Weinhandlung geriet daraufhin in wirtschaftliche Schwierigkeiten und wurde 1927 aufgelöst.

Letztmalig wohnte und arbeitete Erna in der Kursaison 1929 in der Israelitischen Kinderheilstätte und verabschiedete sich im Oktober endgültig aus der Badestadt. Wenige Tage später heiratete sie in Worms den nichtjüdischen Kaufmann Arthur Schwieder, der 1899 im niederschlesischen Tschiefer bei Neusalz/Oder geboren wurde. Sie hatte ihn in Bad Kissingen, vermutlich als Kurgast kennengelernt, wie der vogtländische Heimatforscher Werner Pöllmann in seiner Publikation Verstreut unter allen Völkern“  (2012, S. 208) schreibt. Im Abschnitt über die Familie Schwieder in Oelsnitz, dem wir die nachfolgenden Informationen verdanken, beschreibt er, wie die Schwieders die Repressalien und Verfolgung der NS-Zeit überlebt haben. 

Das Ehepaar wohnte zunächst in Liegnitz (heute poln. Legnica), wo 1930 ihr erster Sohn Lothar geboren wurde. Kurze Zeit später zog die Familie nach Glauchau im sächsischen Landkreis Zwickau. Arthur Schwieder hatte nämlich in Liegnitz seinen Arbeitsplatz verloren, weil er mit einer jüdischen Frau verheiratet war. Und ab 1932 wohnte die Familie in Oelsnitz (im heutigen sächsischen Vogtlandkreis). Hier wurden im Juni 1933 ihre Tochter Ursula und im November 1935 ihr Sohn Egon geboren. Nach Ursulas Geburt war Erna zum Christentum konvertiert, sie wurde protestantisch, ließ sich im November 1933 taufen und wenige Tage später konfirmieren. Arthur Schwieder, ein tüchtiger Geschäftsmann, leitete die Oelsnitzer Filiale der Lebensmittelfirma „Backdie“ (Georg Backofen & C. F. Dietz aus Oberkotzau). Die Diskriminierung und Ablehnung aufgrund der NS-Judenpolitik isolierte die Familie zunehmend, doch Arthur Schwieder hielt trotz aller Schikanen zu seiner Frau.

Als sein Arbeitgeber einen Monat nach dem Novemberpogrom 1938 Schwieders jüdischer Ehefrau den Zutritt zum Laden verbot und andernfalls schwerwiegende Konsequenzen androhte, verließ die fünfköpfige Familie im Mai 1939 Oelsnitz und siedelte ins ca. 20 km entfernte Auerbach über, wo Vater Arthur eine Stelle als Filialleiter in einer Lebensmittelhandlung im Stadtzentrum bekam. Kurz nach Kriegsbeginn kam im Oktober 1939 die jüngste Tochter Renate zur Welt. Als 1943 Arthur zur Luftwaffe eingezogen wurde, musste Erna ihre vier unmündigen Kinder alleine durch den Krieg bringen, und dies als geächtete Jüdin. Zum Glück gab es in der Stadtverwaltung einen hilfsbereiten und mutigen Menschen, der ihnen mehr Lebensmittelkarten zukommen ließ als ihnen als Juden zustanden. Lothar und Ursula trugen Zeitungen aus und halfen auch sonst, das Familienbudget aufzubessern. Dazu die Unsicherheit, ob Erna die Deportation erspart bleiben würde. Zwar war sie in einer sog. "privilegierten Mischehe" bisher davor geschützt, aber ab Januar 1945 wurden zunehmend auch jüdische Ehepartner aus Mischehen nach Theresienstadt deportiert, haben aber zumeist überlebt, weil die Rote Armee das Vernichtungslager Auschwitz Ende Januar befreit hatte, und eine Deportation dorthin nicht mehr möglich war. W. Pöllmann vermutet, dass Erna Schwieder deshalb nicht deportiert wurde, weil sich ihr „arischer“ Ehemann als Frontsoldat nicht um die Kinder kümmern konnte.

Glücklicherweise überlebte die ganze Familie den Krieg und die NS-Diktatur und konnte auf ein besseres Leben hoffen. Ernas Ehemann, der 1945 in die KPD eintrat, wurde Geschäftsführer der Handwerkskammer und Erna wurde in den 1950er Jahren als "Verfolgte des Naziregime" anerkannt. Die Opferrente hat sie allerdings nur ein einziges Mal erhalten, da sie bereits im April 1953 im Alter von 54 Jahren starb. Ihr Mann überlebte sie um drei Jahrzehnte.

Ernas Mutter und ihre beiden Schwester überlebten ebenfalls die NS-Zeit: Lucie emigrierte kurz vor Kriegsbeginn zunächst nach England und nach dem Krieg nach Palästina. Dorthin war ihre Schwester Melita mit ihrer Familie bereits 1933 ausgewandert und auch ihre Mutter Bertha hatte hier Zuflucht gefunden. 


Quellenangaben


Personalliste Israelitische Kinderheilstätte, Jahrgang 1922,1923,1926, 1927, 1928, 1929; Stadtarchiv Bad Kissingen
Einen großen Teil der Informationen zu Erna Schwieders Biografie nach 1930 verdanken wir der Unterstützung Werner Pöllmanns, der uns freundlicherweise das Kapitel über die Familie Schwieder in seinem Buch "Verstreut unter allen Völkern", S. 208 zur Verfügung gestellt hat. Die Aussagen stützen sich dabei vor allem auf ein Gespräch mit Erna Schwieders jüngster Tochter Renate.
Datenbank Myheritage, Erna Schwieder (geb. Loeb) In Deutsche Minderheiten-Volkszählung 1939externer Link
Datenbank Myheritage, Arthur Schwieder In Deutsche Minderheiten-Volkszählung 1939externer Link
Datenbank Myheritage, Lothar Schwieder In Deutsche Minderheiten-Volkszählung 1939externer Link
Datenbank Myheritage, Ursula Schwieder In Deutsche Minderheiten-Volkszählung 1939externer Link
Datenbank Myheritage, Egon Schwieder In Deutsche Minderheiten-Volkszählung 1939externer Link
Dr. Karl und Annelore Schlösser, Kurzbiografie über die Familie Loeb, Dokumentation über die Wormser Juden Anfang der 1980er Jahreexterner Link
Dr. Karl und Annelore Schlösser, Kurzbiografie Familie Schlesinger, Dokumentation über die Wormser Juden, Anfang der 1980er Jahreexterner Link



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