Personendaten


Dehler Irma

Nachname
Dehler
Geburtsname
Frank
Vorname
Irma
Geburtsdatum
24.09.1898
Geburtsort
Steinach
Weitere Familienmitglieder

Eltern: Lazarus und Klara Frank geb. Ansbach
Geschwister: Julius, Paula, Thea, Elsa, Nathan
Ehemann Thomas Dehler
Tochter: Elisabeth

Adresse

Erhardstraße 21 (heutige Zählung)

Beruf/Ämter
Emigration/Deportation
Sterbeort/Sterbedatum
Starnberg - 08.03.1971

Biografie


Irma Dehler geb. Frank kam am 24. September 1898 als jüngstes von sechs Kindern des Viehhändlers Lazarus Frank und dessen Ehefrau Clara geb. Ansbacher in Steinach zur Welt. Ihr Vater besaß ein großes Ansehen in der dortigen jüdischen und nichtjüdischen Gemeinde: Er wurde 1896 in den Gemeinderat gewählt, wo er sich erfolgreich dafür einsetzte, dass Steinach einen eigenen Arzt und eine Wasserleitung bekam. In der jüdischen Gemeinde war er jahrelang Vorsitzender der Kultusverwaltung.

Im Jahre 1905 zog die Familie Frank dann nach Bad Kissingen um: „Durch die Ausdehnung meines Pferdegeschäfts“, so Lazarus Frank, „hatte ich besonders viel in Kissingen zu tun und da Steinach weder Bahnstation war noch Aussicht auf eine solche hatte und auch keinen Tierarzt, entschloß ich mich, nach Kissingen zu ziehen. Das fiel mir nicht leicht, denn ich war gerne in meinem Geburtsort als dem jahrhundertelangen Sitz meines Geschlechts und war dort in der Umgegend allgemein geehrt und geachtet. Ich kaufte mir in Kissingen das jetzt noch von mir bewohnte Haus von dem Baumeister Bernhard Kiesel und wir zogen am 4. Januar 1905 ein“ (Michael Hansch (Berlin): Frank, Lazarus: Meine lieben Kinder. Autobiografische Aufzeichnungen Lazarus Franks für seine Kinder aus dem Jahr 1936, unveröffentlichtes Manuskript, S.7). Während der eher bodenständige und konservativ empfindende Vater nur ungern seinen Heimatort verließ, genossen seine Frau Klara und ihre Kinder das kulturelle und gesellschaftliche Leben, das das Weltbad zu bieten hatte (vgl. H.-J. Beck, Kissingen war unsere Heimat).

Wie ihre älteren Geschwister Thea und Julius heiratete Irma einen nichtjüdischen Partner, was dem eher konservativ eingestellten Vater schwer zu akzeptieren fiel, während die aus einem liberal eingestellten Elternhaus stammende Mutter Klara sich damit leichter tat. Irma Frank hatte 1925 den aus Bamberg stammenden Rechtsanwalt Thomas Dehler kennengelernt, der ein überzeugter Anhänger der Weimarer Demokratie war und sich in der linksliberalen „Deutschen Demokratischen Partei“  sowie dem "Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold“ engagierte. Irma Frank und Thomas Dehler heirateten im Dezember 1925 in München und zogen nach Bamberg, wo 1929 ihre einzige Tochter Elisabeth geboren wurde.

Was die wirtschaftliche Lage der Familie auch in den ersten Jahren der NS-Herrschaft betrifft, hatte Dehler keinen Grund zu klagen. Die Familie lebte aufgrund der erfolgreichen Anwaltspraxis in gut bürgerlichen Verhältnissen. Doch sah sich der junge Anwalt zunehmend politischem Druck und Anfeindungen der NS-Behörden ausgesetzt, vor allem wegen seiner Ehe mit Irma Frank, die nach den nationalsozialistischen Gesetzen als „privilegierte Mischehe“ eingestuft wurde. Doch Thomas Dehler hielt an seiner Ehe fest und übernahm auch weiterhin unbeeindruckt von Drohungen seitens der NSDAP Mandate von Regimegegnern und jüdischen Klienten. Der „Stürmer“ bezeichnete ihn deshalb als „echten Judengenossen“. Nach der Pogromnacht wurde Thomas Dehler verhaftet und "einem quälenden Verhör ausgesetzt“, in dem von ihm die Scheidung von seiner "jüdischen Frau" verlangt worden sei und ihm „mit der Überführung in einen Konzentrationslager“ gedroht worden sei. Nachdem Irmas Schwester Paula und ihr Schwager Siegfried Jordan im November 1941 deportiert worden waren, bemühte sich Thomas Dehler darum, Informationen über ihr Schicksal zu bekommen. Er erfuhr, dass die Deportierten kaum Überlebenschancen hätten. Da seine Frau nur so lange geschützt war, wie er lebte, und sich die Gesetzeslage jeder Zeit ändern konnte, schwebte eine mögliche Deportation von Irma Dehler beständig über dem Ehepaar. Die Dehlers dachten daher eine Zeitlang an Emigration, die aber zu diesem Zeitpunkt (Ende 1941) bereits nicht mehr möglich war (vgl. H.-J. Beck, Kissingen war unsere Heimat).

Wolfgang G. Jans zufolge soll Irma Dehler in der NS-Zeit schließlich eine Zeitlang Zuflucht bei den Schwestern im Kloster Vierzehnheiligen gefunden haben und so vor der drohenden Deportation bewahrt worden sein. Aus der Wehrmacht wurde Thomas Dehler, nachdem er im Zweiten Weltkrieg ein Dreivierteljahr als Soldat eingesetzt worden war, wegen seiner jüdischen Frau als „wehrunwürdig“ ausgeschlossen. Auch ihre Tochter bekam immer mehr die wachsenden Restriktionen des NS-Regimes zu spüren. Sie kehrte kurz vor dem Zweiten Weltkrieg aus einem englischen Internat über die Schweiz nach Bamberg zurück, wo sie 1942 die Mittelschule wegen ihrer jüdischen Herkunft verlassen musste. 1944 konnte ihr Vater gerade noch die Einweisung in ein geschlossenes Arbeitslager für sie verhindern, indem er für sie einen Arbeitsplatz in einem kriegswichtigen Betrieb in Bamberg fand. Kontakte Thomas Dehlers zu Widerstandskreisen führten zur Zwangsarbeit bei der Organisation Todt, aus der er aber nach vier Wochen wegen seines angegriffenen Gesundheitszustands wieder entlassen wurde. Nach seiner Entlassung wurden die Lebensumstände für die Dehlers immer bedrückender. Dehler versuchte, „so unauffällig wie möglich“ zu leben und sich und seine Familie nicht noch so kurz vor dem Ende der NS-Diktatur, das sich immer deutlicher abzeichnete, in Gefahr zu bringen. Unmittelbar vor dem Einmarsch der Amerikaner zogen sich die Dehlers in ein Sommerhaus von Freunden am Stadtrand von Bamberg zurück, das aber bei der Einnahme der Stadt von den amerikanischen Truppen beschossen wurde, was die Dehlers aber glücklich überstanden.

Thomas Dehler entwickelte sich in der Adenauer-Ära zu einem führenden FDP-Politiker. Er wirkte im Parlamentarischen Rat maßgeblich an der Formulierung des Grundgesetzes mit, war Justizminister im ersten Kabinett Adenauer, Mitbegründer der FDP in Bayern, Vorsitzender der Bayern- und Bundes-FDP sowie Vizepräsident des Deutschen Bundestags. Dabei erwies er sich oft als sehr streitbarer Charakter, der auch durchaus polarisieren konnte und die Konfrontation nicht scheute. Ganz anders im Wesen war seine Frau Irma: eine „stille, dunkle Schönheit, stilsicher in ihrem Auftreten, literaturbeflissen und – Jüdin“ (Wolfgang G. Jans, Thomas Dehler, ein Bamberger Kämpfer für Freiheit und Rechtsstaatlichkeit, ein Gegner totalitärer Ideologien, S.10).

Irmas Mann starb im Juli 1967 im Alter von 69 Jahren. Nach dem Tod ihres Mannes zog Irma Dehler 1968 nach München und starb im März 1971 in Starnberg im Alter von 72 Jahren.

59_Irma Dehler im Familienkreis
Irma Dehler geb. Frank im Familienkreis
59_Irma Dehler 2.v.r. mit Tochter Elisabeth r. und Ehemann Thomas l.
Irma Dehler 2.v.r. mit Tochter Elisabeth r. und Ehemann Thomas l.
 

Quellenangaben


Hans-Jürgen Beck, Kissingen war unsere Heimat, Stand April 2017,  S. 878ff
Meldeunterlagen der Stadt Bad Kissingen
Udo Wengst, Thomas Dehler, eine politische Biografie,1997
Michael Hansch (Berlin), Frank, Lazarus, Meine lieben Kinder. Autobiografische Aufzeichnungen Lazarus Franks für seine Kinder aus dem Jahr 1936, unveröffentlichtes Manuskript, S.7
Wolfgang G. Jans, Thomas Dehler, ein Bamberger Kämpfer für Freiheit und Rechtsstaatlichkeit, ein Gegner totalitärer Ideologienexterner Link
Angaben Dr. Eva Tyrell, Stadtarchiv München, Mail vom 07.10.2019 (EWK 76 D48)

Bildnachweise


Familienfoto Frank © Michael Hansch
Foto Irma Dehler mit Mann und Tochter © Udo Hengst, entnommen aus Udo Hengst, Thomas Dehler - Eine politische Biografie, S. 55



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