Personendaten


Holländer Sanibert

Nachname
Holländer
Vorname
Sanibert (Sam)
Geburtsdatum
29.06.1906
Geburtsort
Bad Kissingen
Weitere Familienmitglieder

Eltern: Hermann und Nanette Holländer geb. Stern
Bruder: Manfred
Ehefrau: Sara Rifka geb. Kerzner
Kinder: Charlotte Victoria verh. Mirmann und Norman Irwin

Adresse

Maxstraße 23 a (heute Hausnummer 24)

Beruf/Ämter
Mechaniker
Emigration/Deportation

August 1939 emigriert nach England

Sterbeort/Sterbedatum
Montreal, Quebec/Kanada - 18.01.1973

Biografie


Sanibert Holländer kam am 29. Juni 1906 als zweites Kind von Hermann und Nanette Holländer geb. Stern in Bad Kissingen zur Welt. Er wuchs im Elternhaus in der Maxstraße 24 auf. Seine Eltern führten ein Kurzwarengeschäft, daneben vermieteten sie Zimmer an Kurgäste. Außerdem betrieben sie eine Autovermietung. Sanibert besuchte seit 1916 die Kissinger Realschule, die er 1922 erfolgreich abschloss. Offensichtlich arbeitete Sanibert im väterlichen Geschäft als Kraftfahrer. Anfang der 1930er-Jahre machte er sich selbstständig und eröffnete mit drei Kraftwagen einen Personenbeförderungsbetrieb.

In der Pogromnacht 1938 wurden seine Autos verbrannt. Sein Vater verstarb kurz nach den Ausschreitungen des Novemberpogroms und auch Sanibert war in der Pogromnacht verhaftet worden. Er wurde in das KZ Dachau deportiert, wo er vom 14./15. November 1938 bis zum 30. Januar 1939 drei Monate „Schutzhaft“ erleiden musste. Schon vor seiner Verhaftung hatte sich Sanibert Holländer um eine Ausreise nach Amerika bemüht. Er erhielt zwar auch das zur Erteilung eines Einreisevisums in die USA erforderliche Affidavit, die Bürgschaft eines amerikanischen Bürgers für seinen Unterhalt, fand aber beim Amerikanischen Konsulat in Stuttgart nur Aufnahme in die überlange Warteliste. Mitte Januar 1939 erkundigte sich deshalb Nanette Holländer für ihren Sohn auch beim deutschen Konsulat der Dominikanischen Republik nach den dort geltenden Einwanderungsbestimmungen. Der Dominikanische Konsul versicherte ihr Ende Januar, dass ihrem Sohn „bei Vorlage eines deutschen Reisepasses ein Visum erteilt“ würde. Dazu habe er aber am 10. Februar persönlich im Konsulat zu erscheinen. Als Sanibert Holländer am 30. Januar 1939 aus dem Konzentrationslager Dachau entlassen wurde, erklärte er der Würzburger Gestapo, dass er weiterhin „so bald wie möglich Deutschland zu verlassen“ beabsichtige, „um nach Amerika auszuwandern“. Bei seiner Entlassung wurde ihm dabei von der Gestapo zur Auflage gemacht, sich „jeden Montag und Freitag um 17 Uhr bei der Ortspolizeibehörde in Bad Kissingen“ und zwei Tage vor seiner Auswanderung „mit sämtlichen Auswanderungspapieren bei der Geheimen Staatspolizei Würzburg […] zu melden“.

In der Folgezeit müssen sich Sanibert Holländers Ausreisebemühungen in die USA vollkommen zerschlagen haben. Er bemühte sich jedenfalls nun verstärkt um eine Ausreise nach England. Am 14. August 1939 wurde ihm dann auch vom Bad Kissinger Einwohnermeldeamt auf Anweisung des Oberfinanzpräsidenten in Würzburg ein Reisepass „zur Vorlage beim engl. Konsulat ausgehändigt“. Als Ende August 1939 der Reisepass von der Polizei wieder eingezogen werden sollte, entschloss sich Sanibert Holländer kurzerhand zur Flucht nach England. Er sah darin wohl seine letzte Möglichkeit, noch ins sichere Ausland gelangen zu können. Die Stapo-Außendienststelle Würzburg verstand hingegen nicht, was „den Juden zur Flucht veranlaßte“. In ihrem Bericht vom 25. November 1941 meinte sie nur verständnislos: „Ein Grund zur Flucht lag nicht vor.“ (Zitate aus: Sta Wü, Gestapo 2132 Sanibert Holländer, zitiert nach H.J.Beck, Kissingen war unsere Heimat, S. 1104ff).

Während Sanibert Holländer in England die NS-Zeit überlebte, wurde seine Mutter Nannette ein Opfer der Shoa. Sie musste im Mai 1942 ins Jüdische Altersheim nach Würzburg umsiedeln und wurde von dort im September des gleichen Jahres nach Theresienstadt deportiert, wo sie laut Sterbeakte am 3. Dezember 1942 den Tod fand. Sanibert Holländer war zunächst auf der britischen Insel Isle of Man und 1940 in Kanada auf der ÎIe-aux-Noix in Quebec als "feindlicher Ausländer" interniert. Er heiratete im Dezember 1943 die in Polen geborene Sara Rifka Kerzner, mit der er zwei Kinder hatte.  Im Januar 1973 starb er mit 66 Jahren in Montreal in Kanada. Seine Frau verstarb dort im Februar 1990.

Sanibert Holländer Grabstein
+


Quellenangaben


Hans-Jürgen Beck, Kissingen war unsere Heimat, S.1104ff
Bayerisches Staatsarchiv Würzburg, Gestapostelle Würzburg 2132
US Holocaust Memorial Museum/Holocaust Survivors…externer Link
Datenbank Genicomexterner Link
Schülerakte Jack-Steinberger-Gymnasium
Datenbank Ancestry, Großbritannien, ausländische Internierte im 2. Weltkrieg, 1939-1945externer Link
Datenbak Ancestry, Kanada, Find A Grave-Index, 1600-heuteexterner Link

Bildnachweise


© Bayerisches Staatsarchiv Würzburg, Gestapostelle Würzburg 2132
Grabstein © Datenbak Ancestry, Kanada, Find A Grave-Index, 1600-heuteexterner Link



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