Personendaten


Wallenstein Judith

Nachname
Wallenstein
Geburtsname
Bamberger
Vorname
Judith
Geburtsdatum
11.01.1911
Geburtsort
Bad Kissingen
Weitere Familienmitglieder

Eltern: Mendel und Rachel Bamberger geb. Winter
Geschwister: Ruth verh. Dotan, Moses Löb (Martin), Benzion Seligmann Josef Friedel
Ehemann: Stephan Wallenstein
Kinder: Abi, Hanna

Adresse

Ludwigstraße 13 (heute 18)

Beruf/Ämter
Zahnarzthelferin
Emigration/Deportation

November 1934 emigriert nach Palästina

Sterbeort/Sterbedatum
Düsseldorf - 02.02.2001

Biografie


Judith Wallenstein geb. Bamberger kam am 11. Januar 1911 in Bad Kissingen als Tochter des Zahnarztes Mendel Bamberger und dessen Frau Rachel geb. Winter zur Welt. Die Familie lebte in der Ludwigstraße. Nach der Volkschule besuchte Judith zunächst die Höhere Mädchenschule des Instituts St. Maria in Bad Kissingen, wechselte im Mai 1921 auf die Kissinger Realschule und absolvierte als eines der ersten Mädchen 1927 den Abschluss nach der 6. Klasse mit perfekten Noten und der Berechtigung in eine 7. Klasse der Oberrealschule einzutreten. Nur an ihrer Kleidung („Kleidung zu frei“) hatte ihr konservativer Klassenlehrer der Abschlussklasse etwas auszusetzen.

Sie lebte bis 1928 bei ihren Eltern, zog 1928 für kurze Zeit nach Frankfurt/Main und emigrierte im November 1934 nach Palästina. Die Familie gehörten zu den wenigen jüdischen Familien in der Kurstadt mit zionistischer Überzeugung, die sich frühzeitig für eine Flucht aus Deutschland entschied. In Jerusalem lernte Judith den aus dem hessischen Nidda stammenden Dr. Stephan Wallenstein kennen, der in Gießen Medizin studiert hatte und sich in Neuß am Rhein als praktischer Arzt niedergelassen hatte. Er war im im Oktober 1933 nach Palästina emigriert. Judith Bamberger heiratete den zwölf Jahre älteren Arzt, mit dem sie zwei KInder hatte. Im Dezember 1945 kam ihr Sohn Abi, der nach seinem Großvater Abraham benannt wurde, in Jerusalem zur Welt und im Mai 1950 Tochter Hanna.

Bereits 1958 kehrte die Familie nach Deutschland zurück. Grund dafür war nicht die bedrohliche Situation des jungen Landes Israels, das sich in einem ständigen Existenzkampf mit seinen Nachbarn befand, sondern die individualistische Grundhaltung Stephan Wallensteins, wie sich sein Sohn Abi erinnert: „Mein Vater war ein Individualist, wollte selbstständig sein. Wohl arbeitete er in einer Jerusalemer Klinik in seinem Beruf, lehnte aber innerlich die Hierarchie ab. In Neuss wurde er mit offenen Armen empfangen und konnte sofort wieder seine Praxis eröffnen. Wenn wir im Urlaub in die Heimat meiner Mutter nach Bad Kissingen fuhren, machten wir immer Zwischenstopp in Nidda, besuchten auf dem Friedhof die Gräber unserer Familie“ (Elfriede Maresch, Der legendäre Bluesmusiker Abi Wallenstein kommt nach Nidda, Kreisanzeiger Nidda, Juni 2018). Aber auch wegen des Klimas, der Sprache und der Lebensweise zogen es die Wallensteins vor, nach Deutschland zurückzukehren.

Judiths Ehemann - „ein Arzt mit Leib und Seele“ (Abi Wallenstein) eröffnete im selben Haus, das er in Neuß hatte verlassen müssen, wieder ein Arztpraxis. Und für die Kinder war der Umzug ein großes Abenteuer, sie fanden schnell Freunde in ihrer neuen Heimat. Obwohl Judith und Stephan Wallenstein aus streng religiösen Elternhäusern stammten, erzogen sie ihre Kinder sehr liberal und betonten in ihrer Erziehung stets die menschliche und soziale Seite der Religion (vgl. Jüdische Allgemeine, Porträt der Woche, Der Mann mit dem Blues, 29.04.2013). Tochter Hanna trat in die Fußstapfen ihrer Eltern: Nach dem Besuch des Nelly-Sachs-Gymnasiums in Neuß studierte sie Medizin und wurde Kinderärztin. Und Abi Wallensteins Leidenschaft war von Anfang an die Musik. Er ging 1967 nach Hamburg, begann ein Soziologiestudium, und trat abends als Sänger und Gitarrist in Rhythm-and-Blues-Formationen in den Kneipen der Stadt auf, die damals das Zentrum der deutschen und europäischen Blues- und Boogie-Woogie- Musik war. Er gab das Studium auf, arbeitete zunächst nebenher als Siebdrucker, bis er von der Musik leben konnte. Heute zählt Abi Wallenstein zu den herausragenden europäischen Bluesgrößen, der auf den großen Blues-Festivals genauso zu Hause ist wie in Kneipen oder bei Straßenfestivals. Abi Wallenstein wurde auch 2018 wieder mit dem GermanBluesAward in der Kategorie Solo/Duo ausgezeichnet. 2002 gab er auch in Bad Kissingen - der Heimatstadt seiner Mutter - zusammen mit Hubert Hofherr ein Konzert im Rahmen der ersten „Jüdischen Kulturtage. (Mehr Informationen zum Bluesmusiker Abi Wallenstein bieten die unten genannten Presseartikel bzw. Websites).

Nachdem die Wallensteins wieder heimisch in Deutschland geworden waren, sahen sie das Aufkommen der NPD Ende der 1960er-Jahre mit großer Sorge. Judith zog darauf im Jahr 1969 mit ihrem Ehemann und ihrer Tochter wieder nach Israel, während ihr Sohn Abi in Deutschland blieb. Stephan Wallenstein starb 1973 in Haifa. Nach seinem Tod besuchten seine Frau und seine Tochter Abi Wallenstein in Hamburg. Da in dieser Zeit der Jom-Kippur-Krieg ausbrach, blieben die Wallensteins für vier Monate in der Hansestadt. Während Hanna Wallenstein sich entschloss, ganz in Deutschland zu bleiben, und als Kinderärztin in Düsseldorf tätig war, ging ihre Mutter zunächst nach Israel zurück, übersiedelte dann aber wenige Jahre später 1976 nach Düsseldorf, wo sie sich eine Wohnung nahm und später in ein Altersheim zog, in dem sie am 2. Februar 2001 verstarb.

Stephan-wallenstein
Judiths Ehemann Dr. Stephan Wallenstein
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Judith Wallenstein mit Ehemann Stephan und Sohn Abi    
                   
533_Judith Wallensteins Tochter Hanna
Judith Wallensteins Tochter Hanna


Quellenangaben


Bildnachweise


Passfoto Dr. Stephan Wallenstein © Israel's archives are going onlineexterner Link
© Abi Wallenstein



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