Personendaten


Kissinger Ernst

Nachname
Kissinger
Vorname
Ernst
Geburtsdatum
07.01.1910
Geburtsort
Bad Kissingen
Weitere Familienmitglieder

Eltern: Albert Kissinger und Jenny geb. Baer
Bruder: Max
Ehefrau: Oda geb. Scheuer
Kinder: Gad Kaynar und Doron Kaynar

Adresse

Marktplatz 17

Beruf/Ämter
Schneider
Emigration/Deportation

1934 emigriert nach Palästina

Sterbeort/Sterbedatum
Tel Aviv - 10.09.1994

Biografie


Ernst Kissinger kam am 7. Januar 1910 als Sohn von Albert und Jenny Kissinger geb. Baer in Bad Kissingen zur Welt. Sein Vater besaß ein angesehenes Herrenkonfektionsgeschäft und eine Maßschneiderei am Marktplatz, wo die Familie auch lebte.

Seit 1919 besuchte Ernst Kissinger die Kissinger Realschule, wo ihn sein Klassenlehrer in den allgemeinen Bemerkungen als „gut veranlagt, …lebhafte[n] Geist, regsam im Unterricht“ charakterisiert, „der verspricht, ein „tüchtiger Schüler zu werden“. 1925 absolvierte er erfolgreich mit guten Noten die Abschlussprüfung (vgl. Schularchiv Jack-Steinberger-Gymnasium). Ernst musste bereits in seiner Schulzeit während der Weimarer Republik schmerzliche Erfahrungen mit dem Antisemitismus seiner Mitschüler machen. 1925 wurde er zusammen mit Sally Tachauer und Max Jeidel von der inoffiziellen Schulabschlussfeier ausgeschlossen. „Meine bitteren Erfahrungen“, so Ernst Kissinger, „sammelte ich in der 4., 5. und 6. Realschulklasse 1923-25. Wir waren 3 Juden in der Klasse (Max Jeidel heute in Israel, Sally Tachauer ging nach England). Es kam damals ein etwas älterer Junge [Ernst Kissinger meint den späteren Rechtsanwalt Peter Deeg] in die Klasse, der aus den meisten der Mitschüler eine wüste Horde von Antisemiten machte. Sie beschimpften uns, pöbelten uns mit Worten - Taten an. Sie sprachen nicht mit uns, schlossen uns von allen Zusammenkünften außerhalb der Schule aus. Sie können sich vorstellen, wie sich das auf einen Menschen in diesem Alter auswirkt, wenn er nicht gerade eine Elefantenhaut hat“ (Brief Ernst Kissinger an H.-J. Beck).

Nach seiner Schulzeit setzte Ernst Kissinger die Familientradition äußerst erfolgreich fort und trat als Schneider in die Fußstapfen seines Vaters. Er absolvierte eine kaufmännische Ausbildung bei der Firma „Lang & Mainz“, die ihren Firmensitz aber inzwischen von Nürnberg nach Berlin verlegt hatte. Auch in Köln und Düsseldorf hielt sich Ernst Kissinger zeitweise auf.

Schon sehr früh entschied Ernst Kissinger sich für die Emigration. „Ich beschloß“, so Ernst Kissinger, „die Auswanderung nach dem damaligen Palästina endgültig nach Hitlers Machtübernahme. Zur damaligen Zeit war ich in Nürnberg, der Hauptstadt der Nazibewegung, und ein Mensch mit offenen Augen konnte voraussehen, daß in dieser Zeit ein Weiterleben für Juden in Deutschland nicht möglich war. Daß eine solche Vernichtung eintreten würde, konnte sich kein Mensch ausmalen. Ich bekam ein normales Einwanderungszertifikat von der englischen Mandatsregierung, was damals noch verhältnismäßig leicht zu erhalten war. [...] Sicher war der Entschluß nicht leicht, in ein fernes Land mit schwerem Klima, ohne Familie und ohne Geld zu kommen.“ 1934 reiste Ernst Kissinger nach Triest, wo er ein Schiff nach Tel Aviv bestieg.

Ernst Kissinger machte sich nach seiner Ankunft in Palästina selbstständig. Er eröffnete in Tel Aviv - der Familientradition folgend - eine Herrenschneiderei, die es rasch zu großem Ansehen brachte. Jeder, der in Tel Aviv etwas auf sich hielt, ließ sich seinen Maßanzug bei Ernst Kissinger in der Nachlat-Binyamin-Street 32 anfertigen. In Tel Aviv traf Ernst Kissinger Oda Scheuer, die Liebe seines Lebens. In ihrem Lebensrückblick erinnert diese sich an ihre erste Begegnung: „Und 1943 [habe ich] meinen Mann kennen gelernt, der aus Bad Kissingen war, also auch ein echter Jecke, der war noch viel jeckischer als ich. Ich war das erste Mal ein paar Tage verreist, das erste Mal, dass ich mir das gegönnt habe, und hab in einer kleinen Pension auf dem Carmel Mittag gegessen. Und da saßen zwei Männer bei mir am Tisch, einer war ein ganz bekannter Geiger, ein Ungar, und ein Herr Kissinger. So kam man ins Gespräch - auf Deutsch natürlich. Ich hab ihn nachher in Tel Aviv wieder getroffen, er lebte auch dort.“ Wenige Monate später heirateten dann Ernst Kissinger und Oda Scheuer. Voller Begeisterung erleben die Kissingers die Gründung des Staates Israel: „Als der Staat 1948 ausgerufen wurde, da waren wir alle absolut euphorisch. Endlich ein Fleckchen Erde, was uns gehört, wo wir nicht Menschen dritter Klasse sind, wo man uns nicht verfolgen kann, wo man uns nicht umbringen kann. Da haben wir uns natürlich sehr geirrt.“ Im Unabhängigkeitskrieg wurde der vollkommen unmilitärische Ernst Kissinger als Polizist einberufen, bekam aber schon bald den ihm mehr gelegenen Auftrag, als Schneider Uniformen für die Armee herzustellen: „Da war er“, so Oda Kissinger, „in seinem Fach, das war gut. Und das Gewehr lag unter dem Bett oder irgendwo.“

Ernst Kissinger starb im September 1994 in Tel Aviv im Alter von 84 Jahren.


Quellenangaben


Auszüge aus Beck: Kissingen war unsere Heimat, Stand April 2017, S. 493ff)      
Elizabeth Levy, The Kissinger family, S.33
Schülerakte Jack-Steinberger-Gymnasium
Meldeunterlagen Stadt Bad Kissingen

Bildnachweise


© Elizabeth Levy



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