Personendaten


Kauders Josef

Nachname
Kauders
Vorname
Josef
Geburtsdatum
04.12.1890
Geburtsort
Hamburg
Weitere Familienmitglieder

Eltern: Alex und Hannchen Kauders geb. Goldstein
Geschwister: Michael, Lina und Eduard
Ehefrau: Katharina (Käthe) geb. Siedner
Kinder: Alex und Ruth verh. Popper

Adresse

Theresienstraße 5b (heute 10)

Beruf/Ämter
Kaufmann
Emigration/Deportation

1941 Emigration über Schweden in die USA

Sterbeort/Sterbedatum
New York -15.05.1970

Biografie


Josef Kauders wurde am 4. Dezember 1890 in Hamburg geboren. Sein Vater Alexander stammte aus Österreich, lebte seit 1875 in Deutschland und war von Beruf Kaufmann. Mütterlicherseits kamen Josef Kauders Vorfahren aus Bad Kissingen; seine Mutter Hannchen war eine Tochter des Kissinger Kaufmanns Joseph Goldstein, der auch als Gemeindebevollmächtigter für die Kissinger Judenschaft tätig war.

Aus diesem Grund hatte Josef Kauders schon in früher Kindheit Kontakt zu Bad Kissingen. Nach dem Besuch der Volksschule in Hamburg zog er im Mai 1905 nach Bad Kissingen und absolvierte dort bei der Firma Rosenthal seine kaufmännische Lehre. In den nachfolgenden Jahren hielt er sich auch zeitweise beruflich in Nürnberg und Berlin auf. Kurzfristig nahm er auch als Soldat der K.-u.-k.-Armee Österreichs am Ersten Weltkrieg teil.

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Josef Kauders als Soldat der K.-u.-k.-Armee im Ersten Weltkrieg, vor dem Arkadenbau in Bad Kissingen
 

Im Oktober 1919 heiratete er die im oberschlesischen Zaborze geborene Käthe Siedner, die nach der Heirat nach Bad Kissingen zog. Zwischen November 1919 und September 1933 lebte die Familie dauerhaft in Bad Kissingen. Im September 1920 kam Tochter Ruth zur Welt und ein Jahr später im August 1921 erblickte Alexander Kauders das Licht der Welt. Josef Kauders war seit 1912/1913 Inhaber eines Textil-und Ausstattungsgeschäfts in der Ludwigstraße, das unter dem Firmennamen „Joseph Schwarz“ betrieben wurde. Es war ursprünglich das großväterliche Geschäft Joseph Goldsteins gewesen. Im Mai 1924 verlieh der Kissinger Stadtrat endlich Josef Kauders und seiner Familie die bayerische Staatsangehörigkeit durch Einbürgerung; Josef Kauders war bis zu diesem Zeitpunkt aufgrund der Herkunft seines Vaters Bürger der k&k-Monarchie bzw. tschechoslowakischer Staatsbürger gewesen.

Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten und deren Boykottaktionen gegen jüdische Geschäfte wurde die Situation für die Familie in Bad Kissingen zunehmend schwierig und gefährlich. Unter den acht Kissinger Juden, die am 17. März 1933 vorübergehend in „Schutzhaft“ genommen wurden, befand sich auch der Kaufmann Josef Kauders. Über die Verhaftung ihres Vaters berichtet Ruth Popper, geb. Kauders: ‚Es ist wie ein Alptraum, wenn ich zurückdenke. Ich war 13 Jahre alt, und am 17. März kam ein junger Bursche in Uniform in unser Geschäft und sagte zu meinem Vater: ´Sie sind verhaftet, ohne Grund, nur weil Sie Jude sind!´ Ich war wie aus allen Wolken: Mein Vater im Gefängnis! Man hatte viele jüdische Männer zuerst in den Fahrradkeller der Schule gebracht, dann ins Gefängnis.“ Robert Hofmann, der Direktor der Kissinger Realschule, ermöglichte es Ruth Popper, ihrem Vater heimlich Essen zu bringen. Auch Alex Kauders, der als Schüler die Kissinger Realschule besuchte, hebt den Einsatz Dr. Hofmanns für seinen inhaftierten Vater hervor: „Schon sehr früh wurden Juden in Bad Kissingen … in sog. ´Schutzhaft` genommen. Zunächst wurden sie im Gymnasium eingesperrt. Dr. Hofmann ließ die Türen gegen Mitternacht öffnen und erlaubte uns, unseren Familien koscheres Essen zu bringen. Wenn dies entdeckt worden wäre, so wäre er zumindest im Konzentrationslager gelandet. Auch in der Schule duldete Dr. Hofmann keine Form von Diskriminierung gegenüber Juden. Das allein schon war eine heroische Tat!“

Ruth Popper, die Schwester Alex Kauders, stimmt ihrem Bruder in der Beurteilung Dr. Hofmanns zu: „Mein Vater war Diabetiker, und unter eigener Lebensgefahr übernahm es Herr Direktor Hofmann, daß ich meinem Vater zu essen brachte. Es war der einzige Mensch, der mir Vertrauen gab in einer Welt, die für mich zusammenbrach!“ Nach einiger Zeit wurde Josef Kauders schließlich wieder aus der „Schutzhaft“ entlassen.

Nicht nur für ihn und seine Frau, auch für seine Kinder wurde das Leben in der Badestadt zunehmend schwieriger. In einer eidesstattlichen Erklärung nach dem Krieg schildert Robert Hofmann die bedrückende Situation der jüdischen Schüler an seiner Schule: „Wunschgemäß erkläre ich als seinerzeitiger Leiter der damaligen Realschule Bad Kissingen an Eidesstatt, daß jüdische Schüler schon vor der Machtergreifung einen schweren Stand an der Schule hatten. Seit dem Frühjahr 1933 vollends waren sie buchstäblich Freiwild und den entehrendsten Beschimpfungen, Mißhandlungen, Anspeiungen irregeleiteter, aufgehetzter Mitschüler schutzlos preisgegeben. Denn kein Lehrer und kein Anstaltsleiter durfte es wagen dagegen einzuschreiten, ohne seine eigene Existenz und die seiner Familie aufs äußerste zu gefährden. Unter solchen Bedingungen war ein längerer Aufenthalt an der Schule absolut unmöglich, und es bedeutete wahrhaftig keine Strafe, sondern eine Erlösung für beide Teile, wenn der Lehrer die jüdischen Schüler aufforderte, die Anstalt zu verlassen und wenn möglich, auch den Schulort. Denn für das in der Schule gehetzte Freiwild gab es auch im Elternhaus kein Atemholen […] Denn die Haussuchungen, Hausfriedensbrüche, Demonstrationen, Umzüge und Pogrome waren in Bad Kissingen besonders beängstigend […] Der eiserne Befehl der Stunde lautete also: Fliehe, es geht bereits nicht mehr um die Schulausbildung, es geht um das Leben!“ (Alex Kauders, New Jersey: Dr. Robert Hofmann, Eidesstattliche Erklärung vom 30. März 1957)

Es verwundert deshalb nicht, dass Ruth und Alexander Kauders im September 1933 die Kissinger Realschule verließen und die Familie nach Hamburg, in die Geburtsstadt von Josef Kauders, zog. Allerdings kehrte die Familie im Juni 1934 wieder nach Bad Kissingen zurück. Dass Dr. Hofmann mit seiner oben zitierten Warnung nur allzu Recht haben sollte, musste Josef Kauders am Abend des 15. Januar 1935 erfahren, als er und seine Frau zu Besuch bei Dr. Sally Mayer im Hause Bretzfelder waren. Dort musste er die Schüsse auf Dr. Mayer und die anschließenden Schmährufe miterleben. Er selbst wurde von einem Stein, der durchs Fenster geworfen wurde, verletzt. Die Eheleute Kauders entschlossen sich daraufhin, Bad Kissingen zu verlassen. Sie gingen mit ihren beiden Kindern zunächst für ein paar Wochen nach Hindenburg in Oberschlesien, einer etwa 150 km südöstlich von Breslau gelegenen Großstadt, wo die Mutter von Käthe Kauders ein Kolonialwarengeschäft besaß, das ihr verstorbener Mann aufgebaut hatte. Von dort aus zog die Familie Kauders nach Hamburg, in den Geburtsort von Josef Kauders, wo Alex Kauders am Schabbat nach seinem 13. Geburtstag seine Bar Mizwah feiern konnte. Nach zwei Jahren verlegten die Kauders ihren Wohnort nach Berlin. Alex Kauders machte dort eine Ausbildung zum Schlosser, um sich auf die ins Auge gefasste Auswanderung vorzubereiten. „Doch“, so Alex Kauders, „wir konnten die Papiere nicht bekommen.

Meine Schwester konnte nach England gehen. Und ich floh nach der Kristallnacht, gerade einmal 17 Jahre alt, im März 1939 alleine illegal nach Buenos Aires. […] Jemand hatte mir geholfen, ein Visum zu bekommen für Bolivien, aber ich fand ein Schiff für Argentinien, wo ich bis Kriegsende blieb. Als Flüchtling ohne Papiere konnte ich nicht viel arbeiten. […] Sechs Jahre lang musste ich ein ärmliches Leben führen. Meine Eltern konnten 1941 über Schweden in die USA auswandern. Sie hatten einen wohlhabenden Onkel, der mir die Papiere schickte, um nach den USA zu kommen. […] Trotz aller Katastrophen, Gefängnis, Lager und Verfolgungen sind wir am Leben geblieben - so wir können uns nicht beschweren (Textauszug aus H.J. Beck, Kissingen war unsere Heimat, S. 751ff).

Im September 1948 beantragte Josef Kauders vor der Wiedergutmachungsbehörde die Rückerstattung seines Modegeschäfts in der Ludwigstraße, das er am 8. November 1938 zu einem Verkaufspreis von 7800 RM unter Wert veräußern musste. Der neue Besitzer legte Widerspruch ein, bezeichnete den damaligen Kaufpreis als angemessen und wies die Behauptung von persönlichem Zwang zurück. Die „sogenannte Zwangslage bei Abschluss des Vertrags [sei] nicht gegeben gewesen“.

Die nachfolgend recht scharfe Reaktion von Kauders Anwalt Dr. Otto L. Walter ist aufschlussreich, denn sie macht deutlich, nach welchem Muster die Verdrängung der Juden aus der Wirtschaft während der NS-Zeit  ablief und mit welcher Ignoranz nicht selten im Wiedergutmachungsverfahren von Seiten der Beklagten auf die Forderungen reagiert wurde. Kauders Anwalt bewertete die Behauptung der Antragsgegner, es liege ‚keine Geschäftsübernahme vor, sondern nur eine Übernahme der Einrichtung und der Waren‘ als „unverschämten Versuch, Hitler-Methoden in das Rückerstattungsverfahren zu tragen. Die Hitler-Methode war es, den Juden aus den Geschäftsräumen zu verdrängen, den Wert des Geschäfts zu ignorieren und eine möglichst schäbige Schätzung der Waren und der Einrichtung vorzunehmen. Damit war dem im Dritten Reich üblichen neuen ‚Rechtsgefühl‘ und Bedürfnis für ‚Gesetzmäßigkeit‘ Genüge getan…Sollte es den Einwohnern des idyllischen Städtchens Kissingen entgangen sein, dass …Juden systematisch aus Staat und Wirtschaft verdrängt wurden, …  dass Kunden und Lieferanten teils freiwillig, teils aus Angst den jüdischen Geschäften fernblieben, …  dass der Deutsche, dessen Fleiß und Ehrbegriff einst der Welt zum Vorbild diente, beiseite gedrängt wurde von den Nutznießern und Schmarotzern des Regimes, denen es leichter schien, die Früchte des Fleißes anderer einzuheimsen... Die Sachlage und Verhältnisse des Jahres 1938 sind uns bekannt; wir verstehen, dass die Ausschaltung der Juden zu dieser Zeit eine feststehende Tatsache war. Wir verstehen, dass bei einer solchen „Konjunktur“, nicht jeder die Charakterstärke hat, sich von der Verteilung der Beute fernzuhalten. Wir erwarten jedoch, dass wenigstens die anständigen Elemente die Wiedergutmachung nach Beendigung der Verhältnisse für eine selbstverständliche Pflicht halten.“

Trotz der gegensätzlichen Positionen einigten sich beide Seiten relativ schnell auf einen Vergleich. Im September 1949 erhielt Kauders eine Nachzahlung von 12 000 DM und die Erstattung seiner Anwaltskosten in Höhe von 1000 DM (Vgl. StAW WB IV A 724 Josef Kauders). Kauders Anwalt war mit großer Wahrscheinlichkeit der renommierte New Yorker Wirtschaftsanwalt Dr. Otto Ludwig Walter (siehe S. 179f)externer Link, der in den nächsten Jahrzehnten auch wieder in München tätig war. Dessen Mutter Laura Walter geb. Oberzimmer stammte aus Bad Kissingen.

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Josef Kauders starb im Mai 1970 in New York im Alter von 79 Jahren, seine Ehefrau Käthe überlebte ihn um 15 Jahre, sie starb mit 87 Jahren im Dezember 1985. Während Josef Kauders und seine Familie rechtzeitig fliehen konnten, wurden zwei seiner Geschwister, Eduard und Lina verheiratete Neustädter, Opfer der Shoa, seinem Bruder Carl Michael gelang die Flucht in die Vereinigten Staaten.

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Josef Kauders

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Josef Kauders und Tochter Ruth beim Spaziergang durch den Luitpoldpark

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Josef und Käthe Kauders waren Mitglieder der "Gesellschaft Erholung", eines jüdischen Geselligkeitsvereins in Bad Kissingen

                                               

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Josef Kauders mit Enkelkindern, links Herbert Weissenstein, rechts Karin Popper


Quellenangaben


Hans-Jürgen Beck, Kissingen war unsere Heimat, Stand April 2017, S.751ff
Alex Kauders (New Jersey): Dr. Robert Hofmann, Eidesstattliche Erklärung vom 30. März 1957
Hinweis auf private Dokumente unter Datenbank Ancestryexterner Link
Datenbank Genicomexterner Link
Meldeunterlagen Stadt Bad Kissingen
Datenbank Genicom Michael Kaudersexterner Link
Foto, Registrationcard Carl Michael Caudersexterner Link
Eduard Kauders, Gedenkbuch Detmoldexterner Link
Gedenkbuch Bundesarchiv Koblenzexterner Link
Yad Vashem Zentrale Datenbank Vashem Zentrale Datenbank…externer Link
StAWü WB IV A 724 Josef Kauders
Reinhard Weber, Das Schicksal der jüdischen Rechtsanwälte nach 1933, Oldenbourg-Verlag 2006, S. 179 fexterner Link

Bildnachweise


© Alex Kauders
© Thomas Popper (Die Familienfotos wurden uns freundlicherweise von Thomas Popper, Josef Kauders Enkel, zur Verfügung gestellt).



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