Personendaten


Steinberger Ludwig

Nachname
Steinberger
Vorname
Ludwig
Geburtsdatum
20.01.1874
Geburtsort
Schonungen
Weitere Familienmitglieder

Eltern: Lazarus und Eva Steinberger geb. Linz
Geschwister: Hermann, Joseph, Hedwig, Isidor, Bella, Ernst, Julius
Ehefrau: Bertha geb. May
Kinder: Herbert, Hans Jakob (Jack) und Rudolph

Adresse

Promenadestraße 2 (heutige Zählung)

Beruf/Ämter
Kantor und Religionslehrer
Emigration/Deportation

Mai 1937 emigriert in die USA

Sterbeort/Sterbedatum
New York - 17.07.1957

Biografie


Ludwig Steinberger, der 45 Jahre lang in Bad Kissingen als Kantor und Religionslehrer der jüdischen Gemeinde tätig war, stammte aus Schonungen bei Schweinfurt. Er wurde dort am 20, Januar 1874 als Sohn des dortigen Viehhändlers Lazarus Steinberger und dessen Frau Eva geboren, aus deren Ehe acht Kinder hervorgingen. Neben dem Viehhandel, seinem Brotberuf, war Lazarus Steinberger als Kantor und Vorbeter in Schonungen aktiv und entwickelte sich in dieser Stellung rasch zum „geistigen Mittelpunkt seiner Gemeinde“.

Ludwig Steinberger hatte von seinem Vater offenbar nicht nur die schöne Stimme geerbt, sondern auch dessen Liebe zur Liturgie und zur Musik. So fasste er schon früh den Entschluss, Kantor zu werden. In Würzburg, das damals ein religiöses jüdisches Zentrum von europäischem Rang war, ließ er sich an der berühmten Israelitischen Lehrerbildungsanstalt zum Kantor und Religionslehrer ausbilden. Mit 18 Jahren trat er 1892 die Stelle eines Kantors an der Synagoge von Bad Kissingen an. Er sollte dieses Amt dort 45 Jahre lang bis zu seiner erzwungenen Emigration nach Amerika ausüben. Ludwig Steinberger heiratete relativ spät als reifer Mittvierziger, nachdem er im Ersten Weltkrieg als Soldat an der Front im Landsturm gekämpft und überlebt hatte. Seine achtzehn Jahre jüngere Frau Bertha May war die Tochter eines wohlhabendenden und angesehenen jüdischen Hopfenhändlers aus Nürnberg. Sie hatte nach dem Abitur Englisch und Französisch an der Münchner Universität studiert und zur Vertiefung ihrer Sprachkenntnisse Sprachstudien nach England und Frankreich unternommen, was in der damaligen Zeit für eine Frau äußerst ungewöhnlich war. Nach der Heirat im August 1919 zog Bertha zu ihrem Mann nach Bad Kissingen. Ludwig und Bertha Steinberger hatten drei Kinder: der älteste Sohn Herbert wurde 1920 in Bad Kissingen geboren, es folgten im Mai 1921 Hans Jakob (Jack) und im Mai 1924 Rudolph.

Die Musik war die große Leidenschaft von Ludwig Steinberger. Er fühlte sich ihr nicht nur durch sein Amt als Kantor verbunden. Besonders liebte er die klassische und romantische Musik. Und so erklangen im Hause Steinberger nicht nur synagogale Gesänge und religiöse Lieder, sondern auch Lieder von Schumann und Schubert sowie Klaviermusik von Beethoven. Ludwig Steinberger ist ein hervorragendes Beispiel für die enge Verbindung deutscher und jüdischer Kultur, wie sie für viele deutsche Juden um die Jahrhundertwende typisch war.

Neben seiner Tätigkeit als Kantor wirkte Ludwig Steinberger auch als Religionslehrer. Mit großer Hingabe widmete er sich dem Studium der Thora, des Talmuds und der Mischna. Von seiner Einstellung her war er eher liberal. So waren Auseinandersetzungen mit dem orthodoxen Rabbiner Dr. Seckel Bamberger vorprogrammiert.  Diese spitzten sich im Laufe der Zeit so sehr zu, dass er im Sommer 1912 – wie das „Frankfurter Israelitische Familienblatt“ vom 6. September 1912 meldete – ernsthaft plante, nach Buenos Aires auszuwandern und dort in das Geschäft seiner Brüder Joseph und Ernst einzutreten. Zum Glück für die jüdische Gemeinde überlegte er sich dies jedoch noch einmal und blieb ihr als Kantor erhalten.

Nach der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler am 30. Januar 1933 veränderte sich das Klima in Bad Kissingen wie in ganz Deutschland dramatisch. Der Antisemitismus war nun auch für die Steinbergers zunehmend zu spüren. Vor allem um ihre Kinder machten sie sich Sorgen. Und so entschloss sich das Ehepaar Steinberger 1934 schweren Herzens, die beiden ältesten Söhne mit einem Kindertransport nach Amerika zu schicken, wo sie durch die Vermittlung einer karitativen jüdischen Hilfsorganisation von Pflegeeltern betreut werden sollten.

1936 entschlossen sich Ludwig und Bertha mit ihrem jüngsten Sohn Rudolph zur Auswanderung nach Amerika. Neben der sich zuspitzenden politischen Situation in Deutschland dürfte vor allem der Tod von Bertas Mutter im August 1936 den letzten Anstoß dazu gegeben haben. Die Steinbergers fühlten sich nun nicht mehr persönlich an Bad Kissingen gebunden. Und so sprang nun Jack Steinbergers Pflegevater Barnett Faroll als Bürge ein und half den Steinbergers bei der Ausreise. In Hamburg schiffte sich die Familie Steinberger nach Amerika ein. Am 14. Mai 1937 erreichten sie auf der „S. S. Manhattan“ den Hafen von New York.

An die bedrückenden Umstände der Emigration erinnert sich Rudolph Steinberger: „Meine Eltern und ich emigrierten 1937 sang- und klanglos auf legale Weise in die Vereinigten Staaten. Wir hatten überhaupt kein Geld (zehn Reichsmark waren die höchstmögliche Summe, die man legal aus Deutschland mitnehmen durfte). Wir wurden durch jüdische Wohlfahrtsvereine unterstützt und lebten ein Jahr lang auf einer Farm in Aurora in Illinois, dank der Großzügigkeit von Barnett Faroll, Jacks Pflegevater in Winnetka“. Trotz intensiver Bemühungen gelang es Ludwig Steinberger nicht, eine Anstellung als Kantor zu finden. Mit seinen 63 Jahren war er inzwischen zu alt und der Bedarf an Kantoren war in den jüdischen Gemeinden gering. Und dann zog sich Ludwig Steinberger auch noch eine Kehlkopfentzündung zu, als er in einer jüdischen Gemeinde das Amt des Kantors an einem hohen Feiertag probeweise ausüben sollte. So musste er sein Kantorengewand endgültig an den Nagel hängen.

Mit Hilfe einer jüdischen Wohlfahrtsorganisation, die ihm einen Kredit gewährte, konnte er aber ein kleines jüdisches Delikatessengeschäft in Rogers Park auf der Nordseite von Chicago eröffnen. Aber trotz aller Bemühungen lief der Laden nicht sonderlich gut. Auch die Verlegung ihres Geschäfts in die Irving Park Road brachte nicht den gewünschten Erfolg. Als das Ehepaar Steinberger etwas Geld als Wiedergutmachung vom deutschen Staat erhielt, setzten sich Ludwig und Berta Steinberger 1952 zur Ruhe und zogen nach New York City.

Am 17. Juni 1957 starb Ludwig Steinberger im Alter von 83 Jahren. Seine Frau überlebte ihn um 16 Jahre und starb 1973 in Moorestown.

509_Ludwig-und-Bertha-Steinberger-vor-dem-Regentenbau
Ludwig und Bertha Steinberger vor dem Regentenbau


Quellenangaben


leicht gekürzt übernommen aus: Hans-Jürgen Beck, Kissingen war unsere Heimat, Stand April 2017, S.810ff
Artikel in der "Bayerischen israelitischen Gemeindezeitung" vom 15. Mai 1937externer Link

Bildnachweise


© Jack Steinberger



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