Personendaten


Ehrlich Adele

Nachname
Ehrlich
Geburtsname
Leven
Vorname
Adele
Geburtsdatum
04.02.1886
Geburtsort
Unna/Westfalen
Weitere Familienmitglieder

Eltern: Max und Bertha Leven geb. Herz
Geschwister: Paula verh. Langstadt, Otto, Moritz, Lilly
Ehemann: Franz Ehrlich
Kinder: Felicitas (Liesel), Fritz (Fred)

Adresse
Beruf/Ämter
Maßschneiderin
Emigration/Deportation

April 1937 emigriert nach London

Sterbeort/Sterbedatum
Birmingham - 04.12.1976

Biografie


Adele Ehrlich geb. Leven kam am 4. Februar 1886 als Tochter von Max Leven und seiner Ehefrau Bertha geb. Herz im westfälischen Unna zur Welt und wuchs mit ihren vier Geschwistern Paula (*1881), Otto (*1882), Moritz (*1884) und Lilly (*1890) auf. Ihr Bruder Moritz fiel als Soldat im Ersten Weltkrieg.

Adele Leven heiratete im Jahr 1921 Franz Ehrlich, der Mitinhaber des Modehauses Ehrlich war, und zog zu ihm in die Ludwigstraße in Bad Kissingen. Sie war in ihren jungen Berufsjahren eine hochqualifizierte und sehr gut bezahlte Maßschneiderin, die ihren Beruf in Frankreich erlernt hatte, fließend Französisch sprach und im renommierten Modegeschäft der Ehrlichs eine Gruppe von sieben Näherinnen der Haute Couture im Bereich der Damenmode leitete. (vgl. J. Ereli, S. 29). Auch das private Glück der Familie schien perfekt, 1922 kam ihr Sohn Fritz (später Fred) und 1926 ihre Tochter Felicitas (Liesel) zur Welt. Adele konzentrierte sich voll auf die Arbeit im Modegeschäft und der Maßschneiderei, die Hausarbeit und die Erziehung der Kinder übernahm Anna, eine katholische Haushälterin. Fred Ehrlich, Adeles Sohn erinnert sich:„Ja, wir hatten eine Haushälterin namens Anna. Denn meine Mutter arbeitete Vollzeit, sehr viele Stunden und sehr hart in der Maßschneiderei. Der Haushalt wurde von einer wunderbaren Person namens Anna geführt [...] Sie war keine Jüdin. Sie war katholisch, sehr religiös und hatte viel Zeit – so viel Freizeit, wie sie wollte, jeden Sonntag, jedes Weihnachten und Ostern in die Kirche zu gehen. Aber sie war sehr, sehr freundlich zu uns, und sie hat meine Schwester und mich sicherlich genauso erzogen wie alle anderen auch. Und ihre Kochkünste waren hervorragend" (USC Shoa Foundation, Visual History Archive, Interview mit externer LinkFred Ehrlich)externer Link.

Strenge jüdische Essensvorschriften gab es im Hause Ehrlich nicht, niemand im Haus - auch in den anderen Ehrlich-Familien - lebte koscher. Und die Synagoge besuchte man nur gelegentlich - meist an den hohen jüdischen Feiertagen. Aber natürlich waren die Ehrlichs Mitglieder der jüdischen Gemeinde. Sie trafen sich mit ihren jüdischen Freunden zum geselligen Beisammensein und veranstalteten vielleicht einmal im Jahr eine Theateraufführung oder ein Kostümfest an Purim (vgl. ebenda). Und an den hohen jüdischen Feiertagen traf sich die Großfamilie in der geräumigen Wohnung von Tante Ida im ersten Stock.

Doch diese glückliche Zeit sollte mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten schnell ein Ende finden. Natürlich war auch das größte Modehaus der Stadt sofort von den Boykottmaßnahmen betroffen, SA-Männer hinderten Kunden am Zutritt des Geschäfts und die Einnahmen waren rückläufig. Fred Ehrlich erinnert sich aber auch an Kunden, die die Notlage jüdischer Geschäftsleute für sich auszunutzen verstanden: „Die Menschen vor Ort wussten genau, was los war. Und sie kamen und kauften ein. Ein Mann konnte z.B. reinkommen und Tisch- und Bettwäsche für seine Tochter kaufen, die heiratete, aber nicht bezahlen, weil er genau wusste, dass ein jüdischer Ladenbesitzer unter keinen Umständen Geld von einem Mitglied der Nazipartei verlangen konnte. Und gleichzeitig konnten wir es uns nicht leisten, ihm die Lieferung zu verweigern. Sie hatten also bald den Dreh raus" (ebenda).

1935 verübten örtliche Nazis einen nächtlichen Anschlag auf mehrere jüdische Geschäfte. Auch die Glasfenster des Modehauses Ehrlich wurden mit Säure beschmiert. Die hebräischen Schriftzeichen für "koscher" wurden auf ihnen eingraviert. Im Herbst 1936 - die Lage war für die Familie immer bedrohlicher geworden, wurde Adeles Mann von einem Bekannten, wahrscheinlich einem früheren Kriegskameraden gewarnt, dass die Nazis etwas gegen ihn im Schilde führten, es wäre besser, wenn er sofort die Stadt verlassen würde. Adele und Franz verließen mit dem Nachtzug Bad Kissingen und reisten mit dem Zug nach Holland und von Holland nach England.

Adele kehrte 1937 noch einmal nach Bad Kissingen zurück, löste ihre Wohnung auf und regelte die Ausreise für ihre beiden Kinder. Ihr Mann blieb in England, weil er in Deutschland mit einer Verhaftung rechnen musste. Im April 1937 verließ Adele mit ihren Kindern Fred und Liesel Bad Kissingen, um über Holland nach England zu emigrieren. Sie machte in Köln einen Zwischenstopp und fuhr mit dem Nahverkehrszug nach Unna. Dort nahm sie Abschied von ihrem 83jährigen Vater, den sie schweren Herzens in einem Altersheim zurücklassen musste. Ihre Mutter war bereits 1932 gestorben. Max Leven wurde im Juli 1942 von Dortmund nach Theresienstadt und von dort im September 1942 nach Treblinka deportiert und ermordet.

Adeles Geschwister Paula, Otto und Lilly konnten dagegen aus Deutschland fliehen und überlebten die NS-Zeit.

Bei der Ausreise nach England wurden Adele und ihre Familie von Onkel Ludi, einem wohlhabenden Onkel ihres Mannes unterstützt, der als Bürge garantierte, dass sie weder Arbeitslosengeld noch andere Leistungen vom britischen Staat beziehen würden. Denn in Großbritannien herrschte damals große Arbeitslosigkeit. Onkel Ludi bot ihnen zunächst auf seinem Landsitz in Bexley Zuflucht, bevor sie nach Birmingham umzogen (vgl. J. Ereli, S. 68). Adeles Mann fand eine Anstellung in der City von London bei einem Unternehmen, das mit Nichteisenmetallen handelte, und Adele kümmerte sich jetzt um den Haushalt.

Adeles Familie blieb auch nach dem Krieg in England, nur ihre Tochter Liesel, die in der zionistischen Bewegung Anschluss fand, heiratete Herbert Schreiber und wanderte nach Israel aus. Adele Ehrlich starb im Dezember 1976 in Birmingham im Alter von 90 Jahren. Fred Ehrlich charakterisiert seine Mutter mit folgenden Worten: „Ein sehr sanfter Mensch. Und eine große Stütze für die ganze Familie" (ebenda).
 


Quellenangaben


Die Angaben stammen größtenteils aus der Autobiografie ihres Neffen Joske Ereli, Von Hampi Ehrlich zu Jossl Ereli - Meine Lebensgeschichte
Hans-Jürgen Beck, Kissingen war unsere Heimat, Stand April 2017, S.581
USC Shoa Foundation, Visual History Archive, Interview mit Fred Ehrlichexterner Link
Datenbank Ancestry, Sterbeindex England & Wales, 1916-2007externer Link
Datenbank Ancestry, Stammbaum Adele Levenexterner Link
Stolpersteine Unna, Max Levenexterner Link

Bildnachweise


© Datenbank Ancestry, Stammbaum Adele Levenexterner Link
Familienfotos © Fred Ehrlich



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