Personendaten
Rosenthal Ilse
Eltern: David Callomon und Margarete geb. Wohlauer
Geschwister: Erich
Ehemann: Walter G. Rosenthal
Kinder: Inge Lore, Klaus Peter
Bismarckstraße 18 (heute 14)
September 1933 emigriert nach Italien
1938 emigriert in die Schweiz
Juli 1946 ausgewandert in die Lombardei
Biografie
Ilse Rosenthal geb. Callomon wurde am 12. März 1903 als Tochter von David Callomon und Margarete geb. Wohlauer in Breslau geboren. Ihr älterer Bruder Eric hatte 1898 das Licht der Welt erblickt. Ilse Rosenthal lernte in Breslau ihren zukünftigen Mann Dr. Walter G. Rosenthal wohl als Medizinstudent oder jungen Arzt kennen. Nach ihrer Heirat zog das junge Paar im Mai 1924 nach Bad Kissingen, wo Ilses Schwiegereltern lebten. Denn während der Sommermonate war dort seit 1890 ihr Schwiegervater als Badearzt und praktischer Arzt tätig. Auch Ilses Mann Walter übernahm in der Bismarckstraße eine eigene Praxis. Von 1924 bis 1927 war die Familie nur während der Sommermonate in Bad Kissingen und hielt sich in den Wintermonaten vorwiegend in Breslau auf. Seit 1927 wohnten sie ganzjährig in der fränkischen Kurstadt.
Im Juni 1925 wurde ihre Tochter Inge Lore geboren und im Mai 1933 folgte Sohn Klaus Peter. Die gut situierte Familie lebte im Bismarck-Haus in der Bismarckstraße und genoss großes Ansehen in der Stadt. Tochter Inge Lore erinnert sich im Rückblick, dass ihre Eltern gerne ausgegangen sind und oft Gäste eingeladen haben. Doch mit Beginn der NS-Herrschaft änderte sich schlagartig die Situation der Familie.
Nachdem Ilse Rosenthals Mann von einem prominenten Patienten gewarnt worden war, länger in Deutschland zu bleiben, entschlossen sich die Rosenthals frühzeitig die fränkische Kurstadt zu verlassen. Bereits im September 1933 emigrierte die Familie mit der damals achtjährigen Inge Lore und dem vier Monate alten Säugling Klaus Peter nach Mailand, wo sich Dr. Rosenthal schon einmal kurzfristig in seiner Studienzeit aufgehalten hatte. Für Ilse Rosenthal war die erzwungene Flucht und das Leben in der Fremde eine traumatische Erfahrung, von der sie sich zeitlebens nicht mehr erholt hat. Es war eine schwierige Zeit für die ganze Familie; für ihren Mann war es nicht leicht, eine angemessene Beschäftigung zu finden und sich wieder eine bescheidene Existenz aufzubauen. Im Familienkreis - so Tochter Inge Lore - sprach man weiterhin Deutsch (Erinnerungen Inge Lore Rosenthal, Telefongespräch vom 07.12.2019).
Auch in Italien waren die Rosenthals nicht dauerhaft sicher. 1938 zwangen die nun auch hier stärker aufkommenden antisemitischen Tendenzen die Familie erneut zur Emigration. Die Rosenthals flohen in die Schweiz, wo sie insgesamt acht Jahre blieben und in Zürich lebten. Hier waren die Lebensumstände der Familie besser. Ilses Mann bekam Unterstützung durch Kollegen, die ihm Vertretungen verschafften, so dass die Familie gut versorgt war. Dr. Rosenthal engagierte sich in der jüdischen Gemeinde Zürichs und deren Filialen und kümmerte sich um jüdische Patienten.
Ilses Eltern waren 1937 (Mutter) bzw. 1940 (Vater) verstorben, ihr Bruder Erich, der 1942 im französischen, ab 1944 im Schweizer Exil die NS-Zeit überlebte, emigrierte 1946 mit seiner Frau Ilse in die Vereinigten Staaten. Er starb 1977 in New York, nur ein Jahr nach dem Tod seiner Frau.
Nach dem Krieg zog die Familie dann im Juli 1946 aus Zürich weg und kehrte nach Italien zurück. Nach Aussage von Inge Lore Rosenthal hätten sie auch in Zürich bleiben können, doch Professor Bianchi, der Direktor der chirurgischen Universitätsklinik in Mailand, der Dr. Rosenthal aus den 1930er-Jahren kannte und schätzte, überredete ihn zur Rückkehr. Erst später erfuhr die Familie, dass sie auch in die USA hätten auswandern können. Mitglieder der jüdischen Studentenverbindung "Salia", in der Dr. Rosenthal Mitglied war, hatten für die Familie nämlich ein Affidavit besorgt.
Die Familie wohnte zunächst in Mandello del Lario am Comer See, wo Dr. Rosenthal wieder als Arzt tätig war. Im Januar 1950 zog die Familie in die nur wenige Kilometer entfernte Gemeinde Malgrate um und 1953 weiter nach Lecco, wo Ilses Mann eine ärztliche Praxis hatte. In den 1950er-Jahren erhielten auch alle Familienmitglieder die italienische Staatsbürgerschaft. Ilse, ihr Ehemann und Tochter Inge Lore lebten bis Anfang 1967 in Lecco und zogen dann nach Cormano in der unmittelbaren Umgebung von Mailand. Dort starb Walter Rosenthal im Januar 1967 im Alter von 68 Jahren.
Als die restliche Familie in den 1950er- oder 1960er-Jahren noch einmal Bad Kissingen besuchte, fuhr Ilse Rosenthal nicht mit. Nach den leidvollen Erfahrungen wollte sie nicht mehr in das Land zurück, aus dem sie und ihre Familie fliehen mussten, nur weil sie Juden waren.
Ilse Rosenthal zog im Oktober 1973 zusammen mit ihrer Tochter nach Mailand um, wo sie im Dezember 1990 mit 87 Jahren verstorben ist.
Quellenangaben
Meldeunterlagen der Stadt Bad Kissingen
Korrespondenz Dr. W. Rosenthals mit dem Intergouvernementalen Komitee für die Flüchtlinge in Genf, CM/1 Formulare und Begleitdokumente von DP´s in der Schweiz, sowie Schriftwechsel von IRO-Dienststellen in Deutschland, Österreich und dem Nahen Osten mit dem IRO-Hauptquartier in Genf, Arolsen Archives online
Anja Huber, Stadtarchiv Zürich, Auskunft und Scan der Meldekarte der Familie, Mail vom 06.08.2019
Zentralkartei des VSJF, Betreutenkarten der Familienangehörigen , ETH Zürich, Archiv für Zeitgeschichte, Hirschengraben 62, 8092 Zürich, IB VSJF-Archiv/R.502
Informationen Commune Mandello, Mail vom 29.08.2019
Informationen Commune Malgrate, Mail vom 19.09.2019
Informationen Commune Lecco, Mail vom 25.09.2019
Informationen Commune Cormano, Mail vom 27.09.2019
Datenbank Ancestry, Geburtseintrag, Östliche preußische Provinzen, Polen, Personenstandsregister 1874-1945
Datenbank Ancestry, Ain, Frankreich, ausgewählte Holocaust-Aufzeichnungen, 1940-1944 (USHMM)
Datenbank Ancestry, Schweiz, jüdische Ankünfte, 1938-1945.
Datenbank Ancestry, New York State, Passagier- und Besatzungslisten, 1917-1967
Datenbank Ancestry, USA, Sterbeindex der Sozialversicherung, 1935-2014
Datenbank Ancestry, USA, Sterbeindes der Sozialversicherung,1935 - 2014, Eintrag Ilse Callomon
Datenbank Ancestry, Sterbeeintrag der Mutter, Östliche preußische Provinzen, Polen, Personenstandsregister 1874-1945
Persönliche Mitteilung Klaus Peter Rosenthal (Sohn), Mailand, Brief vom 30.11.2019
Erinnerungen Inge Lore Rosenthal, Telefongespräch vom 07.12.2019
Bildnachweise
Ilse Rosenthal und Ehemann Walter © Klaus Peter Rosenthal
© Stadtarchiv Bad Kissingen, Postkarten-Sammlung Josef Bötsch Postkarte Nr. 13-203
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