Personendaten


Löwenthal Ludwig

Nachname
Löwenthal
Vorname
Ludwig
Geburtsdatum
20.03.1898
Geburtsort
Bad Kissingen
Weitere Familienmitglieder

Eltern: William Löwenthal und Amanda geb. Bamberger
Geschwister: Irma (verh. Lustig), Martin, Siegfried
Ehefrau: Rose geb. Kohn
Kind: Willi

Adresse

Ludwigstraße 5 (heutige Zählung)

Beruf/Ämter
Bankier, Schriftführer der Ortsgruppe der DDP, Gründungsmitglied der Kissinger Sektion des Reichsbanners
Emigration/Deportation

1933 emigriert in die Niederlande
April 1943 von dort deportiert nach Theresienstadt

Sterbeort/Sterbedatum
Theresienstadt - 21.02.1944

Biografie


Ludwig Löwenthal entstammte einer alteingesessenen Bad Kissinger Familie. Sein Vater William Löwenthal, ein Viehhändler, hatte im Jahre 1890 die in Wiesenfeld bei Karlstadt aufgewachsene Amanda Bamberger geheiratet. Ludwig, der am 20. März 1898 in Bad Kissingen geboren wurde, hatte drei ältere Geschwister, die ältere Schwester Irma und zwei Brüder. Ludwig besuchte die Kissinger Realschule.

An seinem 29. Geburtstag heiratete Ludwig Löwenthal die drei Jahre jüngere Rose Kohn aus Gerolzhofen. Ihre Eltern Hermann und Amalie Kohn führten dort eine Maschinen- und Eisenhandlung. Im Jahre 1922 gründete Ludwig Löwenthal in Bad Kissingen aus kleinen Anfängen heraus ein Bankgeschäft, das sich in exponierter Lage an der Ecke Ludwigstraße/Theresienstraße befand. Neben den üblichen Geld- und Devisengeschäften verdiente die Bank ihr Geld mit Versicherungsgeschäften. Außerdem gab es im Bankhaus eine Vertretung großer Reedereien wie der Cunard-, Anchor- und der Donaldson-Linie. Löwenthal warb mit der „Beförderung von Passagieren und Verfrachtung von Waren nach allen Erdteilen“.
 

319_Löwenthal-bank

 

Nicht nur beruflich, sondern auch politisch spielte Löwenthal im Bad Kissinger Stadtleben eine wichtige Rolle und setzte sich engagiert gegen den aufkommenden Nationalsozialismus in der Kurstadt ein. Er war Schriftführer in der Kissinger Ortsgruppe der linksliberalen „Deutschen Demokratischen Partei“, die die Weimarer Republik als erste demokratische Staatsform in Deutschland zu stützen versuchte. Außerdem war er Gründungsmitglied der Bad Kissinger Sektion des „Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold“. Dieser Kampfverband hatte sich zum Ziel gesetzt, die Weimarer Republik gegen die Feinde aus dem rechten und linken Lager zu verteidigen.

Wegen seines politischen Engagements gehörte Löwenthal zu den ersten Bad Kissinger Juden, gegen den die Nationalsozialisten nach ihrer „Machtergreifung“ vorgingen. Schon im Januar 1933 wurde Ludwig Löwenthal von SA-Leuten in seiner Wohnung überfallen und schwer misshandelt. Im März 1933 wurde er in „Schutzhaft“ genommen. Während der sechswöchigen Haft wurde er unter Druck gesetzt und vor die Wahl gestellt, sein Geschäft zu liquidieren oder weiter in "Schutzhaft" zu bleiben. Gezwungenermaßen stimmte Löwenthal deshalb dem Verkauf seines Bankhauses zu. Wie skrupellos und zielbewusst Parteibehörden und städtische Verwaltung bei diesen Vorgängen handelten, lässt sich aus den Akten des Wiedergutmachungsverfahrens erfahren: Nach Darstellung von Rose Löwenthals Anwalt Dr. Roedelsberger war "der Bad Kissinger Regierungsrat und Stadtkommissar Cramerexterner Link" einer der Hauptverantwortlichen für die Liquidation des Bankhauses Löwenthal. Er ließ zunächst Rose Löwenthal (sozusagen als Geisel) für den zu diesem Zeitpunkt verreisten Ehemann verhaften, bis Ludwig Löwenthal eintraf und in „Schutzhaft“ genommen werden konnte. Durch die Verhaftung des Bankiers brachte man das Bankhaus wohl nicht unbeabsichtigt in eine schwierige finanzielle Lage, denn viele Anleger zogen darauf - verunsichert durch Löwenthals Verhaftung - ihre Einlagen aus dem Bankhaus zurück. Cramer benutzte dann offensichtlich die von ihm durch die angeordnete Schutzhaft heraufbeschworene schwierige Lage des Bankhauses Löwenthal & Co, um die Liquidation des Bankgeschäfts durchzusetzen. „Dem seiner Freiheit beraubten Herrn Ludwig Löwenthal wurde erklärt, er werde aus der Schutzhaft nur entlassen, falls er in die Liquidation einwillige. Es blieb Herrn Ludwig Löwenthal nichts anderes übrig, als auf diese Erpressung einzugehen“ (aus Schreiben von Dr. Roedelsberger, Rose Löwenthals Anwalt,  1.12.1952). Die Abwicklung der Liquidation lag dann nicht mehr in Löwenthals Händen, der nach seiner Einwilligung sofort wieder festgenommen wurde. Stadtkommissar Dr. Fux ordnete eine genaue Überwachung des Bankgeschäfts an und übertrug die Durchführung der Liquidation der Schweinfurter Firma Karl Riedinger und ihrem Bad Kissinger Vertreter Wilhelm Feineis. Nach Löwenthals Freilassung organisierten die Nationalsozialisten am 20. Mai 1933 eine Kundgebung vor seinem Bankhaus, in deren Verlauf Sprechchöre die erneute Verhaftung des Bad Kissinger Bankiers forderten. Löwenthal wurde noch am gleichen Tag festgenommen und ins Landgerichtsgefängnis nach Schweinfurt überführt. Dort machte man ihm zur Auflage, sich im Umkreis von 70 km von Bad Kissingen nicht mehr sehen zu lassen.  Nach seiner Entlassung kam er nicht mehr nach Bad Kissingen zurück, sondern lebte einige Monate bei seinem Bruder Martin in München und Bad Tölz. Die beiden Verhaftungen mussten den Bankier davon überzeugt haben, dass es für ihn und seine Familie im nationalsozialistischen Deutschland keine Zukunft mehr gebe.

So entschloss sich Löwenthal zur Emigration in die Niederlande. Zwischen Oktober 1933 und Januar 1936 lebten er und seine Familie in Den Haag. Anschließend wohnten sie für mehrere Monate in Voorburg, einer Stadt nordöstlich von Den Haag, bevor sie im November 1936 nach Amsterdam umzogen. Dort betrieb Löwenthal laut Einwohnermeldekarte einen Fahrradladen. Außerdem wurde ihm von Deutschland aus eine Rente überwiesen. Von der Rheinischen Girozentrale und Provinzialbank (Zweigstelle Aachen) erhielt er monatliche Zahlungen. In Amsterdam blieb die Familie Löwenthal nicht allein. Im September 1937 folgte ihnen die Familie von Ludwigs Schwester Irma, die dort sogar in der gleichen Straße wohnte. Auch Ludwigs Schwiegereltern, Hermann und Amalie Kohn aus Gerolzhofen, lebten ab Februar 1939 in Amsterdam. Den Nationalsozialisten ging es in der Heimat vor allem darum, Löwenthals Besitz an sich zu reißen. Sie prüften, ob der Bankier Steuerschulden beim Finanzamt in Bad Kissingen oder Bad Neustadt hinterlassen habe. In diesem Fall hätten sie ihn sofort ausbürgern und sein Vermögen beschlagnahmen können. Doch diese Möglichkeit bestand zum Bedauern der Nationalsozialisten nicht. Ausführliche Recherchen des Finanzamts Bad Kissingen und des Landesfinanzamts Würzburg hatten zum Ergebnis, dass Löwenthal ein gut situierter Mann war: Durch seine Bankgeschäfte bestanden Forderungen von etwa 90.000 Reichsmark. Daneben besaß er ein Guthaben- und Wertpapierdepot im Wert von 13.000 Mark und zwei kleinere Grundstücke im Gesamtwert von 5.900 Mark. Damit das Finanzamt Moabit-West in Berlin das gesamte Vermögen beschlagnahmen konnte, entzog man Löwenthal, seiner Ehefrau und seinem Sohn am 26. Oktober 1937 die deutsche Staatsangehörigkeit. Außerdem versuchte man, Löwenthals früherem Prokuristen Alfred Amrhein aus Winkels nachzuweisen, den Kauf seiner Gärtnerei mit Geldern des Bankhauses Löwenthal finanziert zu haben. Dieser Nachweis konnte jedoch nicht erbracht werden.

Nachdem die deutsche Wehrmacht im Mai 1940 die Niederlande besetzt hatte, verschlechterte sich auch der Alltag der Familie Löwenthal in Amsterdam. Drei Jahre später wurde Ludwig mit dem Transport XXIV/1-199 am 22. April 1943 von dort nach Theresienstadt deportiert, wo er am 21. Februar 1944 starb. Auch sein erst 17jähriger Sohn Willi wurde Opfer der Shoa. Ehefrau Rose Löwenthal konnte den Holocaust überleben. Sie wurde ebenfalls nach Theresienstadt deportiert und erlebte im Mai 1945 die Befreiung des Lagers. Rose Löwenthal ging zurück nach Holland und wanderte im November nach New York aus, wo sie den Namen Lowell annahm.  

(Andreas Reuter, leicht geändert und ergänzt!)

319_Ludwig Löwenthal mit Frau Rose und Sohn Willi
Ludwig Löwenthal, Ehefrau Rose und Sohn Willi


Quellenangaben


Stolpersteinliste Bad Kissingenexterner Link
Wikipedia-Artikelexterner Link
Gedenkbuch Bundesarchiv Koblenzexterner Link
Yad Vashem Zentrale Datenbank…externer Link
Joods Monumentexterner Link
Angaben Dr. Eva Tyrell, Stadtarchiv München, Mail vom 07.10.2019 (PMB; EWK 65 F 285; Münchner Adressbücher) 
StAWü WB IV A 3382 Löwenthal Rosa (Lowell) Kohn Karl, NY

Bildnachweise


Porträtfoto und Familienfoto: © Staatsarchiv Würzburg, Gestapo 6445
Werbeannonce: Kissinger Adressbuch 1928/30 © Stadtarchiv Bad Kissingen



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